Gipfel in Mainz Bush schmeichelt, die Konflikte bleiben

Wie alte Freunde haben sich Präsident Bush und Kanzler Schröder heute präsentiert. Ihre Rollen im Mainzer Freundschaftstheater spielten beide perfekt. Über Streitpunkte wie das Waffenembargo gegen China oder einen ständigen deutschen Sitz im Weltsicherheitsrat wollten die beiden lieber nicht sprechen.

Mainz - So oft hat George W. Bush wohl noch nie "Gerhard" gesagt. Jeden zweiten Satz, so schien es, begann der amerikanische Präsident auf der Pressekonferenz mit einem Danke an den deutschen Kanzler. Der US-Präsident war in Mainz fest entschlossen, ein vorbildlicher Gast zu sein.

Neben dem selbstbewussten Schröder wirkte Bush bisweilen wie der "Junior Partner", nicht andersherum. Nach zwei Tagen "Listening Tour" in Brüssel betonte der US-Präsident, wie wichtig es ihm war, nach Deutschland zu kommen. "Um gute Beziehungen zu Europa zu haben, brauchen wir gute Beziehungen zu Deutschland." Denn Deutschland sei "das Herz von Europa", schmeichelte Bush.

Auf einmal erschien es logisch, warum der US-Präsident ausgerechnet nach Mainz kommen wollte. Als Symbol ist die Stadt am Rhein die ideale Kulisse für die Annäherung, schließlich steht sie für die guten alten Tage der deutsch-amerikanischen Freundschaft. 1989 war schon Bush Senior auf Präsidentenbesuch hier - ein Thema, das sowohl Bush als auch Schröder heute wiederholt aufgriffen. "Mir wird immer vorgeworfen, ich folgte den Schritten meines Vaters", scherzte Bush beim Mittagessen. "Ich weiß gar nicht, warum".

Damals, wenige Monate vor der Wende, prägte Vater Bush die Phrase der "Partners in Leadership" für das deutsch-amerikanische Verhältnis. "Ein unvergessenes Bekenntnis für ein vereinigtes Europa als starken Partner der USA" nannte Schröder dies. Der US-Präsident knüpfte heute an das historische Vorbild an, indem er Deutschland als "Partner im Frieden" bezeichnete.

Schon in Brüssel hatte Bush die Einigkeit mit dem "alten Europa" zelebriert. Auch im Mainzer Schloss war Entspannung die Losung des Tages, und von der ausgegebenen Marschrichtung wich keiner ab. Auf die Frage nach eventuellen Meinungsunterschieden entgegnete Schröder grinsend: "Wir haben uns darauf verständigt, nur darüber zu reden, wo wir gemeinsamer Auffassung sind." Als die Übersetzung bei Bush ankam, hörte der gar nicht mehr auf zu lachen.

Strenger Blick zum Vizekanzler

Die einzige Störung des Gipfelgesprächs passierte, als Joschka Fischers Handy während des Gesprächs klingelte. Der Kanzler blickte streng zu seinem Vizekanzler herüber, und der beeilte sich, es auszumachen.

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Bush in Deutschland: Lächeln, Winken, Händeschütteln

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Der neue Umgangston ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass vor noch nicht allzu langer Zeit darüber spekuliert wurde, wann Bush Schröder mal wieder die Hand schütteln würde oder ob sie sich anlächeln würden. Diese Zeiten sind vorbei. Vor diesem Hintergrund erscheint vielen Beobachtern Bushs Goodwill-Tour an sich schon als Erfolg. Javier Solana, der EU-Beauftragte für Außenpolitik, wertete die Reise bereits als Erfolg, bevor Bush überhaupt einen Fuß auf europäischen Boden gesetzt hatte.

Doch wie lange reicht Symbolik aus? Schon nach dem Antrittsbesuch der neuen Außenministerin Condoleezza Rice vor wenigen Wochen gab es in Berlin die Befürchtung, dass der Charme-Offensive keine Taten folgen würden. Unter anderem deshalb warf Schröder bei der Münchner Sicherheitskonferenz seine zunächst umstrittene Nato-Reform in die Debatte, die letztlich auf mehr Mitspracherecht für die EU abzielt.

Die Rede sorgte für Befremden insbesondere in konservativen amerikanischen Kreisen. Das "Wall Street Journal" sprach gar davon, Schröder wolle Bushs Reise sabotieren. Der Präsident ging heute großzügig darüber hinweg: "Ich habe es so verstanden, dass er möchte, dass die Nato relevant ist. Ich mag diese Auffassung."

"Wir haben gemeinsame Ziele" - dieses Mantra wiederholten Bush und Schröder unermüdlich. Man sei sich einig, dass Iran keine Atombombe besitzen solle. Beide wollten "bessere Luftqualität", wie Bush es ausdrückte. Beide wollen den Wiederaufbau im Irak. Und beide richteten strenge Worte an Syrien. Bush zeigte volles Verständnis für die "Beschränkungen", die Deutschland in Bezug auf den Irak habe. Im Gegenzug kündigte Schröder eine neue Zusammenarbeit in der Klimapolitik an - "unabhängig von Kyoto".

In der Sache keine Bewegung

Doch die Betonung der gemeinsamen Ziele kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es über den Weg dahin erhebliche Meinungsunterschiede gibt. Trotz der immer überschwänglicheren Worte füreinander gähnt in fast allen Streitpunkten weiterhin ein transatlantischer Graben. Bei aller guten Stimmung: In der Sache hat Bush sich in drei Tagen nicht bewegt. Wenn Jacques Chirac nach dem Besuch sagt, er habe den Eindruck, Bush sei nun "realistischer" geworden und damit europäischer, dann klingt das vor allem nach Wunschdenken. Denn der Verzicht auf den Bush-eigenen Idealismus ist in keiner Rede zu erkennen.

Gestern schien der Amerikaner seine diplomatische Maske für einen kurzen Moment abzulegen, als er seinen nächsten Gesprächspartner Wladimir Putin ins Visier nahm. Er werde mit dem russischen Präsidenten in Bratislava kritisch über Pressefreiheit, Menschenrechte und Demokratisierung reden müssen. Russland war denn auch eines der Themen, über das Bush mit Schröder reden wollte. Er habe ihn um eine Einschätzung der Entwicklung gebeten, sagte er vor jungen Führungskräften, mit denen beide am Nachmittag zusammentrafen. Schröder habe seinen Freund aus Moskau verteidigt, verlautete aus deutschen Regierungskreisen. Er habe den US-Präsident gebeten, Russlands derzeitige Situation im Kontext der Vergangenheit zu sehen. Bush habe nur zugehört.

Andere Streitpunkte wurden nicht einmal erwähnt. Das Waffenembargo in China sei kein Thema gewesen, auch nicht der ständige deutsche Sitz im Uno-Sicherheitsrat, hieß es in deutschen Regierungskreisen. Das gibt zu denken. Denn erst, wenn auch wieder offen gestritten wird, kann von echter Partnerschaft die Rede sein.

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