

Berlin - Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) greift in der Gorch-Fock-Affäre durch: "Ich habe den Inspekteur der Marine angewiesen, den Kommandanten des Schiffes von der Führung des Schiffes zu entbinden", sagte Guttenberg der "Bild am Sonntag".
Nach Rückkehr in den Heimathafen Kiel solle das Schiff auch bis auf weiteres nicht mehr auslaufen. Es werde aus der Fahrbereitschaft genommen, bis eine noch einzusetzende Kommission auch unter Mitwirkung von Abgeordneten des Bundestags beurteilt habe, "inwieweit die 'Gorch Fock' als Ausbildungsschiff und Botschafterin Deutschlands auf den Weltmeeren Zukunft hat", so Guttenberg weiter.
Vorangegangen waren Berichte über Verfehlungen an Bord des Schulschiffs: So sollen Mitglieder der Stammbesatzung Kadetten drangsaliert haben. Vier Auszubildenden soll einem Bericht des Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus zufolge Meuterei vorgeworfen worden sein.
Im November war eine 25-jährige Offiziersanwärterin aus der Takelage in den Tod gestürzt. Die trauernden Kameraden sollen gedrängt worden sein, wieder in die Masten zu klettern, obwohl sie das nach dem Unglück nicht mehr wollten. Außerdem soll es zu sexuellen Übergriffen gekommen sein.
Bericht: Weiterhin Segelanfänger an Bord der "Gorch Fock"
Nach ARD-Informationen wurde Kommandant Schatz telefonisch über seine Abberufung informiert. Die "Gorch Fock", die derzeit im Hafen von Ushuaia auf Feuerland liegt, soll voraussichtlich am 4. Februar auslaufen und auf direktem Weg nach Kiel zurückkehren. Das Kommando solle dann der Vorgänger von Schatz, Michael Brühn, haben, berichtete das "Nachtmagazin". Brühn sei auch Mitglied der Untersuchungskommission, die am kommenden Donnerstag in Ushuaia an der Südspitze Argentiniens erwartet wird.
Nach Informationen des "Hamburger Abendblatts" befinden sich weiterhin Segelanfänger an Bord der "Gorch Fock". Die Marine habe bestätigt, dass die 70 Offiziersanwärter, die beim Unfall der jungen Kadettin an Bord gewesen waren, durch 60 Soldaten ersetzt wurden. Viele von ihnen hätten erst im Oktober ihren Grundwehrdienst in Parow in Mecklenburg-Vorpommern angetreten.
Der Wehrbeauftragte reagierte überrascht auf den Vorgang. Er wolle prüfen, inwieweit die Ausbildung und Vorbereitung dieser jungen Soldaten für den Einsatz auf der "Gorch Fock" ausreichten, sagte Königshaus dem Blatt.
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Abenteuerlicher Arbeitsplatz: Nach dem tödlichen Sturz einer Kadettin und der Beinahe-Meuterei ist eine heftige Debatte über die Ausbildung auf dem Schulschiff "Gorch Fock" ausgebrochen. Ehemalige Offiziersanwärter berichten von Schikanen und einer "Subkultur der Angst und Unterdrückung".
Seemänner steigen in die Rahen auf der "Gorch Fock".
Von außen betrachtet ist das Image der "Gorch Fock" tadellos: Die weiße Dreimastbark gilt als Flaggschiff der deutschen Diplomatie, sie ist wichtigster Werbeträger der deutschen Marine, Schule fürs Seemannsleben.
Die Innenansicht ist eher düster: Nach Recherchen des Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus herrschen an Bord schier inakzeptable Zustände. Von Meuterei der Besatzung ist da die Rede, vom Aufhetzen der Kadetten gegen die Schiffsführung, von massiver Nötigung der Soldaten. In den vergangenen Jahren kam es mehrfach zu schweren Unfällen.
Norbert Schatz wird als der glücklose Kommandant der "Gorch Fock" in die Geschichte des Segelschulschiffes eingehen. Während seiner Kommandantur verloren gleich zwei Soldatinnen an Bord ihr Leben. Nun griff Verteidigungsminister zu Guttenberg ein und setzte Schatz als Kommandant ab. Im Februar 2006 hatte er diesen Posten angetreten.
Außerdem ordnete der Verteidigungsminister die sofortige Rückkehr des Schiffes in den Heimathafen Kiel an. Das Schiff solle bis auf weiteres auch nicht mehr auslaufen. Es werde aus der Fahrbereitschaft genommen, bis eine noch einzusetzende Kommission auch unter Mitwirkung von Abgeordneten des Bundestags beurteilt habe, "inwieweit die 'Gorch Fock' als Ausbildungsschiff und Botschafterin Deutschlands auf den Weltmeeren Zukunft hat", so Guttenberg weiter.
Am 23. August 1958 war die "Gorch Fock" in der Werft von Blohm & Voss in Hamburg vom Stapel gelaufen. Seitdem wurden etwa 14.000 Offiziere und Unteroffiziere auf ihr ausgebildet.
Bei ihren Fahrten hat die "Gorch Fock" bisher knapp 700.000 Seemeilen zurückgelegt. Hier segelt das Schiff 2007 zwischen Eisbergen im Golf von Sankt-Lorenz vor Neufundland.
Soldaten treten an Deck zur Musterung an: Für viele ist der Dienst auf der "Gorch Fock" ein Traum.
Freiwillig, weil nicht ganz ungefährlich: Beim Aufentern in die Takelage sind die Kadetten der "Gorch Fock" nicht gesichert. Im November 2010 kam eine Soldatin bei einem Sturz aus 27 Metern ums Leben.
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