Geplante Finanzabgabe Die Volks-Beruhigungssteuer
Berlin - Mächtig zufrieden sind sie alle an diesem Dienstag. Volker Kauder von der CDU zeigt sich über das "klare Signal" an die Finanzmärkte erfreut. Birgit Homburger, die Fraktionschefin der FDP, ist glücklich, dass nun endlich die Spekulanten an den Krisenkosten beteiligt würden. Und Parteichef Sigmar Gabriel sieht in all dem einen großen "Erfolg der SPD". Schulterklopfen allerorten.
Nun sollen sie also doch blechen, die Zocker.
Zwischen Brüssel und Berlin wurden am Dienstag Pakete geschnürt, um die Märkte unter Kontrolle zu bringen. Die EU-Finanzminister kündigten an, künftig zu zügeln und Leerverkäufe einzudämmen. Union und FDP einigten sich nach langem Hin und Her auf eine Initiative zur , um der Opposition die Zustimmung zum riesigen Euro-Rettungsschirm am Freitag im Bundestag zu erleichtern.
Es soll ein guter Tag sein, für die Menschen draußen im Land, die die Nase voll haben von der vermeintlich grenzenlosen Gier der Spekulanten. Und ein guter Tag für die Politik, die zuletzt getrieben schien von eben jenen Finanzzockern.
Zweifel an der Wirksamkeit der Instrumente
Jetzt wird alles wieder ins rechte Lot gerückt, das soll die Botschaft sein. Mit dem kraftvollen Vorstoß wollen Merkel und Co. das Primat der Politik über die Finanzzocker zurückerobern, ihren Wählern Mut und Handlungsfähigkeit demonstrieren. Für die Folgen der gegenwärtigen Krise sollen nicht mehr nur allein die Steuerzahler geradestehen, sondern auch die großen Banken und Investmenthäuser.
Doch ganz so einfach ist es nicht: Nicht nur gibt es Zweifel an der Wirksamkeit der Instrumente. Die Frage ist auch, wie ernst die Initiativen tatsächlich gemeint sind. Droht womöglich am Ende eine reine Mogelpackung - erdacht zur Besänftigung der aufgebrachten Wählerinnen und Wähler?
Beispiel Hedgefonds: Am Dienstag ließen sich die EU-Finanzminister für schärfere Regeln feiern. Eine "Regulierungslücke" werde endlich geschlossen, freute sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Doch der Beschluss ist eine Minimalvariante: So soll es künftig eine Meldepflicht für in Europa tätige Fondsmanager geben. Auch Fonds aus Drittstaaten wie den USA müssen einen "Pass" erwerben. Zudem müssen die Fonds Investoren und Aufsichtsbehörden ausreichende Informationen über ihre Aktivitäten übermitteln. Doch das Paket bedarf noch der Zustimmung des EU-Parlaments - und könnte dort mit Hilfe der Briten und Lobbygruppen wieder verwässert werden.
Ähnlich ungewiss sind die Erfolgsaussichten einer internationalen . Die Bundesregierung will sich jetzt dafür einsetzen, für eine Finanzaktivitätssteuer, die im Nachhinein auf Gewinne und Gehälter von Banken erhoben würde, oder gar eine Steuer auf alle Finanztransaktionen. Letztere habe nun sogar "oberste Priorität", wie Unions-Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier am Dienstag behauptete - und das nach monatelangem Schlingerkurs. Dass man sich in dieser Frage von der Opposition habe treiben lassen, davon will er nichts wissen. Im Gegenteil: Die SPD habe sich der Linie und ihrer Partei angenähert, bemühte sich Altmaier um die Deutungshoheit. Schließlich sei die Kanzlerin nie gegen eine solche Steuer gewesen.
DGB-Auftritt entlarvt Merkels Haltung zur Transaktionssteuer
Tatsächlich hatte Merkel stets Sympathien für die Transaktionssteuer. Sie fand sich im Wahlprogramm, tauchte noch im Januar in der einer Erklärung des CDU-Vorstands auf. Doch dann rückte die Kanzlerin von diesem Ziel ab, verwies auf anderslautende Empfehlungen des Internationalen Währungsfonds (IWF), und darauf, dass die Steuer wegen britischen und US-amerikanischen Widerspruchs international nicht umsetzbar sei.
