Gewalt bei Anti-Corona-Demos am Wochenende »Das ist durchaus eine Gefährdung unserer Demokratie«

In zahlreichen deutschen Städten gab es am Wochenende Proteste gegen Coronamaßnahmen, teils mit brutalen Übergriffen. Politiker und Experten warnen vor weiterer Radikalisierung – bis hin zum Terrorismus.
Polizeieinsatz bei Demonstration in Reutlingen (am 11. Dezember)

Polizeieinsatz bei Demonstration in Reutlingen (am 11. Dezember)

Foto: DROFITSCH/EIBNER / imago images/Eibner

In der Politik wächst die Sorge vor einer wachsenden Gewaltbereitschaft unter den Gegnern staatlicher Maßnahmen zur Coronabekämpfung. In zahlreichen deutschen Städten hatte es am Wochenende angemeldete, aber auch nicht genehmigte Demonstrationen gegeben. Dabei kam es zum Teil auch zu Ausschreitungen.

Nach Polizeiangaben wurden in Greiz in Thüringen 14 Beamte verletzt. In Bennewitz bei Leipzig seien Polizisten und auch Journalisten tätlich angegriffen worden. Hier sind die genauen Umstände aber noch unklar.

Auch aus Reutlingen in Baden-Württemberg und dem thüringischen Gotha wurden gewaltsame Zwischenfälle gemeldet. In Gotha gab es einen Flaschenwurf auf einen Polizisten sowie Verstöße gegen das Betäubungsmittel- und Waffengesetz.

Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul äußerte sich am Sonntagabend besorgt über den extremistischen Teil der Protestierenden. »Die sind brandgefährlich, weil sie mittlerweile nicht nur reden, schwätzen, sich gegenseitig hochstacheln, sondern auch zu Taten schreiten«, sagte der CDU-Politiker der »Bild«.

Rechtsextremisten würden die Proteste zunehmend für ihre Zwecke missbrauchen. Es seien zunehmend »demokratiefeindliche Töne, verfassungswidrige Töne« dabei. Deshalb könne er allen Demokraten nur raten, »dass wir gemeinsam sagen: Jetzt ist Schluss, hier gibt es eine Grenze.«

Auch Thüringens Innenminister Georg Maier mahnte im »Bild«-Talk: »Da müssen wir als Gesellschaft eine ganz klare Sprache finden.« Eine kleine Minderheit werde »immer lauter, immer radikaler«, sagte der SPD-Politiker. Rechtsextreme nutzten das für sich. Als »perfide und unerträglich« kritisierte der Minister Aufrufe, die Adressen von Politikern zu veröffentlichen, »damit die kein schönes Leben mehr haben«.

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»Durchaus eine Gefährdung unserer Demokratie«

Der Terrorismusexperte Peter Neumann schloss auch terroristische Gefahren ausgehend von diesen Protesten nicht aus. »Was wir vereinzelt bereits gesehen haben, sind komplexere Anschläge auf das RKI zum Beispiel oder auf Kliniken und auf Impfstellen.« Deshalb könne er sich vorstellen, »dass wir in einigen Monaten tatsächlich möglicherweise von einer terroristischen Kampagne sprechen müssen«, sagte Neumann in der Sendung.

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas konstatierte ebenfalls eine »spürbare« Radikalisierung bei den Protesten. »Das ist durchaus eine Gefährdung unserer Demokratie«, sagte die SPD-Politikerin am Sonntagabend in der ZDF-Sendung »Berlin direkt«. Sie forderte ein Verbot von Demonstrationen vor Privathäusern von Politikerinnen und Politikern sowie eine verschärfte Beobachtung von Telegram-Chatgruppen. Über den Messengerdienst vernetzen sich viele Kritiker von Coronamaßnahmen.

SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sprach von einer »fortschreitenden Radikalisierung einer kleinen Minderheit«. Dem müsse mit »absoluter Aufmerksamkeit der Sicherheitsbehörden« begegnet werden, sagte er der »Welt« (Montag). Wiese warnte: »Wir erleben den organisierten Versuch, zu spalten und zu hetzen.«

Von den Grünen bis zur FDP kommen Warnungen

Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz hält die zunehmende Radikalisierung der Proteste für »mehr als beängstigend«. Zu lange seien Reichsbürger und sogenannte Querdenker als harmlos abgetan worden, dagegen müsse man sich »als Demokratie entschlossen aufstellen«, forderte von Notz in der »Welt«.

FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle mahnte dort: »Jeder Einzelne hat eine Verantwortung, sich von militanten Gruppen fernzuhalten.« Unionsfraktionsvize Thorsten Frei (CDU) unterstrich: »Der Staat darf in dieser Situation keinesfalls als schwach erscheinen.«

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig rief dazu auf, »den Radikalen nicht die Straße überlassen«. »Viele verfolgen ganz andere Ziele als Corona, sie benutzen die emotionale Debatte über die Impfpflicht, um zu spalten«, sagte die SPD-Politikerin der »Bild«. Demokratische Entscheidungen müssten von allen akzeptiert werden. »Hier muss unsere Demokratie eine Brandmauer gegen Gewalt errichten. Unsere Gesellschaft und der Staat müssen den Spaltern und Coronahetzern Paroli bieten. Denn am Ende bedrohen sie nicht nur Politiker, sondern uns alle.«

jok/dpa
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