CSU-Entwicklungsminister Müller Große Worte kann er

CSU-Minister Gerd Müller: "Es geht ums Überleben"
Foto: Rainer Jensen/ dpaBerlin - In der Flüchtlingskrise greift kein Spitzenpolitiker zu so drastischen Worten wie Gerd Müller (CSU). "Jetzt regnet es, dann kommt der Winter, dann kommt der Tod", sagte der Entwicklungsminister bei der Syrien-Konferenz der Bundesregierung in Berlin. "Es geht ums Überleben", warnte er, und: "Es wird gestorben werden, wenn nicht sofort geholfen wird." Gefühlt war Müller rund um den Gipfel auf Dauersendung, während sich Gastgeber Frank-Walter Steinmeier (SPD) zurückhielt.
In der Sache entsprechen Müllers scharfe Appelle der Realität. Die Uno warnt vor einer Katastrophe, mehr als drei Millionen Syrer sind auf der Flucht. Die Hilfsorganisationen kommen mit der Versorgung nicht hinterher, der Winter wird die Lage noch verschlimmern.
Immerhin konnten sich die Teilnehmer der Syrien-Konferenz zu neuen Hilfszusagen durchringen. Noch in diesem Jahr gibt Deutschland auf Initiative des Entwicklungsministeriums 140 Millionen Euro zusätzlich in den Libanon und nach Jordanien. Geld, das dringend benötigt wird: Die Nachbarstaaten Syriens nehmen mit Abstand die meisten Flüchtlinge des Bürgerkriegs auf. In den kommenden drei Jahren schießt Deutschland noch einmal eine halbe Milliarde dazu, verkündete Steinmeier.
Das "Prinzip Draufspringen"
Langfristig wird die Geldspritze die Flüchtlingskrise nicht lösen, aber sie ist ein Anfang. Andere Länder könnten der verbindlichen Ansage folgen, auch Deutschlands Beitrag könnte noch einmal steigen.
Doch gemessen an den alarmierenden Worten des CSU-Ministers wirkt das Resultat bescheiden. Nicht nur das lässt ihn unglaubwürdig erscheinen. Müller erneuerte kurz vor dem Gipfel seinen Ruf nach einer "EU-Sondermilliarde" für die Flüchtlingshilfe - obwohl Brüssel die Forderung schon längst abmoderiert hat.
Gleichzeitig irritiert seine eigene Partei mit einem harten Anti-Zuwanderungskurs, und das CSU-regierte Bayern hat mit überfüllten Flüchtlingsheimen zu kämpfen. All das passt mit den eindringlichen Worten des Ministers nicht zusammen.
Seit Beginn seiner Amtszeit setzt er auf das "Prinzip Draufspringen": Eine Debatte regt die Menschen auf, Müller prescht voran. So kündigte Müller nach dem Einsturz einer Nähfabrik in Bangladesch ein "Bündnis gegen Ausbeutung" in der Modebranche an. Doch nur ein Bruchteil der Firmen machte mit.
Seehofers blasses Trio
Müllers Geltungsdrang ist auch damit zu erklären, dass Horst Seehofers Ministertrio in der Bevölkerung unpopulär ist. Im SPIEGEL-Ranking der beliebtesten Politiker taucht erst auf Platz 17 ein CSU-Minister auf, nämlich Alexander Dobrindt. Der will zwar in dieser Woche sein Mautkonzept vorstellen, doch beim Thema Digitales lässt er sich von Sigmar Gabriel (SPD) und Thomas de Maizière (CDU) verdrängen.
Auch Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) scheint eher auf schnelle Schlagzeilen als auf nachhaltige Politik zu setzen. Als Russland einen Importstopp auf Lebensmittel aus der EU verhing, biss Schmidt vor Kameras in einen Apfel und sagte: "An apple a day keeps the Putin away!" Das wirkte nicht wie eine ausgefeilte Krisenstrategie, sondern unbeholfen. Aufmerksamkeit für den Moment brachte es trotzdem. Nur schwindet das Interesse an plakativen Appellen meist so schnell, wie sie ausgesprochen sind. Inzwischen steht Schmidt wieder ohne Thema da.
Ähnliches droht Müller beim wichtigen Thema Flüchtlinge. Dabei könnte der CSU-Minister dafür sorgen, dass sich mehr Menschen für das Schicksal der Syrer interessieren. Müller erklärt anschaulicher als sein Vorgänger Dirk Niebel (FDP). Wenn er über Flüchtlinge spricht, nimmt man ihm sein Engagement für die Krisen der Welt ab.
Doch Müller muss aufpassen, dass er mit seinen Rufen quer durch die Republik nicht übertreibt. Zweimal ging der Versuch eines schnellen Aufschlags schon daneben: Das WM-Land Katar bedachte er mit Wüstenvolkvorurteilen ("Die gehen mit den Kamelen spazieren"), sein indirekter Boykottaufruf verärgerte den Adidas-Konzern. Müllers Umfragewerte profitierten davon nicht.