Früchte des Aufschwungs Kauder fordert kräftiges Lohnplus

Die Wirtschaft wächst kräftig - das könnte sich auch auf den Gehaltszetteln bemerkbar machen. Unionsfraktionschef Kauder stellt mittelfristig Steuersenkungen in Aussicht und fordert im Interview mit SPIEGEL ONLINE ein ordentliches Lohnplus bei den nächsten Tarifrunden.
Unionsfraktionschef Volker Kauder: "Ordentliches Lohnplus"

Unionsfraktionschef Volker Kauder: "Ordentliches Lohnplus"

Foto: Rainer Jensen/ dpa

CDU

Volker Kauder

Berlin - Der Vorsitzende der /CSU-Fraktion im Bundestag, , erwartet, dass die Regierungskoalition dank des starken wirtschaftlichen Aufschwungs Steuersenkungen durchsetzen kann. "Jetzt steht eindeutig die Konsolidierung der Haushalte im Mittelpunkt. Unser Konsolidierungskurs wird aber dazu beitragen, dass die Wirtschaft weiter wächst und dann wird es auch wieder Spielräume für Steuersenkungen geben", sagte Kauder SPIEGEL ONLINE.

Zugleich wies er Forderungen nach schnellen Steuersenkungen zurück. Dies sei noch kein Thema für das nächste Jahr, aber die Koalition werde sich mit Steuersenkungen in dieser Legislaturperiode noch einmal befassen, kündigte Kauder an. "Die Hartz IV-Sätze werden erhöht. Wir müssen aber auch zeigen, dass sich Arbeit lohnt. Dafür muss die kalte Progression im Steuerrecht korrigiert werden, die viele Lohnzuwächse in der Vergangenheit schlicht aufgefressen hat."

Mit Blick auf die neusten Wachstumszahlen appellierte der Unionsfraktionschef an die Arbeitgeber, in den anstehenden Tarifrunden die Löhne und Gehälter deutlich zu erhöhen. "Die Arbeitnehmer in Deutschland sollten vom Aufschwung profitieren. Bei den Löhnen muss sich etwas tun", sagte Kauder SPIEGEL ONLINE. "Viele Arbeitnehmer haben doch durch Lohnzurückhaltung ihren Beitrag geleistet, um ihre Unternehmen in der Krise zu stabilisieren. Das sollte nun mit einem ordentlichen Lohnplus honoriert werden."

Angela Merkel

FDP

Im Streit zwischen Union und FDP über die jüngsten deutsch-französischen Beschlüsse zur Euro-Stabilität verteidigte Kauder die Linie von Kanzlerin . "Politik heißt immer, die Realität anzuerkennen. Dieser Erkenntnis wird sich auch die nicht verschließen", sagte Kauder. "Wenn Deutschland allein zu entscheiden hätte, hätten wir alles durchgesetzt. Man muss Kompromisse finden. Ich bin zufrieden."

Lesen Sie das vollständige SPIEGEL-ONLINE-Interview mit Volker Kauder:

SPIEGEL ONLINE: Herr Kauder, die Wirtschaft brummt wieder. Ist das der Aufschwung der schwarz-gelben Koalition?

Kauder: Der Aufschwung ist eine große Gemeinschaftsleistung von Arbeitnehmern, Arbeitgebern und der Politik. Die Arbeitnehmer haben in der Krise auf Lohn verzichtet, die Arbeitgeber haben die Menschen in den Betrieben gehalten, um jetzt wieder durchstarten zu können. Aber viele Unternehmer loben aber auch die Politik für die richtigen Rahmenbedingungen - etwa die die Kurzarbeiterregelung.

SPIEGEL ONLINE: Sollte es jetzt kräftige Lohnerhöhungen geben?

Kauder: Lohnverhandlungen führen die Tarifpartner, die in jeder Branche schauen müssen, wie sich dort der Aufschwung jeweils entwickelt. Da sollte sich die Politik nicht einmischen. Im Großen und Ganzen bin aber schon der Meinung: Die Arbeitnehmer in Deutschland sollten vom Aufschwung profitieren. Bei den Löhnen muss sich etwas tun. Viele Arbeitnehmer haben doch durch Lohnzurückhaltung ihren Beitrag geleistet, um ihre Unternehmen in der Krise zu stabilisieren. Das sollten nun mit einem ordentlichen Lohnplus honoriert werden.

