Polizeieinsatz gegen G20-Protestierer Hamburger Härte
Hartmut Dudde ist seiner Linie treu geblieben. Ein rigoroses Vorgehen gegen Straftäter hatte der G20-Einsatzchef den in Hamburg zusammengezogenen 15.000 Polizisten verordnet. Und das setzten die Beamten am Donnerstagabend bei der Demo "Welcome to Hell" auch um.
Es war eine Eskalation mit Ansage - von beiden Seiten. Die Organisatoren hatten der Polizei vorab die Bedingung gestellt, über einzelne Vermummungen und Böller hinwegzusehen - dann werde die Demo friedlich bleiben. Dass die Polizei dieser Bedingung gar nicht Folge leisten darf, spielte für sie keine Rolle.

Proteste gegen G20-Gipfel: Hamburg, 7. Juli
Die Polizei wiederum umstellte den Startpunkt der Demo am Hamburger Fischmarkt mit einem Riesenaufgebot. Die in den benachbarten Straßen platzierten Wasserwerfer und Hundertschaften konnte man kaum zählen - so viele waren es.
Vermummung gegen martialisches Aufgebot
Diese Demonstration sollte gar nicht stattfinden - so interpretierten viele G20-Gegner das martialische Aufgebot. Der gefürchtete schwarze Block gab sich zunächst erstaunlich zurückhaltend - sah man von der verbotenen Vermummung der Gesichter ab. Keine Böller, keine Bengalos. Nach wenigen Hundert Metern stoppte die Polizei den vom schwarzen Block angeführten Zug auf der Hafenstraße. Viele der über 10.000 Demonstranten waren noch gar nicht losgelaufen, sie warteten noch am Fischmarkt.
Die Polizei verlangte zu Recht, dass Demonstranten ihre Vermummung ablegen müssten. Ansonsten könne der Aufmarsch nicht weitergehen. Tatsächlich nahmen daraufhin viele Autonome, aber eben nicht alle, die Tücher aus dem Gesicht. Deutlich wurde, dass es viele von ihnen auf Krawall abgesehen hatten - wie auch der weitere Verlauf des Abends und der Freitagmorgen zeigten.
Doch in diesem Augenblick, um kurz vor 20 Uhr am Donnerstagabend, zeigten sich die Autonomen fast schon einsichtig. Im vorderen Teil war kein einziges vermummtes Gesicht mehr zu entdecken. Dies hätte der Moment für die Polizei sein können, die Demo weiterlaufen zu lassen, auch wenn nicht alle Gesichter unbedeckt waren.
"Unbeherrschbare Sicherheitssituation"
Der Sprecher der Hamburger Polizei, Timo Zill, sprach hinterher von einer "unbeherrschbaren Sicherheitssituation". Es seien 3500 Extremisten vor Ort gewesen, die zuvor schwerste Straftaten angekündigt hätten. Wenn sie sich vermummten, müsse der Staat einschreiten. "Dann kann doch nicht von der Polizei erwartet werden, dass man mit diesen Menschen in bewohntes Gebiet geht. Das wäre unverantwortlich", so Zill.
Es folgte am Donnerstagabend die Eskalation der Situation. Die Einsatzleitung hatte Wasserwerfer auffahren lassen, die zu dritt nebeneinanderstehend den Weg der Demonstranten blockierten. Die Hafenstraße ist an dieser Stelle zwar vierspurig, aber trotzdem sehr eng. Ein Wendemanöver der Wasserwerfer wäre wohl unmöglich gewesen. Hätte die Demo starten sollen, hätten die monströsen Panzerwagen Hunderte Meter rückwärts rollen müssen.
Dazu kam es nicht. Beamte stürmten von hinten auf den schwarzen Block zu, um ihn zu umschließen. Die Polizei wollte nach eigenen Angaben die mutmaßlich Gewaltbereiten von den friedlichen Demonstranten trennen. Doch ehe das gelang, konnten Autonome über eine Mauer auf eine Promenade flüchten. Die Polizei setzte unten auf der Straße Reizgas ein, es flogen Flaschen, Böller krachten. Dann richteten Wasserwerfer ihre Kanonen auf die Promenade, Beamten stürmten nach.
Panik auf der Promenade
Auf der einige Meter breiten Mauer, eigentlich eine Barriere gegen Hochwasser, entstand eine Panik, die leicht zu Schwerverletzten hätten führen können. Dass es nicht dazu kam, war nicht dem Agieren der Polizei geschuldet, sondern pures Glück. In der Folge stürmten Kohorten von Beamten anscheinend willkürlich in die Menge auf dem Fischmarkt hinein. Eine klare Zielrichtung ihres rabiaten Handelns war nicht zu erkennen. Auch später fiel es Protestlern schwer, den Anweisungen der Staatsmacht Folge zu leisten - schon weil man die Lautsprecherdurchsagen akustisch kaum verstehen konnte.
Der Sturm auf die Promenade war nicht nur chaotisch und gefährlich, sondern in seiner Wirkung auch ungeschickt. Hunderte friedliche Demonstranten erlebten eine Polizei, wie sie sie eigentlich vor allem aus der Propaganda Linksradikaler kennen. Nur die Älteren erinnern sich noch an fragwürdige Einsätze in Gorleben oder an der Startbahn West in Frankfurt.

G20-Gipfel: Brennende Autos und Blockaden
Nach dem harten Durchgreifen der Polizei erklärte der Veranstalter die Demo "Welcome to Hell" für beendet. Doch demonstriert wurde trotzdem. Schon kurz danach meldeten G20-Gegner mehrere neue Spontandemos an - auf derselben Route wie ursprünglich geplant. Schließlich zogen Tausende anfangs noch friedlich durch St. Pauli Richtung Schanzenviertel. Doch auch Autonome mischten sich unter die eher bunten Demonstranten.
Protest zunehmend aggressiv
Zwischen Pferdemarkt, Schulterblatt und Roter Flora rückte die Polizei mit Hundertschaften vor, in fast jede Straße. Der Protest wurde mit zunehmender Dunkelheit zunehmend aggressiv - ebenso die Polizei: mehr Pfefferspray, mehr Schlagstock, mehr Geschrei.
Viele Einsatzkräfte waren kaum ortskundig, kamen aus Bayern und Sachsen, liefen erst 300 Meter in die eine, dann 500 Meter in die andere Richtung. Autokolonnen mit Mannschaftswagen irrten im Schanzenviertel umher. Das unübersichtliche Terrain, die dynamische Lage, wie es im Polizeijargon heißt, ließ die Beamten spürbar hektischer agieren. Mitunter mussten sie vor Flaschen- und Steinwürfen flüchten. Rund um die Flora zog die Polizei immer wieder Personen gezielt aus der Menge, sehr rabiat. Es gab viele Verletzte auf beiden Seiten.
Am Ende waren die Straßen von St. Pauli mit Scherben übersät. "Hamburger Härte" traf "Welcome to Hell" - gewonnen hat am Ende keine Partei.