Oberbürgermeister zu geplantem US-Truppenabzug "Stuttgart wird spüren, dass die Kaufkraft der Amerikaner fehlt"
Die Pläne der Regierung Trump waren seit Wochen bekannt, nun gibt es erste Details. Am Mittwoch hat US-Verteidigungsminister Mark Esper mitgeteilt, dass knapp 12.000 Soldatinnen und Soldaten Stützpunkte in Deutschland verlassen sollen.
Besonders hart trifft es den Großraum Stuttgart: Die Kommandozentrale der US-Truppen in Europa (Eucom) soll aus Baden-Württembergs Landeshauptstadt ins belgische Mons verlegt werden (eine Analyse dazu finden Sie hier).
Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) kritisiert die Entscheidung. Der Stadt und anderen betroffenen Kommunen bleibt aber noch die Hoffnung, dass der Plan nicht umgesetzt wird.

Fritz Kuhn/ dpa
Foto: Marijan Murat/ dpaFritz Kuhn, Jahrgang 1955, ist seit 2013 Oberbürgermeister von Stuttgart. Er setzte sich im zweiten Wahlgang gegen den von CDU, FDP und Freien Wählern unterstützten parteilosen Sebastian Turner durch und wurde so zum ersten grünen Oberbürgermeister einer Landeshauptstadt. Zuvor saß Kuhn mehr als zehn Jahre für die Grünen im Bundestag, von 2005 bis 2009 war er Fraktionsvorsitzender. Von 2000 bis 2002 war er außerdem Parteivorsitzender. Bei der kommenden Oberbürgermeister-Wahl im Oktober 2020 wird Kuhn nicht mehr antreten.
SPIEGEL: Was bedeutet der Abzug der Amerikaner für die Stadt?
Fritz Kuhn: Das ist ein Verlust für Stuttgart. Ich finde nicht in Ordnung, was da läuft, es ist eine Bestrafungsaktion von Trump gegen die deutsche Regierung. Es entspricht nicht den Beziehungen, die zwischen der Stadt Stuttgart und den Amerikanern gewachsen sind.
SPIEGEL: Welche wirtschaftlichen Folgen erwarten Sie für die Region?
Kuhn: Die Stadt wird spüren, dass die Kaufkraft der Amerikaner fehlt. Aber im Vordergrund steht für uns der Verlust der deutsch-amerikanischen Tradition. Die Soldaten besuchen unsere Geschäfte, unsere Märkte, das Weinfest, den Wasen. Die Amerikaner mögen die Stadt. In Stuttgart wird nicht nur von der transatlantischen Wertegemeinschaft gesprochen, hier wird sie in ganz besonderer Weise gelebt.
SPIEGEL: Es wird bereits darüber spekuliert, was mit dem Gelände passieren könnte, wenn die Amerikaner gehen. Die Wohnungsnot in Stuttgart ist groß, die Kommune könnte den Platz gut brauchen, oder?
Kuhn: Ich verstehe, dass das thematisiert wird. Aber erst mal müssten wir wissen, was die Amerikaner genau planen. Falls sie gehen, räumen sie das gesamte Gelände? Wir wissen es nicht. Außerdem gehören die Liegenschaften dem Bund, wir müssten sie erwerben, um sie nutzen zu können. Für diese Überlegungen ist aber noch nicht die Zeit. Wir machen nicht den zweiten vor dem ersten Schritt.
SPIEGEL: Wie haben Sie von den konkreten Abzugsplänen erfahren?
Kuhn: Offiziell wissen wir noch nichts Genaues. Im Moment ist vieles Spekulation. Ich werde versuchen, in den nächsten Tagen mit dem Standortkommandanten zu sprechen, vielleicht weiß er schon mehr. Es ist ja auch möglich, dass das alles anders kommt.
SPIEGEL: Ist das Ihre Hoffnung?
Kuhn: Die Regierung Trump hat schon vieles beschlossen, was sie dann nicht oder nicht schnell genug umgesetzt hat. Dazu kommt, dass noch nicht klar ist, ob der Kongress die Gelder für den Umzug überhaupt freigibt. Auch bei den Republikanern gibt es Stimmen, die sagen, dass der Abzug keine gute Entscheidung sei und dass man so nicht mit Deutschland umgehen könne. Von außenpolitischen Gepflogenheiten hält der US-Präsident nichts, und - mit Verlaub - er versteht davon auch nicht viel.
SPIEGEL: Haben Sie noch die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen?
Kuhn: Die Entscheidung liegt in den Vereinigten Staaten. Die Bundesregierung ist ja nicht einmal konsultiert, sondern einfach informiert worden. Diese Ankündigung ist eine Absage an das enge Verhältnis. Trump hält nicht viel von der transatlantischen Partnerschaft. Und von Verunsicherungen im transatlantischen Verhältnis profitiert immer Putin. Trump spielt Putin ins Blatt. Das ist gefährlich.
SPIEGEL: Die Hälfte der Soldaten soll ja immerhin in der EU bleiben.
Kuhn: Es ist dennoch eine Schwächung der Nato, weil die Entscheidung nicht mit der Allianz besprochen wurde. Nach Trump müssen wir dringend zu den normalen Gepflogenheiten unter Partnern zurückkehren.
SPIEGEL: Sie klingen, als sei Trump schon abgewählt.
Kuhn: Er hat Corona nicht im Griff, die Arbeitslosigkeit steigt. Möglicherweise sind wir in der Endphase der Regierung Trump.