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"Leopard"-Panzer: Deutschland, brutal exportstark

Foto: KMW

Geplanter Panzer-Deal Der tödliche Exportschlager

Liefert Deutschland mehr als 200 Kampfpanzer an Saudi-Arabien? Die Bundesregierung zeigt sich offen für einen milliardenschweren Rüstungsdeal mit den autoritären Ölscheichs, die Opposition ist empört, Experten rätseln über die Hintergründe. Ist Israel eingebunden?

Berlin - Der Hersteller gerät ins Schwärmen: Das neue Gefährt sei der "Kampfpanzer des 21. Jahrhunderts", bestens gerüstet für neuartige Bedrohungen. Egal ob Terroristen, Sprengfallen oder "Einzelpersonen" - mit dem "Leopard" vom Typ 2A7+ gebe Krauss-Maffei Wegmann "die richtige Antwort". Auch mit dabei: Ein "Räumschild" an der Front des Fahrzeugs.

Die richtige Antwort offenbar für das saudische Königshaus. An mehr als 200 Panzern vom hochmodernen Typ 2A7+ hat Saudi-Arabien nach Informationen des SPIEGEL Interesse. Und die Deutschen sind bereit, das Material zu liefern. Der Bundessicherheitsrat - ein Minister-Gremium, das solch prekäre Rüstungsgeschäfte in Krisenregionen genehmigt - billigte in der vergangenen Woche grundsätzlich den Export. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters aus saudischen Sicherheitskreisen sollen sogar bereits 44 Leopard-Panzer aus Deutschland gekauft worden sein.

Ausgerechnet jetzt? Mitten im arabischen Frühling wollen die Deutschen einem autoritären Regime in der Region Hightech-Waffen liefern? Als die Revolution im Februar das kleine Nachbarland Bahrain erreichte, schickten die saudischen Ölfürsten Truppen hinüber nach Manama, um den Aufstand niederzuschlagen.

"Nach dem Motto illegal scheißegal"

Die Bundesregierung gerät wegen des sich anbahnenden Deals unter Druck. "Die Geheimhaltung des Bundessicherheitsrats erlaubt es uns nicht, hier Aussagen zu machen", erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert. Wenn es zum Exportfall komme, dann teile dies die Regierung in ihrem Rüstungsexportbericht mit. Der aber wird erst wieder im Frühjahr 2012 vorgelegt.

Heikel für die Regierung ist zudem ein Bericht des "Handelsblatts". Demnach wollen die Deutschen auch mit Algerien milliardenschwere Rüstungsgeschäfte abwickeln. Es gehe um zehn Milliarden Euro und mehrere Vorhaben innerhalb von zehn Jahren, heißt es in dem Bericht: Man wolle den Transportpanzer Fuchs in Algerien fertigen, Last- und Geländewagen verkaufen sowie Fregatten für die Marine des Landes bauen".

Grünen-Chefin Claudia Roth bezeichnete eine mögliche Leopard-Lieferung an Saudi-Arabien als "illegal". Dies verstoße "eklatant" gegen die deutschen Rüstungsexportrichtlinien, sagte sie am Montag in Berlin. Saudi-Arabien missachte Demokratie und Menschenrechte, unterstütze den Terrorismus und habe geholfen, die jüngsten Proteste in Bahrain niederzuschlagen. "Die Regierung agiert nach dem Motto illegal scheißegal", so Roth. Die geplante Lieferung der Panzer an den Golfstaat stürze die Regierung in ein "Glaubwürdigkeitsdesaster".

Dabei haben sich auch die aus den rot-grünen Jahren stammenden Exportrichtlinien als nicht gerade restriktiv erwiesen. Eher das Gegenteil ist der Fall:

  • Elf Jahre nach Verabschiedung der Richtlinien ist Deutschland nach Recherchen des anerkannten Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri vom fünften auf den dritten Platz im internationalen Rüstungshandel vorgerückt.
  • Innerhalb der vergangenen zehn Jahre hat sich der deutsche Rüstungsexport verdoppelt.
  • Der Weltmarktanteil der Deutschen stieg für den Zeitraum 2006 bis 2010 auf rund elf Prozent - darunter viele Rüstungsgeschäfte, die noch von der rot-grünen Bundesregierung durchgewunken wurden. Nur noch Amerikaner (30 Prozent) und Russen (23 Prozent) exportieren mehr.

In früheren Zeiten waren Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien stets höchst umstritten: Im Jahr 1991 erhielt das Land aus Bundeswehr-Beständen 36 Spürpanzer vom Typ Fuchs, trotz Widerspruchs aus dem Außenministerium. Schon Anfang der achtziger Jahre begehrten die Saudis Leopard-Kampfpanzer. Allerdings erteilte ihnen die Bundesregierung unter Kanzler Helmut Schmidt eine Absage, auch aus Rücksicht auf Israel. Der FDP-Abgeordnete und spätere Wirtschaftsminister Jürgen Möllemann witzelte im Januar 1981 als Befürworter eines Deals mit den Ölscheichs: "Wir nennen unseren Panzer kurz 'Leo', arabisch von rechts nach links jedoch liest sich das 'Oel'."

Woher aber kommt der aktuelle Sinneswandel der Bundesregierung?

Der Schlüssel könnte in Israel liegen. Denn dem hochtechnisierten Staat gilt eine saudische Panzertruppe nun nicht mehr als Gefährdung. Saudi-Arabien hat mit seiner Aufrüstung ohnehin vor allem den Iran im Blick. So antwortete auch Andreas Peschke, Sprecher des Auswärtigen Amts, auf Fragen nach einer durch Saudi-Arabien ausgelösten möglichen Aufrüstungsspirale am Persischen Golf ausweichend mit einem Blick auf das Regime in Teheran: Sehr beunruhigend seien die ungeklärten Fragen bezüglich des iranischen Atomprogramms. In diesem Zusammenhang könne sich "die Sicherheitslage am Persischen Golf verschärfen".

Was, wenn der Iran in Zukunft über die Atombombe verfügt? In der vergangenen Woche zitierte die britische Tageszeitung "Guardian" bereits einen hochrangigen saudischen Regierungsbeamten: "Wir können nicht mit einer Situation leben, in der der Iran Nuklearwaffen hat und wir nicht." Dies sei inakzeptabel, deshalb müsse Saudi-Arabien in diesem Fall ebenfalls Atomwaffen entwickeln.

Die mehr als 200 deutschen Panzer könnten dann schnell zur Nebensache werden.

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