Gesetzentwurf zur Ergänzung von Paragraf 219a Union und SPD raufen sich zusammen

Der letzte Dienstag im Januar stand für die Union vor allem unter dem Motto: interne Harmonie beweisen. Erst war der neue CSU-Chef Markus Söder in der CDU-Zentrale in Berlin zu Gast und stimmte anschließend gemeinsam mit Hausherrin Annegret Kramp-Karrenbauer wahre Elogen auf die Einheit der Schwesterparteien an. Nachmittags sah man Söder in der Unions-Bundestagsfraktion mit Kanzlerin Angela Merkel scherzen, als habe es nie Differenzen mit der Ex-Chefin der Christdemokraten gegeben.
Aber mindestens so wichtig ist aus Sicht der Union im Moment ein intaktes Verhältnis zum Koalitionspartner SPD. Geliefert hat die Bundesregierung schon einiges - aber vieles wurde vom ständigen Streit überdeckt. Das soll nun anders werden. Und dafür ist man, wie dieser Dienstag ebenso zeigt, dann auch bereit, bei einem so aufgeheizten Thema wie dem Paragrafen 219a Kompromisse zu machen.
Und weil das genauso für die Sozialdemokraten gilt, die unter der gefühlten Erfolglosigkeit der Großen Koalition bei den Wählern besonders zu leiden haben, scheint die Koalition wirklich eine Lösung gefunden zu haben, wie die Lockerung des Werbeverbots bei Abtreibungen geregelt werden soll.
Im Kern sieht der Gesetzentwurf vor, auf den sich die zuständigen Ministerien verständigt haben, dass Ärzte und Krankenhäuser künftig auf ihren Websites darüber informieren dürfen, wenn sie Abtreibungen vornehmen. Mehr als die reine Information allerdings ist ihnen nicht erlaubt.
Zudem soll die Bundesärztekammer eine zentrale Liste mit Ärzten, Krankenhäusern und anderen Einrichtungen führen, die Abbrüche vornehmen - mit Angaben zu angewandten Methoden. Die Liste soll monatlich aktualisiert und von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung im Internet veröffentlicht werden. Auch das Hilfetelefon "Schwangere in Not" soll die Liste für die Beratung bekommen. Gleichzeitig sollen junge Frauen die Verhütungspille länger als bisher - künftig bis zum 22. Geburtstag - von der Krankenkasse bezahlt bekommen.
Das klingt unspektakulär, das ist die Einigung bei nüchternem Blick auch. Aber: Es gibt wohl keinen Paragrafen im Strafgesetzbuch, der so umstritten ist wie der §219a (vom Paragrafen 218 einmal abgesehen, der Abtreibungen in den meisten Fällen verbietet). Es sind im wahrsten Wortsinne existenzielle Fragen, um die hier seit Jahrzehnten erbittert gerungen wird - entsprechend groß war an dieser Stelle auch das Konfliktpotenzial für die Große Koalition.
SPD will seit Jahren Aufhebung des Werbeverbots
Dazu kommt, dass die SPD die Aufhebung des Werbeverbots für Abtreibungen seit Jahren fordert - und ein Teil der Partei am liebsten den Paragrafen 218 gleich mit streichen würde. Im Koalitionsvertrag wurde das Thema wegen des Widerstands bei CDU und CSU zum Start der Regierung im Frühjahr 2018 ausgespart, der Konflikt damit aber lediglich vertagt. Teile der Union schienen aus weltanschaulichen Gründen lange zu keinerlei Änderungen bereit.
Da Abtreibungsärzte wie die Gießener Medizinerin Kristina Hänel zunehmend zu Geldstrafen verurteilt wurden, weil sie auf die möglichen Eingriffe in ihren Praxen hinwiesen, stieg gleichzeitig der Druck auf die SPD - auch von Seiten der drei Oppositionsparteien FDP, Grüne und Linke, die allesamt für eine Streichung des Abtreibeverbots sind.
Zwischenzeitlich präsentierten die Sozialdemokraten einen entsprechenden Gesetzentwurf, zogen ihn aber mit Rücksicht auf den Koalitionspartner wieder zurück, stattdessen stellte der SPD-Vorstand der Regierung ein Ultimatum: ohne Regelung würde man die Abstimmung frei geben. Das wiederum hätte wohl das Ende der Koalition bedeutet.
Und nun also doch der Durchbruch, der natürlich auf beiden Seiten Enttäuschte produziert: Wer sich als Sozialdemokrat mehr versprochen hatte, gehört genauso dazu wie die Unionspolitiker, die den Status Quo belassen wollten.
Aber die Koalition deswegen aufs Spiel setzen? Das wollte nach dem für die GroKo so harten vergangenen Jahr nun wohl auch niemand mehr - erst recht nicht unter den Spitzenleuten der drei Parteien. Stattdessen will man demonstrieren: Wir können regieren und dafür notwendige Kompromisse machen.
Gesetzentwurf geht jetzt ins parlamentarische Verfahren
Der von den Ministerien vorgelegte sogenannte Referentenentwurf soll nun in das parlamentarische Verfahren gehen, dabei wird wohl nur noch um Details gerungen. Weder in der Fraktionssitzung der Union noch der SPD gab es am Dienstagnachmittag jedenfalls wirklich kritische Stimmen, heißt es.
Bei der Union berichtete Teilnehmern zufolge Gesundheitsminister Jens Spahn von den Verhandlungen mit den SPD-Kollegen, anschließend meldeten sich ein halbes Dutzend Abgeordnete zu Wort. Wichtig, das betonten dem Vernehmen nach mehrere Abgeordnete, sei am Ende, dass die Ärzte und Krankenhäuser wirklich nur über die Eingriffsmöglichkeit informierten - und nicht mehr. Bei den Sozialdemokraten lobten Teilnehmern zufolge auch mehrere weibliche Abgeordnete den Kompromiss.
Unzufrieden dagegen zeigten sich am Dienstag vor allem Vertreter von Grünen und FDP. Und auch die Ärztin Kristina Hänel hätte sich eine komplette Streichung von §219a gewünscht.
Aber die wird es mit dieser Koalition nicht geben.