SPIEGEL ONLINE: Wirtschaftsminister Rainer Brüderle denkt wieder laut über Steuersenkungen nach. Will auch die Regierung die Arbeitnehmer belohnen?

Kauder: Wir haben uns im Koalitionsvertrag auf Steuersenkungen festgelegt. Schon deshalb werden wir uns mit diesem Thema in dieser Legislaturperiode noch einmal befassen. Aber auch politisch ist dies nach wie vor geboten: Die Hartz-IV-Sätze werden erhöht. Wir müssen aber auch zeigen, dass sich Arbeit lohnt. Dafür muss die kalte Progression im Steuerrecht korrigiert werden, die viele Lohnzuwächse in der Vergangenheit schlicht aufgefressen hat. Aber das ist kein Thema für das nächste Jahr. Jetzt steht eindeutig die Konsolidierung der Haushalte im Mittelpunkt. Unser Konsolidierungskurs wird aber dazu beitragen, dass die Wirtschaft weiter wächst und dann wird es auch wieder Spielräume für Steuersenkungen geben. Aber eines nach dem anderen.

SPIEGEL ONLINE: Das Sparpaket bleibt trotz sprudelnder Steuereinahmen unangetastet?

Kauder: Das Sparpaket wird nicht wieder aufgeschnürt. Die höheren Steuereinnahmen können wir gut zur Haushaltskonsolidierung brauchen. Die Gewerkschaften wollen jetzt schon wieder in die Töpfe greifen. Da kann ich nur sagen: Wehret den Anfängen!

SPIEGEL ONLINE: Konsolidierung gilt auch auf europäischer Ebene seit der Euro-Krise als oberstes Gebot. Die FDP ist verärgert über den aufgeweichten Stabilitätspakt, den die Kanzlerin mit Nicolas Sarkozy geschmiedet hat. Hat sich Deutschland von Frankreich über den Tisch ziehen lassen?

Kauder: Es ist gut, dass Deutschland und Frankreich zu einer gemeinsamen Position gefunden haben. In Europa geht es immer dann voran, wenn sich beide Länder einig sind. Wenn nicht, dann hakt es.

SPIEGEL ONLINE: Dafür hakt es jetzt in der Koalition. Die FDP ist sauer.

Kauder: Natürlich konnte sich Deutschland nicht hundertprozentig durchsetzen. Uns war wichtig, dass der Verstoß von Staaten gegen die Haushaltsdisziplin Konsequenzen nach sich ziehen kann, die es bisher nicht gab. Dazu gehört ein geordnetes Insolvenzverfahren und die Entziehung von Stimmrechten. Dies ist aber nur durch Änderung der Europäischen Verträge möglich. Dass Frankreich dem trotz Bedenken zugestimmt hat, ist ein großer Erfolg. Wir mussten dafür das Zugeständnis machen, dass es kein automatisiertes Sanktionsverfahren gegen Euro-Defizitsünder gibt. Das kratzt aber nicht am Stabilitätspakt. Die Fortschritte überwiegen eindeutig.

SPIEGEL ONLINE: Die Aufregung der FDP können Sie nicht verstehen?

Kauder: Politik heißt immer, die Realität anzuerkennen. Dieser Erkenntnis wird sich auch die FDP nicht verschließen. Wenn Deutschland allein zu entscheiden hätte, hätten wir alles durchgesetzt. Man muss Kompromisse finden. Ich bin zufrieden.

Was Kauder über Seehofer und den Protest gegen Stuttgart 21 sagt

SPIEGEL ONLINE: Unruhe gibt es auch in der CSU. Horst Seehofer zeigt wieder alte Springteufel-Qualitäten. Fürchten Sie einen Rückfall in alte Zeiten?

Kauder: So pauschal würde ich das nicht sagen. In der Zuwanderungsdebatte hat Horst Seehofer versucht, eine Position zu vermitteln, wie sie sich auch in der SPD findet: Schließlich warnt auch der ehemalige Arbeitsminister Olaf Scholz davor, die Zuwanderung ausländischer Fachkräfte zu sehr zu erleichtern.

SPIEGEL ONLINE: Bei der Rente mit 67 nähert sich Seehofer auch der SPD an. Er stellt die Verlängerung der Lebensarbeitszeit in Frage wenn die Unternehmen nicht endlich begännen, Arbeitnehmer über 50 zu beschäftigen. Stimmen Sie ihm zu?

