Härtere Gesetze in der Flüchtlingskrise Was jetzt gilt - und was noch kommt

Die Flüchtlingskrise stellt Deutschland vor gewaltige Herausforderungen. Welche Gesetze sind in den vergangenen Monaten verändert worden, was ist geplant? Der Überblick.
Flüchtlinge an der deutsch-österreichischen Grenze: Bessere Registrierung

Flüchtlinge an der deutsch-österreichischen Grenze: Bessere Registrierung

Foto: © Michaela Rehle / Reuters/ REUTERS

Bald soll es schon ein drittes Asylpaket geben. Dabei ist das zweite noch nicht einmal verabschiedet von der Großen Koalition. Und Paket Nummer eins? Überhaupt erst wenige Monate in Kraft. Seit der Silvesternacht in Köln kommen zudem neue Vorschläge - insbesondere sollen straffällig gewordene Ausländer rascher abgeschoben werden als bisher. Dazu präsentierten Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und sein Justiz-Kollege Heiko Maas (SPD) am Dienstag gemeinsame Vorschläge.

Ist das ein Wettbewerb in Aktionismus, den sich die Parteien der Großen Koalition da im Moment liefern? Oder doch eine notwendige Debatte in einer Zeit, in der Politik ja immer wieder nachjustieren und reagieren muss?

Fakt ist: Die Koalition hat seit dem Herbst vergangenen Jahres eine Menge Gesetze auf den Weg gebracht, um die Flüchtlingskrise zu bewältigen. SPIEGEL ONLINE zeigt, welche Regelungen es bereits gibt - und was möglicherweise noch kommt.

  • Abschiebung

Im ersten Asylpaket verständigte man sich darauf, die Abschiebung von Flüchtlingen mit abgelehnten Anträgen zu erleichtern: So darf nach Ablauf der Frist zur sogenannten freiwilligen Ausreise der Termin der Abschiebung nicht mehr angekündigt werden. Außerdem darf die Aussetzung von Abschiebungen durch die Bundesländer maximal nur noch drei Monate betragen.

Polizisten begleiten abgelehnte Asylbewerber auf dem Leipziger Flughafen

Polizisten begleiten abgelehnte Asylbewerber auf dem Leipziger Flughafen

Foto: Sebastian Willnow/ picture alliance / dpa

Nach der Kölner Silvesternacht gibt es nun Bestrebungen, auch die Ausweisung straffällig gewordener Flüchtlinge zu erleichtern. Dies könnte Bestandteil eines dritten Asylpakets sein. Bisher sieht die Rechtslage vor, dass Flüchtlinge während eines laufenden Verfahrens erst ab einer Freiheitsstrafe von einem Jahr abgeschoben werden dürfen.

Nach den Plänen von de Maizière und Maas sollen Ausländer bei sexuellen Übergriffen und anderen Straftaten abgeschoben werden können - unabhängig davon, wie hoch die Strafe ist und ob sie zur Bewährung ausgesetzt wurde. Diesem Vorschlag stehen humanitäre Erwägungen mit Blick auf Bedingungen in den Heimatländern und rechtliche Hürden entgegen.

  • Registrierung und Asylverfahren

Der Berg unbearbeiteter Asylanträge wächst immer weiter: Im Dezember 2015 waren es mehr als 350.000. Die Flüchtlingszahlen sorgen bei den Behörden für Chaos: Migranten werden mehrfach oder gar nicht registriert, Informationen nicht weitergegeben, Verfahren dauern oft monatelang. Das soll sich jetzt ändern.

Bislang werden die Daten der Flüchtlinge erst dann zentral gespeichert, wenn sie einen Asylantrag stellen. Künftig sollen ein Ausweis und eine Datenbank das Wirrwarr beseitigen - und Informationen über die Hilfesuchenden allen Behörden zugänglich machen.

Polizist bei Registrierung von weiblichem Flüchtling in Passau

Polizist bei Registrierung von weiblichem Flüchtling in Passau

Foto: Armin Weigel/ dpa

Dazu sieht das geplante Asylpaket zwei bestimmte Aufnahmeeinrichtungen für Menschen mit geringer Bleibeperspektive vor. An drei bis fünf Standorten in Deutschland sollen deren Verfahren innerhalb von Tagen durchgezogen werden. Die Zuwanderer dürfen in dieser Zeit den jeweiligen Landkreis nicht verlassen. Kritiker sehen darin faire Verfahren gefährdet.