Das tat sie sogar noch am Sonntag, beim Auftritt vor dem Deutschen Gewerkschaftsbund. Als die Gewerkschafter bei Merkels Ausflüchten murrten, verteidigte sie sich: Klar, sie könne mühelos für die Transaktionssteuer sein. "Das kostet mich gar nichts." Dann aber würde sie ja vier Jahre später, auf dem nächsten DGB-Kongress, gefragt: "Was haben Sie durchgesetzt?"
Entlarvende Worte: Denn nun, da die Kanzlerin plötzlich doch Ja sagt zur Steuer, darf man daran zweifeln, dass die Bundesregierung es wirklich ernst meint mit ihrem Angriff auf die Spekulanten. Der so stolz verkündete Beschluss wirkt wie eine politische Mogelpackung.
Während sich in Berlin die Koalitionäre auf die Schultern klopfen, winkt der Bundesfinanzminister in Brüssel denn auch schon ab: Ja, die Europäer würden sich nun "vermutlich" für die Steuer einsetzen, sagt am Rande des EU-Finanzministertreffens. Doch dass sie wirklich global kommt, daran bestünden "erhebliche Zweifel". Und eine rein europäische Lösung, da seien sich die meisten EU-Länder einig, reiche wohl nicht aus. "Es macht ja keinen Sinn, Regelungen in Kraft zu setzen, von denen man weiß, dass sie nicht funktionieren", sagt Schäuble und nimmt dem Berliner Beschluss so die ganze Kraft. Es wirkt nicht so, als würde da jemand für eine Herzensangelegenheit kämpfen. Eine europäische Initiative, so Schäuble, werde es jedenfalls frühestens nach erfolglosen Bemühungen beim G-20-Gipfel Ende Juni in Kanada geben. Entschlossener politischer Wille sieht anders aus.
Auch Merkel verbreitet am Dienstag vor den Abgeordneten ihrer Fraktion nicht gerade überschwänglichen Optimismus. Unter den großen Wirtschaftsnationen seien einige Länder, die "gar nichts wollen", berichtet sie laut Teilnehmerangaben. Immerhin, die Bundeskanzlerin verspricht ihren Leuten, "im Notfall "Rabatz" zu machen. Darauf darf man gespannt sein.
FDP fürchtet mediales Echo, SPD sucht nach Druckmittel
Dass auch dass die FDP die Transaktionssteuer, die Generalsekretär Christian Lindner am Montag noch als "reine Blendgranate" bezeichnete, auf einmal hinnimmt, ist vor allem dem nervösen Blick auf die mediale Berichterstattung geschuldet. "Dort hat sich ja der Eindruck verfestigt, alle wollen die Finanzmärkte regulieren, nur wir nicht", heißt es am Dienstag aus der Fraktion.
Zwar hat FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger seit Wochen eine Beteiligung der Banken an den Kosten der Krise angemahnt. Hängen blieb aber vor allem das Nein der FDP zur Forderung der SPD, die Transakationssteuer schon im Entschließungsantrag des Bundestags zur Griechen-Hilfe vor rund zwei Wochen aufzunehmen. Der strikte Nein-Kurs ließ sich spätestens dann nicht mehr durchhalten, als die Unionsfraktion das Thema diese Woche wiederentdeckte.
Kein Wunder, dass die Opposition der Regierung noch immer eine unklare Haltung vorwirft. Die SPD hält sich eine Zustimmung zum Euro-Rettungsschirm am Freitag offen, auch wenn sie der Bundesregierung Schritte in die richtige Richtung attestiert. In ihre Richtung, versteht sich, denn die Sozialdemokraten nehmen für sich in Anspruch, vor allen anderen die Finanztransaktionssteuer entdeckt zu haben. Das ist nicht ganz falsch, doch wahr ist auch: In ihren elf Jahren Regierungsbeteiligung hat sie recht wenig zur Regulierung der Märkte beigetragen. Und ihre Liebe zur Finanztransaktionssteuer entdeckte sie in Person von Ex-Finanzminister Peer Steinbrück erst kurz vor den vergangenen Bundestagswahlen. Zu einem Zeitpunkt also, als in der Großen Koalition nicht wirklich mehr etwas umgesetzt werden konnte.
Doch inzwischen ist Parteichef Gabriel fest entschlossen, die Steuer Wirklichkeit werden zu lassen. Sollten Union und FDP das Projekt tatsächlich nur halbherzig verfolgen, hat er sich mit anderen sozialdemokratischen Parteivorsitzenden ein Druckmittel einfallen lassen: Eine europaweite Bürgerinitiative.