Kauder: Horst Seehofer hat gemeint, dass die Rente mit 67 zum Problem werde, wenn Arbeitgeber junge, auch zugewanderte Arbeitskräfte einstellen und älteren keine Chance mehr geben. Aber davon kann keine Rede sein. Ich stelle bei meinen Gesprächen mit Unternehmen fest, dass ihnen zunehmend erfahrene Arbeitnehmer wichtig sind. Um es klar zu sagen: An der Rente mit 67 wird in dieser Koalition nicht gerüttelt. Daher sollten wir bei diesem Thema auch keine politischen Diskussionen beginnen.

SPIEGEL ONLINE: Viele in der Union finden, dass Karl-Theodor zu Guttenberg ohnehin viel verlässlicher als der derzeitige CSU-Vorsitzende ist. Sehen Sie das auch so?

Kauder: Ich sage nur: Regieren statt spekulieren. Ich freue mich über jeden erfolgreichen Kollegen. Und Karl-Theodor zu Guttenberg ist ein ausgezeichneter Minister.

SPIEGEL ONLINE: Wie würden Sie den Zustand der Union als Ganzes beschreiben?

Kauder: Im Kern solide, aber auch ausbaufähig.

SPIEGEL ONLINE: Inwiefern?

Kauder: Die Umfragen sind derzeit nicht besonders gut. Aber wir haben noch drei Jahre Regierungszeit vor uns und können die Bürger von unserer Arbeit überzeugen.

SPIEGEL ONLINE: Wie wollen Sie das anstellen? Derzeit hat man den Eindruck, jede Entscheidung der Regierung zieht eine Protestwelle nach sich: die längeren AKW-Laufzeiten, die Hartz-IV-Erhöhung, die Gesundheitsreform, Stuttgart 21.

Kauder: Wir stehen vor zwei großen Herausforderungen: Wir müssen Politik wieder so erklären, dass die Menschen sie verstehen. Und dabei ist die Vermittlung einer Erkenntnis besonders wichtig: Wir müssen in einem immer schärferen Wettbewerb mit anderen Regionen dieser Erde bestehen. Wir haben alle Chancen. Aber dieser Wettbewerb erfordert Innovation und Veränderung. Unsere alternde Gesellschaft neigt aber dazu, im Ist-Zustand zu verharren.

SPIEGEL ONLINE: Wird die Sorge vor Veränderung bei Stuttgart 21 symbolisch deutlich?

Kauder: Auch hier, ja. Stuttgart 21 ist für die weitere gute Entwicklung unseres Landes notwendig, aber vor allem für Baden-Württemberg wichtig. Wenn jetzt darüber diskutiert wird, ob das Projekt richtig erklärt wurde, kann ich nur sagen: Man spricht seit 15 Jahren darüber. Tausende von Einsprüchen gegen das Projekt sind abgearbeitet und in großen Foren diskutiert worden. Es ist nicht richtig zu behaupten, Stuttgart 21 sei heimlich als Undercover-Projekt vorbereitet worden.

SPIEGEL ONLINE: Was soll Heiner Geißler überhaupt schlichten? Entweder der Bahnhof wird gebaut oder nicht.

Kauder: Jetzt warten wir mal ab. Immerhin hat Heiner Geißler die Konfliktparteien an einen Tisch gebracht. Solange sie miteinander reden, streiten sie nicht. Das ist ein großer Gewinn. Es werden wieder Argumente ausgetauscht.

SPIEGEL ONLINE: Mancher in der CDU spricht mit Blick auf die Landtagswahl in Baden-Württemberg im nächsten Frühjahr von einer Schicksalswahl. Sehen Sie das auch so?

Kauder: Richtig ist: Diese Landtagswahl ist eine große Herausforderung. Wir müssen klarmachen, dass diese Wahl nicht nur die Abstimmung über einen Bahnhof ist. Es gibt ganze Regionen im Südwesten, die mit dem Projekt Stuttgart 21 nicht unmittelbar zu tun haben, die sich eher fragen, wie es zum Beispiel in der Bildungspolitik weitergeht. Aber auch in Stuttgart wird die Erkenntnis weiter reifen, dass es um mehr geht. Es geht darum, ob Wachstumsbremser wie die Grünen in die Verantwortung kommen. Die Wähler entscheiden über die Zukunft von Baden-Württemberg. Aber eines hat die Diskussion um Stuttgart 21 schon gebracht: Die CDU ist fünf Monate vor der Wahl mobilisiert, wie sonst erst wenige Wochen vor der Abstimmung.

Das Interview führten Roland Nelles und Philipp Wittrock.
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