Geißlers Goebbels-Zitat Eine Entschuldigung - und zwar schnell!

S-21-Schlichter Heiner Geißler: Das muss jetzt sein
Foto: dapdZunächst das: Jeder sagt oder schreibt einmal Blödsinn, und wer viel öffentlich redet oder schreibt, läuft eine viel höhere Gefahr als andere, dass ihm oder ihr das mal passiert. Es sind diese Momente, in denen man am liebsten auf eine unsichtbare Delete-Taste drücken und das Gesagte löschen möchte.
Diese Delete-Taste gibt es nicht, in unserer Wallungsdemokratie sowieso nicht. Gesagt ist gesagt. Aber es gibt eine, und nur eine Möglichkeit, Unfug wieder einigermaßen einzufangen: indem man sich so schnell wie möglich hinstellt und sagt, dass man da Blödsinn gesagt oder geschrieben hat.
Deswegen hat Heiner Geißler den entscheidenden Fehler nicht am vergangenen Freitag bei der Pressekonferenz zu Stuttgart 21 gemacht, als er die Kontrahenten um den Zank-Bahnhof gefragt hat, ob sie denn "den totalen Krieg" wollten. Noch schlimmer war der Fehler, den Geißler drei Tage später machte, als er er versuchte, diesen blöden Satz zu rechtfertigen, wo es nur eine Möglichkeit gegeben hätte: sich für ihn zu entschuldigen.
Peinliche Ausrede
Man hört sich die Audio-Datei wieder und wieder an und fragt sich, wie sich ein Mann von der politischen Erfahrung und der Lebenserfahrung eines Heiner Geißler eine derartige Entgleisung leisten kann. Er behauptet allen Ernstes, nicht zu wissen, dass dieses Zitat von Joseph Goebbels stammt. Jedes einigermaßen geschulte Kind kennt diesen Stakkato-Ruf des Demagogen, auf den eine besinnungslose Masse ein "Ja!" zurückbrüllt. Er ist festgehalten im Audio-Speicher eines jeden halbwegs gebildeten Zeitgenossen, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Dafür gibt es auch kein Delete.
Er versucht, sich mit kruden Vergleichen (in Syrien sei derzeit auch ein "totaler Krieg", "den Begriff hat schon Winston Churchill verwendet und der Prinz Heinrich von Preußen an Friedrich den Großen") aus der Affäre zu ziehen, und argumentiert weiter, er habe mit dieser Holzhammermethode die Halsstarrigen quasi per Schocktherapie zur Räson bringen wollen.
Weises Alter genießt hohen Respekt in unserer Gesellschaft. Aber der Fall Geißler zeigt: Alter (und eine umfassende humanistisch-jesuitische Bildung) schützt vor Torheit nicht. Zumal er selbst schon Mitte der achtziger Jahre mit Goebbels-Vergleichen konfrontiert war.
Ein Fehler, um den Fehler zu rechtfertigen
Einmal davon abgesehen, dass sich Argument eins (er weiß nicht, dass das Zitat von Goebbels ist) und Argument drei (er wollte schockieren) wechselseitig ausschließen. Der einzige wirklich Halsstarrige, der hier im Moment zu erleben ist, ist nicht der härteste oder bornierteste Vertreter im Streit um Stuttgart 21, sondern der bislang von Gegner und Befürwortern umjubelte Schlichter Heiner Geißler.
Er sollte jetzt, besser in den kommenden Minuten oder Stunden als erst in den nächsten Tagen, zur Räson kommen und sagen: Ich habe einen Fehler gemacht, und dann habe ich einen noch viel größeren Fehler begangen, als ich den ersten Fehler hanebüchen rechtfertigen wollte.
Das fällt schwer. Aber das muss jetzt sein. Sonst gab es einmal einen großen Politiker Heiner Geißler.