70 Jahre CDU Fakten gegen die Feierstimmung

Kanzlerin Merkel: Die Umfragen sprechen für sie - die Statistik nicht
Foto: JOHN MACDOUGALL/ AFPWäre die CDU aus Fleisch und Blut, könnte man sie durchaus respektvoll als rüstige Rentnerin bezeichnen. Denn die Christlich-Demokratische Union, die an diesem Freitag den 70. Jahrestag ihres Gründungsaufrufs feiert, gibt sich nicht nur modern und zugleich traditionsbewusst - sondern hat offenbar auch eine verheißungsvolle Zukunft vor sich: In Umfragen ziehen weder BND-Affäre noch der Streit um die Vorratsdatenspeicherung die Partei unter die 40-Prozent-Marke. Und dann ist da ja noch Angela Merkel.

Merkel-Bilder: (Fast) alles unter Kontrolle
Die Partei- und Regierungschefin ist nicht nur Sympathiegarant, sondern anscheinend eine Art Rundumversicherung für die Partei. Seit sie ihren Vorgänger Gerhard Schröder vor einem Jahrzehnt vom Thron stieß, ist sie im Ausland zum Gesicht des modernen Deutschland geworden. Dabei spricht außer guten Umfragen nicht viel für Merkel - denn statistisch gesehen wird ein Ende ihrer Ära immer wahrscheinlicher.
- Entmachtung im Bundesrat
Alle Macht geht vom Volke aus - und in Deutschland ist das Volk nicht nur im Bundestag vertreten: Im Bundesrat kommen die Länder zu Wort und stoppen dort immer wieder Gesetzesvorhaben der Regierung . Und tatsächlich sieht es für die Union in der Länderkammer bitter aus: Die Christdemokraten führen nur noch vier der 16 Landesregierungen an, an zwei weiteren sind sie als Juniorpartner beteiligt. Die Schwesterpartei CSU regiert in Bayern allein. Dagegen stehen sechs rot-grüne regierte Länder, eine grün-rote, eine rot-rot-grüne und eine rot-rote Landesregierung. Ganz ähnlich waren die Machtverhältnisse im Bundesrat übrigens 1998 - kurz vor der Abwahl von Kanzler Helmut Kohl.

- Konkurrenz von rechts
Die Alternative für Deutschland ist nicht mit rechtsextremen Parteien wie der NPD gleichzusetzen - aber: Die jüngsten Erfolge der AfD erinnern an Protestparteien, die am rechten Rand auf Wählerfang gingen und in Landtage einzogen. Das gelang in den Sechzigerjahren etwa der NPD sowie in den Neunzigern den Republikanern und der Deutschen Volksunion (DVU) - und zwar jeweils kurz vor dem Regierungswechsel im Bund 1969 und 1998. Die Erfolge der rechtspopulistischen AfD passen in diese Serie, zumal auch die Eurokritiker enttäuschte Wähler aus dem konservativen Lager mobilisieren.
- Niedergang des Wunschpartners
Jahrzehntelang regierte die Union zusammen mit der FDP, der Pakt mit den Liberalen ermöglichte die Ära Kohl und etliche Wahlsiege der Konservativen in den Ländern. Umso heftiger trifft die Christdemokraten der dramatische Absturz des natürlichen Koalitionspartners: Der ist nicht nur erstmals aus dem Bundestag geflogen, sondern binnen weniger Jahre auch aus etlichen Landesparlamenten:
Der Niedergang des Wunschpartners allein mag schon hart genug für CDU und CSU sein - mindestens ebenso viele Sorgen sollte sich die Union aber über eine historische Parallele machen: Schon einmal flogen die Liberalen reihenweise aus Landtagen und Bürgerschaften, Mitte der Neunzigerjahre. Der Abwärtstrend endete erst nach der nächsten Bundestagswahl - die 1998 zu Rot-Grün führte.
- Abwahl in sechs Bundesländern
Nicht nur die FDP blickt auf eine Pleitenserie zurück, auch die Union hat seit dem Regierungsantritt von Angela Merkel in den Ländern erschreckend viele Niederlagen eingesteckt. Zuletzt konnte die CDU nicht einmal von der ebenfalls schwächelnden SPD profitieren, so schlecht waren die eigenen Ergebnisse etwa bei den Bürgerschaftswahlen in Hamburg und Bremen.
- Das Alter der Kanzlerin
Natürlich könnte Angela Merkel wie einst Konrad Adenauer bis ins Greisenalter durchregieren, dann hätte die CDU-Chefin noch etwa ein Vierteljahrhundert im Kanzleramt vor sich. Wahrscheinlich ist das aber nicht, und auch die Statistik deutet nicht darauf hin: Tendenziell wurden die Bundeskanzler seit 1949 jünger, und das Durchschnittsalter des deutschen Regierungschefs liegt trotz der Adenauer-Ära bei etwa 63 Jahren. So alt wäre Merkel bereits wenige Monate nach der nächsten Bundestagswahl. Ihr Vorgänger Gerhard Schröder trat übrigens mit 61 Jahren ab - dieses Alter erreicht die Kanzlerin in drei Wochen.
- Pleitenserie in Großstädten
Wie sehr die Union bangen muss, zeigt sich auch in den Städten mit mehr als 400.000 Einwohnern: In keinem der dortigen Rathäuser sitzt noch ein Oberbürgermeister mit einem Parteibuch von CDU oder CSU. Zuletzt ging der Union sogar das Rathaus in Dresden verloren - obwohl sie in Sachsen ansonsten große Popularität genießt.
Zusammengefasst: Die Union unter Angela Merkel genießt hohe Umfragewerte, doch Statistiken zufolge müssen CDU und CSU mittelfristig ums Kanzleramt bangen: Der Wunschkoalitionspartner FDP kämpft ums politische Überleben, in Ländern und Kommunen haben die Unionsparteien etliche Niederlagen erlitten - und die populäre Kanzlerin wird wohl kaum so lange im Amt bleiben wie einst Konrad Adenauer.