G-8-Proteste Koalitionspolitiker verteidigen Anti-Terror-Razzia

"Kein Recht auf Randale": Unionsfraktionvize Bosbach und SPD-Innenexperte Wiefelspütz haben die Polizeiaktion gegen die linke Szene vor dem G-8-Gipfel verteidigt. Aus der Opposition kommt dagegen scharfe Kritik: Der gesamte Protest werde kriminalisiert.

Berlin - Es gelte, gegen gewaltbereiten Extremismus entschieden vorzugehen, egal ob von rechts oder von links, sagte Wolfgang Bosbach im TV-Sender N24. Den Vorwurf der Unverhältnismäßigkeit wies er zurück. "Wenn es gegen Rechtsradikale geht, habe ich noch nie gehört, dass jemand sagt, Achtung, Warnung, Verhältnismäßigkeitsprinzip achten, nicht so massiv vorgehen."

Beim G-8-Gipfel seien 15.000 Gäste aus dem In- und Ausland zugegen, sagte der CDU-Politiker. "Und diese Gäste haben einen Anspruch darauf, dass Deutschland alles tut, um ihre Sicherheit zu gewährleisten." Bosbach nannte es "selbstverständlich", dass daneben auch das Recht auf friedliche Demonstrationen gewährleistet sei. Das Demonstrationsrecht sei aber "kein Recht auf Randale".

Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz betonte im Deutschlandfunk, die Gewaltbereitschaft müsse eingedämmt werden. Er habe "überhaupt keine Kritik an der Bundesanwaltschaft zu üben". Dies sei "eine sehr nüchterne, sehr seriöse Behörde, die das tut, was sie tun muss". Wiefelspütz fügte hinzu: "Friedliche Demonstrationen müssen selbstverständlich zulässig sein in Deutschland und werden auch zulässig sein." Es komme jetzt darauf an, "das Nötige zu tun, um die Sicherheit zu gewährleisten". Der SPD-Innenexperte betonte: "Gleichzeitig sollten wir aber auch alles unterlassen, was dazu beitragen könnte, auch durch eine unangemessene Sprache, sozusagen Benzin ins Feuer zu gießen."

Grünen-Chefin Claudia Roth dagegen erneuerte ihre Kritik an der Razzia. Die Aktion sei "kein guter Auftakt" im Vorfeld des G-8-Gipfels Anfang Juni in Heiligendamm gewesen, sagte sie ebenfalls auf N24. Durch die Polizeiaktion solle "der gesamte Protest ein Stück weit kriminalisiert werden". Es sei "schon ein richtiger Hammer, Gegner des G-8-Gipfels oder globalisierungskritische Menschen in die Terrorismusecke zu stellen". An den geplanten Protesten "beteiligen sich kirchliche Gruppen, Umweltverbände, auch die Grünen". Die Grünen-Chefin fügte hinzu: "Und wir wollen gewaltfrei unserem Protest Ausdruck verleihen und wollen nicht in eine Ecke geschoben werden, wo wir nicht hin gehören."

Sophie Dieckmann, Mitglied im erweiterten Bundesvorstand der WASG, warf den Behörden eine "Kriminalisierung" der geplanten Anti-Gipfel-Proteste vor. Sie kritisierte die Polizeiaktion als "gezielten Versuch der Demobilisierung der G-8-Proteste". Die Rechtfertigung der Polizei für ihr Vorgehen "gegen linksalternative Projekte" überzeuge nicht. "Eine Spaltung in 'gute' Gipfelgegner und 'Terroristen' machen wir nicht mit", fügte Dieckmann hinzu.

Mehrere tausend Menschen haben in der vergangenen Nacht in zahlreichen deutschen Städten gegen die bundesweiten Razzien bei G-8-Gegnern vom gestrigen Nachmittag protestiert. Die größte Versammlung gab es in Berlin mit rund 3000 Demonstranten. Zu gewalttätigen Ausschreitungen kam es im Hamburger Schanzenviertel nach einem Protestmarsch von rund 2000 Gegnern des G-8-Gipfels im Juni in Heiligendamm.

Rund einen Monat vor dem Weltwirtschaftsgipfel waren die Sicherheitsbehörden massiv gegen die linksautonome Szene vorgegangen. In sechs Bundesländern gab es Razzien wegen Terrorismus-Verdachts. Alle 21 Terrorverdächtigen sind nach wie vor auf freiem Fuß. Weder sei es zu vorläufigen Festnahmen gekommen noch habe die Bundesanwaltschaft Haftbefehle beantragt, sagte ihr Sprecher Frank Wallenta am Donnerstag in Karlsruhe. Bei der Polizeiaktion in sechs Bundesländern seien zahlreiche Computer und Datenträger sowie schriftliche Unterlagen beschlagnahmt worden.

ler/ddp/dpa/AFP

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