Ghetto Deutschland Deutsche Türken raten Landsleuten, daheim zu bleiben
Berlin - Fast 80 Prozent der in Deutschland lebenden Türken würden ihren Landsleuten daheim nicht empfehlen, in die Bundesrepublik auszuwandern. Gleichzeitig glauben aber 71 Prozent von ihnen, dass die Immigration in die Europäische Union stark zunehmen dürfte, sollte die Türkei der EU beitreten. Das ermittelten Forscher der Istanbul Bilgi Universität in einer Studie über die politischen Einstellungen der hier zu Lande lebenden Türken.
Als Gründe für die Unzufriedenheit geben die 1065 Befragten widersprüchliche moralische Werte der beiden Kulturen, Diskriminierung und Arbeitslosigkeit an. Über die Zukunft Deutschlands äußern sich mehr als 50 Prozent pessimistisch oder sehr pessimistisch, nur 23 Prozent sehen optimistisch nach vorne. Bei der Frage, welcher Institution sie am meisten vertrauen, waren die Sozialämter und das Gesundheitssystem an der Spitze (20 Prozent), gefolgt von Moscheen (18 Prozent).
Die Wissenschaftler sehen in der starken religiösen Orientierung der Türken, die sie ebenfalls feststellten, eine Reaktion auf Arbeitslosigkeit und Ghettoisierung.
CSU überlegt Unterschriftenaktion
Unterdessen verschärft die CSU die Gangart gegen einen EU-Beitritt der Türkei und will ihren Protest notfalls auf die Straße tragen. CSU-Landesgruppenchef Michael Glos sagte der Zeitschrift "Super Illu", er könne sich "gut vorstellen, dass wir als Opposition eine Unterschriftenaktion gegen den EU-Beitritt der Türkei organisieren".
Unions-Fraktionsvize Glos sagte, ein türkischer EU-Beitritt sei "eine Schicksalsfrage für unser Land". Er forderte die Union auf, in ihrem Wahlprogramm "eine klare Aussage gegen die Vollmitgliedschaft der Türkei zu treffen" und sich stattdessen für eine "privilegierte Partnerschaft" auszusprechen.
Unterschriftenaktionen sind bei der Union beliebt. Im Landtagswahlkampf 2000 hatte Nordrhein-Westfalens CDU-Chef Jürgen Rüttgers versucht, durch eine Unterschriftenaktion unter dem Motto "Kinder statt Inder" die Anwerbung ausländischer Computerexperten zu verhindern - vergeblich. Erfolgreicher war sein hessischer Kollege Roland Koch, der nicht zuletzt dank einer Unterschriftenaktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft die Landtagswahl 1999 gewann.
CSU-Generalsekretär Markus Söder hatte bereits angekündigt, dass seine Partei im Falle eines Sieges der Union bei der Bundestagswahl 2006 den Türkei- Kurs der EU ändern wolle.
Auch der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Edmund Stoiber warnte erneut vor einem EU-Beitritt der Türkei. Sollte es zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen kommen, müsse der Prozess auf jeden Fall ergebnisoffen sein, bekräftigte Stoiber am Samstag bei einem außenpolitischen Kongress seiner Partei in München.
Grünen-Chefin Claudia Roth kündigte an, dass Rot-Grün noch vor Ende des Jahres einen "Gesetzentwurf für Volksentscheide" in den Bundestag einbringen werde. Eine alleinige Abstimmung über einen EU-Beitritt der Türkei sei aber reiner Populismus und komme nicht in Frage, sagte sie dem "Focus".