  • Leistungen

Bis zum Herbst erhielten Flüchtlinge von Ländern und Kommunen neben Unterkunft, Verpflegung und Kleidung in der Regel ein Taschengeld in Höhe von 143 Euro - für Busfahrten zum Beispiel, für Zeitungen oder für Telefonkarten. Dann verschärfte die Regierung die Regeln. Asylbewerber könnten durch Barzahlungen geradezu angezogen werden, so die Befürchtung.

Jetzt steht es den Ländern offen, ob sie Geld durch Sachleistungen ersetzen - etwa Gutscheine. Allerdings: Die meisten Länder wollen an der bisherigen Praxis überhaupt nicht rütteln. Zu bürokratisch sei das neue Prinzip, heißt es. Die Länder dürfen ebenso selbst entscheiden, ob sie eine Gesundheitskarte für Flüchtlinge einführen. Damit können die Migranten direkt zum Arzt gehen - ohne die Behandlung vorher bei den Behörden beantragen zu müssen.

  • Integration

Alle Bundestagsparteien sind sich über die höchste Priorität in der Flüchtlingsdebatte einig: Integration. So wurde im ersten Asylpaket beschlossen, Bewerbern mit guter Bleibeperspektive frühzeitig Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen, ebenso zu Integrations- und Sprachkursen. Auch zur Betreuung und Versorgung von minderjährigen Flüchtlingen wurden Verbesserungen beschlossen.

Integrationskurs im sächsischen Dresden für Flüchtlinge

Integrationskurs im sächsischen Dresden für Flüchtlinge

Foto: Sebastian Kahnert/ dpa

Im zweiten Asylpaket finden sich nach bisherigem Stand allerdings auch Änderungen, die der besseren Integration entgegenwirken könnten: beispielsweise die Einschränkung beim Familiennachzug. Das ist im Moment noch einer der Knackpunkte, über den Union und SPD streiten.

Die SPD wünscht sich ein drittes Asylpaket mit klarem Integrationsfokus, fünf Milliarden Euro sollen demnach für zusätzliche Bildungsangebote investiert werden. Ebenfalls könnten darin natürlich die Unionsforderungen nach einer Integrationspflicht einfließen.

  • Herkunft

Um den Zuzug aus dem Balkan zu begrenzen, einigten sich die Koalitionäre nach monatelangem Streit im Herbst auf diese Lösung: Albanien, Kosovo und Montenegro werden in die Liste der sicheren Herkunftsstaaten aufgenommen. Dazu zählten bis dato bereits Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina. Die Behörden gehen davon aus, dass Menschen in solchen Ländern politisch keine Gefahr droht. Asylanträge können dann schneller abgelehnt und Flüchtlinge innerhalb kurzer Zeit zurückgeschickt werden.

Zuletzt forderte die CSU, unter anderem auch Marokko und Algerien als sichere Herkunftsländer einzustufen. Kanzlerin Angela Merkel zeigte sich offen für den Vorschlag. Einem Bericht zufolge will sie diese Fragen künftig nicht mehr über ein langwieriges Gesetzgebungsverfahren regeln - sondern per Verordnung.

  • Unterkunft

Wo sollen Hunderttausende Flüchtlinge, denen nicht die Abschiebung droht, dauerhaft wohnen? Schon im ersten Asylpaket wurden Änderungen im Bauplanungsrecht beschlossen, damit Länder und Kommunen entsprechende Kapazitäten errichten können. Aber das wird nicht ausreichen.

Inzwischen wird die Debatte auch politisch geführt: So fordert SPD-Chef Sigmar Gabriel aus Furcht vor einer Gettoisierung eine Wohnsitzauflage für Flüchtlinge, um zu verhindern, dass zu viele Menschen in beliebte Ballungsräume und Großstädte ziehen. Aus der Union wird Zustimmung signalisiert. Auch das könnte Teil des dritten Asylpakets werden.

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