Gammelfleisch-Skandal Künast kritisiert ihren Nachfolger Seehofer

Ex-Verbraucherschutzministerin Künast hat den Umgang ihres Nachfolgers Seehofer mit dem Skandal um den Verkauf von verdorbenem Fleisch kritisiert. "Lassen wir uns nicht in die Irre führen durch Treffen von Fachleuten in Serie", sagte die Grünen-Politikerin.

Berlin - "Ich halte es mit der Realität. Wir brauchen dringend ein Verbraucherinformationsgesetz, damit die Kunden wissen, was los ist", sagte Renate Künast dem "Tagesspiegel". Die Union habe dieses Gesetz zweimal im Bundesrat verhindert. "Ansonsten weise ich direkt auf die Bundesländer: Sie müssen die Kontrollen ausweiten, dazu Personal einstellen und diese Kontrollen auch selbst vornehmen, damit schwarze Schafe und stinkendes Fleisch gefunden werden", sagte Künast weiter. Man brauche nicht mehr Koordination, die bestehenden Regeln müssten in die Praxis umgesetzt werden.

Künasts Nachfolger im Verbraucherschutzressort, Horst Seehofer (CSU), geht unterdessen davon aus, dass in dem Skandal noch längst nicht alle Fälle des Handels mit verdorbenem Fleisch aufgedeckt sind. "Je stärker man kontrolliert, umso mehr Fälle werden gefunden", sagte er der "Bild"-Zeitung. Um derartige Geschäfte künftig zu verhindern, müssten notfalls deutsches und europäisches Recht verschärft werden. Auch Seehofer sprach sich für intensivere und qualifiziertere Kontrollen aus.

Auch die Verbraucherschützerin Edda Müller geht von einer großen Dunkelziffer beim Handel mit verdorbenem Fleisch aus. "Es hat den Anschein, dass es Betriebe gibt, die darauf spezialisiert sind, Fleisch aufzukaufen, das kurz vor dem Verfallsdatum steht", sagte das Vorstandsmitglied der Verbraucherzentrale dem Bremer "Kurier am Sonntag". Es sei zu befürchten, dass die bisher bekannten Fälle nur die Spitze des Eisbergs seien. "Wir leisten uns bei der Lebensmittelsicherheit Strukturen, die krimineller Energie geradezu Vorschub leisten", erklärte sie.

Bauernpräsident fordert Berufsverbot für schwarze Schafe

Bauernpräsident Gerd Sonnleitner forderte ein schärferes Vorgehen gegen "schwarze Schafe" in der Fleischbranche. "Wer solche kriminelle Handlungen vorgenommen hat, sollte ein Berufsverbot bekommen", sagte Sonnleitner in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Ein Imageschaden sei bisher auf der Produktionsebene der Landwirte zwar noch nicht zu spüren. "Zeitversetzt schlägt sich das auch auf uns zurück", warnte er.

Der Präsident des Deutschen Bauernverbands rief die Fleischwirtschaft dazu auf, ein effektiveres Kontrollsystem aufzubauen. "Wir sind in der eigenen Branche sehr streng gegen "schwarze Schafe" vorgegangen", sagte Sonnleitner, der in Bayern einen 100 Hektar großen Betrieb bewirtschaftet. Das fordere er von der Fleischindustrie ebenfalls. "Die Wirtschaft muss sich selbst kontrollieren." Allerdings sei das nur wirksam in Verzahnung mit der staatlichen Überwachung. Die Kontrolle der Behörden darf nach Ansicht Sonnleitners nicht vor Ländergrenzen Halt machen. "Das muss besser vernetzt werden", sagte er.

Insgesamt sind von dem Skandal nach Angaben des Verbraucherschutzministeriums bisher rund 50 Betriebe und Lager betroffen. In Troisdorf im Rhein-Sieg-Kreis beschlagnahmten Lebensmittelkontrolleure am Freitag erneut verdorbene Ware. Der Inhaber der Fleischerei wurde festgenommen. Vergangene Woche hatten Lebensmittelkontrolleure in Gelsenkirchen 60 Tonnen Fleisch im Kühlhaus der Firma Domenz sicher gestellt, das sich als komplett verdorben erwies. Behörden hatten bundesweit mehr als 130 Tonnen Fleisch der Firma beschlagnahmt, das zu Lebensmitteln verarbeitet werden sollte. Nach Erkenntnissen der nordrhein-westfälischen Landesregierung hat die Firma im Jahr 2005 mit 550 Tonnen Ware gehandelt.

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