Liberal-Konservative Reformer Luckes Partei verzeichnet Zulauf durch frühere AfD-Mitglieder

Erst im Bundestag, nun auch in Landesparlamenten: Die vom einstigen AfD-Chef Bernd Lucke gegründete Kleinstpartei LKR entwickelt sich zum Auffangbecken für Abgeordnete, die mit der AfD gebrochen haben.
Frühere AfD-Fraktionschefin Dana Guth: Im niedersächsischen Landtag nun für die »Liberal-Konservativen Reformer«

Frühere AfD-Fraktionschefin Dana Guth: Im niedersächsischen Landtag nun für die »Liberal-Konservativen Reformer«

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Julian Stratenschulte / dpa

Für eine Partei, die nach eigenen Angaben knapp über 800 Mitglieder hat, sind die Liberal-Konservativen Reformer (LKR) in Parlamenten überraschend gut vertreten. Seit dieser Woche nun auch durch Dana Guth, einst AfD-Landes- und Fraktionsvorsitzende in Niedersachsen, und durch den schleswig-holsteinischen Landtagsabgeordneten Frank Brodehl, einst ebenfalls AfD-Mitglied.

Nach Guths Wechsel sitzen in Niedersachsen nun sogar zwei LKR-Abgeordnete im Landtag. Bereits im vergangenen Herbst war der frühere AfD-Abgeordnete Jens Ahrends zu den LKR gestoßen. Zuvor war die AfD-Landtagsfraktion durch den Austritt dreier Abgeordneten zerfallen.

Guth war auf einem AfD-Landesparteitag Mitte September dem Bundestagsabgeordneten Jens Kestner bei der Wahl des Landeschefs unterlegen. Kestner wird zum offiziell inzwischen aufgelösten völkisch-nationalistischen Flügel der AfD gerechnet. Nach ihrer Niederlage verließ Guth mit zwei Mitstreitern die Fraktion, die damit ihren Fraktionsstatus verlor.

Austritte wegen Rechtskurs der AfD

Es gebe viele bürgerliche Mitglieder, doch der offiziell aufgelöste rechte Flügel übernehme zunehmend das Sagen, begründete Guth damals ihren Schritt. »Was Hardcore-Flügel-Vertreter in diesem Land möchten, das ist etwas, womit ich mich nicht identifizieren kann.«

Nun wird die 50-Jährige im niedersächsischen Landtag künftig für die LKR sprechen. Aus Niedersachsen kam auch der frühere Fraktionsgeschäftsführer der dortigen AfD-Landtagsfraktion, Jens Krause. Er ist nun Vizegeneralsekretär der LKR.

Brodehl wird seine neue Partei im Kieler Landtag vertreten. Er hatte im September seinen Austritt aus der AfD mit dem Rechtskurs begründet. Der »völkisch-nationalistische Grundton ist deutlich lauter als die Stimmen derjenigen in der Partei, die für eine seriöse und wertkonservative AfD-Politik eintreten«, schrieb er damals. Mit seinem Eintritt in die LKR wolle er ein »Zeichen setzen zur AfD, die keine Alternative mehr ist«, sagte er am Donnerstag in einer digitalen Pressekonferenz seiner neuen Partei. In Kiel hat Brodehl einen Sonderstatus: Er könne sogar als Einzelabgeordneter Gesetzesinitiativen, Anträge und Große Anfragen stellen. Das, so LKR-Vorsitzender Jürgen Joost, gebe den LKR »enorme Spielräume«.

Während die AfD Verluste verzeichnet, entwickeln sich die LKR – einst vom AfD-Mitgründer Bernd Lucke 2015 nach seinem Ausscheiden aus der Partei ins Leben gerufen – zu einer Art Sammelbecken ehemaliger AfD-Abgeordneter in den Ländern und im Bund. Ende Januar traten zwei weitere frühere AfD-Parlamentarier zur LKR über: Der Ex-Bremer Landeschef Peter Beck, der nun für die LKR in der Bürgerschaft sitzt und der Bremerhavener Stadtverordnete Sven Lichtenfeld.

