»Für alle verbindlich« Lauterbach kündigt Details zur elektronischen Patientenakte an

Wer nicht aktiv widerspricht, soll im nächsten Jahr eine elektronische Patientenakte bekommen. Gesundheitsminister Lauterbach hofft auch auf große Datensätze für die Forschung.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach

Foto: Thomas Trutschel / photothek / IMAGO

Beim Thema Digitalisierung hinkt Deutschland in vielen Bereichen hinterher. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will das zumindest in seinem Bereich 2024 ändern. »Ende kommenden Jahres wird die elektronische Patientenakte für alle verbindlich«, sagte er der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung« laut Vorabmeldung vom Freitag.

»Jeder, der nicht ausdrücklich widerspricht, ist automatisch mit dabei.« Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen lobte die Ankündigung.

Die elektronische Patientenakte gilt als ein digitales Vorzeigeprojekt im deutschen Gesundheitswesen. Im Grundsatz beschlossen wurde sie bereits vor gut 20 Jahren. Seit Anfang 2021 können Versicherte sie auf freiwilliger Basis in einer ersten Ausbaustufe nutzen, nämlich per Smartphone-App, in der beispielsweise eingescannte Arztbefunde gespeichert und in anderen Praxen zur Ansicht freigegeben werden können. Nur macht das kaum jemand.

»Wir machen viele Dinge zu kompliziert«

»Das deutsche Problem mit der Digitalisierung ist: Wir machen viele Dinge zu kompliziert«, sagte Lauterbach. »Das will ich vermeiden.« Der Zugang zur elektronischen Patientenakte müsse »total unbürokratisch« sein.

Lauterbach verspricht sich von dem Vorhaben neben einer verbesserten Versorgung auch große Datensätze für die Forschung. In Israel konnten durch die Digitalisierung von Patientendaten  während der Pandemie schnell die Menschen identifiziert werden, die besonders durch Corona gefährdet waren. Ihnen bot man dann gezielt eine Impfung an.

Zeitgleich mit der Akte soll laut Lauterbach auch das elektronische Rezept verbindlich werden. Auch an diesem Projekt wird schon lange gearbeitet, der Start wurde mehrfach verschoben. Zuletzt hatte die Pilotregion Westfalen-Lippe ihr Projekt in 250 Arztpraxen gestoppt. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber hatte zunächst sein Veto gegen die Nutzung von Versichertenkarten bei der Nutzung des E-Rezepts eingelegt und erhebliche Sicherheitslücken bemängelt. In der Zwischenzeit wird jedoch eine abgesicherte Variante für die Nutzung der Versichertenkarte entwickelt. Diese Lösung hat auch die Unterstützung. Kelbers. Wie er zu den Plänen Lauterbachs steht, muss sich noch zeigen.

Digitalisierung auch Thema in Meseberg

Details zu seinen Vorhaben im Bereich Digitalisierung will Lauterbach bei der für Sonntag und Montag geplanten Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg präsentieren. Großen Widerstand aus der Ärzteschaft gegen die elektronische Patientenakte erwartet der Minister offenbar nicht: »Es sind nur ganz wenige Ärzte, die damit ein Problem haben«, sagte er der »FAS«. »Ein paar lautstarke Kritiker wird es immer geben.«

Unterstützung kam am Freitag bereits vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV). »Wir freuen uns über den angekündigten Rückenwind für die Digitalisierung des Gesundheitswesens«, sagte Verbandssprecher Florian Lanz. »Es ist höchste Eisenbahn, dass es weiter vorangeht.«

Der Verband unterstütze das Vorhaben, die elektronische Patientenakte »künftig jedem Versicherten obligatorisch zur Verfügung zu stellen«, sagte Lanz. Die Akte habe »das Potenzial, zum Herzstück eines modernisierten Gesundheitswesens zu werden«.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels hieß es, der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber habe sein Veto gegen die Nutzung von Versichertenkarten beim E-Rezept eingelegt. Dies bildet nicht den aktuellen Stand ab. Wir haben die Stelle angepasst.

mfh/AFP
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