Justizministerin über Gewalt gegen Frauen
Lambrecht fordert von Gerichten mehr Sensibilität
Im SPIEGEL-Spitzengespräch verteidigt Bundesjustizministerin Christine Lambrecht die geltende Gesetzgebung zu Gewalt gegen Frauen. Es gebe »viele scharfe Schwerter«. Aber Gerichte müssten stärker sensibilisiert werden.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht hat Kritik an der Gesetzgebung zum Thema Gewalt gegen Frauen zurückgewiesen. Die Justiz habe »viele scharfe Schwerter«. Das Problem sei nicht die gesetzliche Grundlage, sondern der Umstand, dass die rechtlichen Mittel zu oft nicht ausgeschöpft würden. Hier brauche es eine stärkere Sensibilisierung der Gerichte, sagte Lambrecht im SPIEGEL-Spitzengespräch mit Markus Feldenkirchen und SPIEGEL-Journalistin Laura Backes, Co-Autorin des Buches »Alle drei Tage« (lesen Sie hier einen Auszug).
Lambrecht brachte die Möglichkeit entsprechender Fortbildungen für Richterinnen und Richter ins Gespräch. Zugleich lobte sie, dass sich die Justiz »mittlerweile sehr viel häufiger mit diesen Themen« beschäftige. Und das sei auch gut so. »Aber leider noch immer nicht so intensiv, wie es sein sollte.« Opfer häuslicher Gewalt müssten spüren, dass die Tat nicht ihre Schuld sei. Dafür müssten Frauen wissen, dass sie nicht allein seien.
Zurückhaltend äußerte Lambrecht sich zum Vorschlag, den Begriff Femizid – also den Mord an Frauen, weil sie Frauen sind – ins Strafgesetzbuch aufzunehmen. »Wir können solche Taten schon heute entsprechend als Mord oder Körperverletzung mit Todesfolge ahnden«, sagte die Ministerin. Gleichzeitig signalisierte sie Verständnis für Backes' Kritik, Tötungsdelikte an Frauen würden zu häufig als Totschlag und nicht als Mord gewertet.
Hintergrund der Debatte ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2008. Damals hatten die Richter geurteilt, dass niedrige Beweggründe – eines der juristischen Kennzeichen für Mord – in Zweifel stehen, wenn das Opfer sich vor dem Tötungsdelikt von dem Angeklagten getrennt habe.
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Titel: Alle drei Tage: Warum Männer Frauen töten und was wir dagegen tun müssen - Ein SPIEGEL-Buch
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Es dürfe nicht der Trugschluss entstehen, dass eine Trennung strafmildernd sei, sagte Lambrecht. Im Gegenteil: Wenn die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers heimtückisch ausgenutzt werde, müsse das in ihren Augen strafverschärfend geltend gemacht werden können, so die Justizministerin.
Eine Änderung der Gesetzgebung halte sie dennoch nicht für notwendig. Schließlich handele es sich in diesem Fall um eine Auslegung durch den Bundesgerichtshof und diese Rechtsauslegung müsse nicht ewig gelten, so Lambrecht. Aber als Justizministerin wolle sie sich nicht in die Freiheit der Gerichte einmischen.