Christian Lindner: Überraschendes Ende als FDP-Generalsekretär
Foto: dapdBerlin - Nach nur zwei Jahren legt Christian Lindner sein Amt als Generalsekretär der Liberalen nieder. Er erklärte dem Vorsitzenden Philipp Rösler in einem Gespräch seinen Rücktritt. Dies wurde am Mittwoch aus Parteikreisen bestätigt. Das Verhältnis zu Rösler galt schon seit längerem als angespannt. Lindner war noch von Ex-Parteichef Guido Westerwelle in das Amt geholt worden.
Um 11 Uhr wird der Generalsekretär in der Berliner Parteizentrale vor die Presse treten. Sein Bundestagsmandat will er behalten.
In einer persönlichen Erklärung des 32-Jährigen, aus der die Nachrichtenagentur dpa zitiert, heißt es: "Es gibt den Moment, in dem man seinen Platz frei machen muss, um eine neue Dynamik zu ermöglichen." Die Ereignisse der vergangenen Tage und Wochen hätten ihn in dieser Einschätzung bestärkt.
Weiter heißt es: "Auf den Tag genau zwei Jahre habe ich als Generalsekretär die Politik meiner Partei in schwieriger Zeit erklärt, verteidigt und mit zu gestalten versucht. Ich bin dankbar für die Zusammenarbeit mit den Bundesvorsitzenden Guido Westerwelle und Philipp Rösler. Vor allem aber danke ich den vielen Mitgliedern meiner Partei, die mir ihr Vertrauen ausgesprochen haben."
Durch den Rücktritt ermögliche er es dem Parteichef, "die wichtige Bundestagswahl 2013 mit einem neuen Generalsekretär vorzubereiten und damit auch mit neuen Impulsen zu einem Erfolg für die FDP zu machen".
Pannen beim Euro-Mitgliederentscheid
Die Parteispitze war im Zusammenhang mit dem Euro-Mitgliederentscheid unter Druck geraten. Rösler und Lindner hatten die Befragung bereits am Wochenende - vor Ablauf der Frist - für gescheitert erklärt. Zudem hatte der Generalsekretär kräftig gegen den Initiator Frank Schäffler ausgeteilt: "Er ist so etwas wie der David Cameron der FDP." Der Ausgang des Entscheids war zuvor immer wieder an Röslers Schicksal als Parteichef geknüpft worden.
Lindner wurde in der eigenen Partei die Verantwortung für Pannen bei der Organisation des Mitgliederentscheids zugeschrieben. Kritiker monierten, dass in der Mitgliederzeitschrift "Elde" nicht klar genug auf das Verfahrensprozedere hingewiesen worden sei. Dadurch habe es zahlreiche ungültige Stimmen gegeben. Am Montag hatte sich der Generalsekretär bei einer Sitzung des Bundesvorstands noch verteidigt.
Lindner ist seit April 2010 Generalsekretär seiner Partei. Nachdem Guido Westerwelle den Vorsitz der FDP abgeben musste, galt auch er kurze Zeit als möglicher Nachfolger.
Hirsch: "Das muss einen anderen Grund haben"
Der Euro-Skeptiker Burkhard Hirsch (FDP) kritisierte den Rückzug: "Ich halte die Entscheidung nicht für richtig", sagte der Mitinitiator des Mitgliederentscheids im TV-Sender Phoenix. Er bezeichnete Lindner als "eine der Hoffnungen der Liberalen" und sagte: "Ich wünsche und hoffe, dass er weiter der Partei zur Verfügung steht." Hirsch zeigte sich überzeugt, dass nicht parteiinterner Druck rund um den Mitgliederentscheid "alleine der Anlass für einen derartig spektakulären Schritt" sei. "Das muss einen anderen Grund haben als die Auseinandersetzung der letzten Tage", mutmaßte Hirsch.
Die Opposition in Berlin reagierte umgehend auf die Nachricht: Lindner sei ein "Bauernopfer" für FDP-Chef Rösler, sagte SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann in Berlin. Der liberale Generalsekretär ziehe mit seinem Rücktritt die Konsequenzen aus dem "Desaster des Mitgliederentscheids" um den Euro-Rettungsschirm. Mit seinem Schritt versuche Lindner, Parteichef Rösler "noch ein paar Tage im Amt zu halten".
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Überraschender Rückzug: Christian Lindner legt sein Amt als Generalsekretär der FDP nieder.
Er erklärte dem Vorsitzenden Philipp Rösler in einem Gespräch seinen Rücktritt. "Es gibt den Moment, in dem man seinen Platz frei machen muss, um eine neue Dynamik zu ermöglichen."
Lindner war im Zusammenhang mit der Organisation des Mitgliederentscheids seiner Partei zum Euro-Rettungsschirm ESM stark in die Kritik geraten.
Initiiert wurde die Mitgliederbefragung von Euro-Kritiker Frank Schäffler.
Zudem galt das Verhältnis zu Rösler schon seit längerem als angespannt.
Christian Lindner, geboren 1979 in Wuppertal, galt als eines der größten politischen Talente der FDP. Er studierte nach dem Abitur Politikwissenschaften, Öffentliches Recht und Philosophie in Bonn und gründete schon 1997 eine Agentur für Unternehmenskommunikation. Drei Jahre später versuchte sich Lindner an einem Start-up, das virtuelle Einkaufshelfer fürs Internet an den Mann bringen sollte - allerdings ohne Erfolg. 2001 schied er aus dem Unternehmen aus, wenige Monate später folgte die Insolvenz.
Lindners politische Karriere verlief zunächst rasant. Im Alter von 14 Jahren trat er bei den Jungen Liberalen ein. Jürgen Möllemann wurde auf das Nachwuchstalent aufmerksam und förderte den jungen Mann. 2000 wurde Lindner jüngster Landtagsabgeordneter in Düsseldorf (aus dieser Zeit stammt das Bild), schon 2004 Generalsekretär der Landespartei in Nordrhein-Westfalen.
Als nach der Bundestagswahl 2009 das gesamte Führungspersonal der Bundespartei in Regierungsämter strebte, holte Parteichef Guido Westerwelle Lindner nach Berlin und machte ihn zum Generalsekretär. Er trat die Nachfolge von Dirk Niebel (links) an, der das Entwicklungshilfeministerium übernommen hat.
Wenige Monate nach der triumphal gewonnenen Bundestagswahl 2009, bei der die FDP das beste Ergebnis ihrer Geschichte eingefahren hat, winken Parteichef und Generalsekretär beim traditionellen Dreikönigstreffen der FDP im Januar 2010 in die Menge. Die liberale Welt ist noch in Ordnung, die Parteispitze stellt den neuen Kurs vor, Vizekanzler und Außenminister Westerwelle fordert eine "geistig-politische Wende" für Deutschland.
Ein Jahr später: Auch in schweren Zeiten stand Lindner stets loyal zu Guido Westerwelle. Auf diesem Bild steht er demonstrativ hinter dem Parteivorsitzenden, der beim Dreikönigstreffen im Januar 2011 die "wohl wichtigste Rede seiner Karriere" halten sollte.
Weitere elf Monate später erklärte das "Wunderkind" Lindner überraschend seinen Rücktritt. Er verließ das Rednerpult im Thomas-Dehler-Haus mit den Worten: "Auf Wiedersehen."
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