CDU in Sachsen-Anhalt Die abgesagte Merz-Revolution

Friedrich Merz (CDU): Die SPD entwickle sich zu einer "Selbsthilfegruppe Kevin Kühnert".
Foto: Peter Gercke / DPAEinige CDU-Mitglieder in Magdeburg hatten sich das am Samstag alles so schön vorgestellt. In Berlin kracht es auf dem SPD-Parteitag, die Große Koalition steht wieder einmal auf dem Spiel. Und was wäre es für eine historische Chance, wenn in Magdeburg eine Art konservative Revolution angezettelt würde. Die "Merz-Revolution", wie es auf Plakaten stand, die CDU-Mitglieder hier in die Höhe hielten.
Doch die Revolution fiel aus. Friedrich Merz, der in den Fantasien der Delegierten den Regierungssturz anführen sollte, blies die Sache höchstpersönlich ab.
Die Veranstaltung am Samstag hatte auch ein anderes Thema. Gut hundert CDU-Delegierte trafen sich in Magdeburg zum kleinen Parteitag, um einen seit Monaten anschwellenden Streit im Landesverband zu beenden. Der dreht sich um die Frage, ob sich die Partei zur AfD-Koalition öffnen soll.
Friedrich Merz war zu diesem Termin quasi als konservative Autorität von CDU-Landeschef Holger Stahlknecht und Ministerpräsident Reiner Haseloff eingeladen worden. Merz ist dort beliebt. Im vergangenen Jahr war Sachsen-Anhalt das einzige Bundesland, das eine Mitgliederbefragung dazu durchführte, wer Parteivorsitzender werden solle. 55,8 Prozent votierten für Merz. Er streichelte die Seele der Anwesenden und erzählte in seiner Rede von einem Aufsichtsratsposten, der ihn seit Jahren nach Mitteldeutschland führe.
Merz: "Die SPD ist in der letzten suizidalen Phase"
Mehr als 40 Minuten sprach der frühere Unionsfraktionsvorsitzende und attackierte vor allem die Sozialdemokraten. "Wie früher", freute sich mancher der anwesenden Delegierten. "Sind die intellektuell und geistig noch dabei? Oder lassen die sich von einem Dauerstudenten, der noch nie in seinem Leben Geld verdient hat, auf der Nase herumtanzen?", rief Merz ins Maritim-Hotel, was lauten Beifall erntete. Der Koalitionspartner entwickle sich zu einer "Selbsthilfegruppe Kevin Kühnert". "Die SPD ist in der letzten suizidalen Phase ihrer Existenz als Volkspartei", so Merz. "Wie lange kann das denn noch gut gehen?", stellte er die Große Koalition infrage.
Auch die neue SPD-Vorsitzende Saskia Esken nimmt Merz aufs Korn. Sie solle doch mal nach Sachsen-Anhalt eingeladen werden und erklärt bekommen, was der Sozialismus angerichtet habe. Die Parteichefin hatte den Begriff "demokratischer Sozialismus" kürzlich verteidigt.
Auf die eigenen Ambitionen angesprochen, zog Merz die Handbremse an. Er wolle, dass die Partei gemeinsam Erfolg habe, deshalb sei er auch fast täglich mit der Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer in Kontakt und versuche, die CDU programmatisch zu unterstützen.
Absage an die AfD
Die Revolution-Schilder in Magdeburg hatte der sogenannte Konservative Kreis organisiert. Auch "Merz 2021" stand darauf, eine Delegierte fand die Plakataktion daneben. Die Mitglieder des Kreises kommen überwiegend aus dem Harz und brachten bereits eine Koalition mit der AfD ins Spiel. Doch auch diesem Vorschlag erteilte Merz erwartungsgemäß am Samstag eine klare Absage und fügte stattdessen hinzu, dass auch die Opposition eine wichtige Rolle in der Demokratie spiele, was bei einigen Delegierten Irritationen auslöste: Solle die CDU etwa nicht mehr weiterregieren?
Ansonsten verlief der Parteitag erstaunlich harmonisch. Mit nur zwei Gegenstimmen verabschiedete der eigentlich ziemlich zerstrittene Landesverband ein konservatives Grundlagenpapier, in dem "Vaterland, Patriotismus, Heimatliebe und Leitkultur" als "angemessene Leitbilder zeitgemäßer Politik" genannt werden.
In der Partei hatte es jüngst Unmut über die Keniakoalition gegeben, dem schwarz-rot-grünen Bündnis, das in Magdeburg seit 2016 regiert. Haseloff verteidigte die Regierung. Man habe sich als CDU viel besser durchgesetzt, als es gerade die Parteikollegen in Sachsen getan haben, wo derzeit ebenfalls eine Regierung mit SPD und Grünen entsteht. Einiges, was dort im Koalitionsvertrag stehe, sei für die Koalitionsbildung in Magdeburg noch ein No-Go für die CDU gewesen.
Demonstrierte Einigkeit nach der Wendt-Affäre
Der Landeschef Stahlknecht nannte die Regierung in Magdeburg "mitte-links", was nicht das Ziel für die Christdemokraten sein dürfe. Man müsse sich mehr gegenüber den Koalitionspartnern durchsetzen.
Stahlknecht ist angezählt. Gerade erst überstand er knapp eine Affäre, nachdem er den umstrittenen Polizeigewerkschafter Rainer Wendt zu seinem Staatssekretär machen wollte. (Lesen Sie hier die ganze Geschichte zu Rainer Wendt.) Er buhlte erkennbar um Sympathien, zog sich am Ende der Veranstaltung symbolisch Krawatte und das Sakko aus. Anpacken sei jetzt angesagt, so die Botschaft.
Ob das gelingt, wird sich wohl spätestens in einem Jahr zeigen. Wie Merz wird auch Stahlknecht nachgesagt, er wolle 2021 eine Spitzenkandidatur anstreben. Bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt soll Stahlknecht den Ministerpräsidenten Reiner Haseloff beerben, Merz im Bund zu höheren Weihen streben. Entsprechend selbstbewusst präsentierten sich die beiden Anwärter vor ihrer Partei. Gleichzeitig betonten jedoch beide, Personaldiskussionen verfolge man derzeit nicht.