Die LKR wurden einst als »Allianz für Aufbruch und Fortschritt« (Alfa) gegründet, mussten aber 2016 den Namen nach einem Gerichtsurteil wegen der Verwechslungsgefahr des Kürzels Alfa mit einer anderen Organisation ablegen.

Im Bundestag sitzen bereits seit 2020 zwei LKR-Abgeordnete: Im September stieß der frühere AfD-Abgeordnete Uwe Kamann zu der Kleinstpartei, im November Mario Mieruch, der bis September 2017 in der AfD war. Zwischenzeitlich saß er als parteiloser Abgeordneter im Parlament. Beide bekleiden nun auch Ämter in der LKR: Kamann als Vizevorsitzender der Bundespartei, Mieruch als deren neuer Generalsekretär.

Die zentrale Figur in der Partei ist indes der LKR-Bundesvorsitzende Jürgen Joost, der Lucke im September 2019 als Parteichef ablöste. Lucke ist zwar weiterhin LKR-Mitglied, betätigt sich aber derzeit nicht parteipolitisch. Joost sagte auf der digitalen Pressekonferenz am Donnerstag, man sei »Schritt für Schritt vorangekommen, uns als Parlamentspartei zu etablieren«.

Seit Monaten sucht Joost, auch LKR-Ratsherr im Kommunalparlament in Neumünster, den Kontakt zu früheren AfD-Abgeordneten, um sie in seine Partei zu holen. Dabei geht es ihm, wie er sagt, um gemäßigte frühere Vertreter der AfD. Die LKR wollten nicht jeden aufnehmen. Guth und Brodehl passten »hervorragend« zu seiner Partei.

Der frühere niedersächsische AfD-Landtagsabgeordnete Ahrends, seit Herbst bei der LKR, hatte seinen Wechsel einst damit begründet, es sei richtig und notwendig, dass früheren AfD-Mitgliedern, »die sich anständig verhalten haben und der Vereinnahmung von Rechtsaußen verweigern, eine politische Perspektive geboten wird, mit Anstand aus der Sache herauszukommen«.

Joost war 30 Jahre in der CDU. 2013 trat er in die AfD ein – und verließ sie zwei Jahre später schon wieder, nachdem Lucke auf dem Essener AfD-Parteitag gegen Frauke Petry verloren hatte.

Die Partei, so Joost, verstehe sich »als bürgerliches Gegenangebot zu CDU/CSU und FDP«. Seine Partei wende sich auch an diejenigen Wähler, »die zuletzt aus Protest gegen die unionsgeführte Regierungspolitik noch die AfD gewählt haben, dies aufgrund der erwiesenen Politikunfähigkeit und des Abgleitens nach Rechtsaußen aber nicht länger vertreten können«. Über die Abgrenzung seiner Partei zur AfD sagt Joost: »Wir kritisieren nicht das System, wir kritisieren Fehler im System.«

Zur Bundestagswahl 2021 wollen die LKR antreten, auch wenn die Sammlung der notwendigen Unterstützerunterschriften von Bürgern für die Aufstellung von Direktkandidaten und zum Antritt in den Bundesländern angesichts der Corona-Beschränkungen schwierig sei, so Joost. Die Aussicht, ins Parlament zu kommen, ist allerdings äußerst gering. Auch wenn Joost sagt, man wolle den Sprung in den Bundestag schaffen, die LKR setzten ihre »gesamten Bemühungen« darauf.

Da dürfte die Chance, durch künftige Überläufer von der AfD Abgeordnete zu stellen, noch größer sein. Man stehe mit weiteren in Kontakt, so Joost, »ich würde das begrüßen, wenn diejenigen zu uns passen«. Wer aber früher zu Björn Höckes Kyffhäuser-Treffen »gewandert« sei, »der hat bei uns nichts verloren«.

Redaktioneller Hinweis: Der Artikel wurde am 29. Januar 2021 wegen des Übertritts zweier AfD-Parlamentarier aus Bremen und Bremerhaven zur LKR nochmals aktualisiert.

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