Nach Griechenland-Wahl Neuer Schuldenschnitt? Nicht mit Merkel

Bundeskanzlerin Merkel: Keine Zugeständnisse an Griechenland zu erwarten
Foto: FABRIZIO BENSCH/ REUTERSBerlin - Die Kanzlerin lässt sich so leicht nicht aus der Ruhe bringen. Mag in Griechenland der neue Ministerpräsident von der linken Syriza-Partei Alexis Tsipras heißen, für die CDU-Politikerin ist das kein Grund, nun in hektische Betriebsamkeit zu verfallen. Schon jetzt zeichnet sich ab: Einen Schuldenschnitt, wie ihn Tsipras seinen Anhängern im Wahlkampf versprochen hat, wird es nicht geben. Ihn lehnen Merkel und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ab, aber auch andere Politiker in Eurozone und EU.
Athen hat keine wirklichen Druckmittel. Tsipras will im Euroraum bleiben - wenn es ihm damit ernst ist, wird er die Forderung nach einem Schuldenschnitt wohl fallen lassen müssen. Sein Wunsch wäre für Merkel nicht zu erfüllen. Der bislang einzige Schuldenschnitt im Falle Griechenlands betraf vor zwei Jahren private Banken und Fonds. Damals wurden von den privaten Instituten 107 Milliarden Euro abgeschrieben. Weil die internationalen Banken sich aber mittlerweile fast vollständig aus Griechenland zurückgezogen haben, wäre diesmal das Geld der Steuerzahler dran - und das will Berlin vermeiden. Zwischen 40 und 65 Milliarden Euro soll nach Ansicht von Experten der deutsche Anteil liegen, der bei einem zweiten Schuldenschnitt verloren ginge. Die Gesamtschuld Griechenlands liegt derzeit bei rund 320 Milliarden Euro, davon befinden sich 260 Milliarden Euro - rund 80 Prozent - in der Hand öffentlicher Gläubiger.
Merkel kann nicht anders, als hier hart zu bleiben. Sie kann dafür gute Gründe vorweisen: Griechenland muss die Hilfskredite aus dem ersten Rettungspaket ohnehin erst zwischen den Jahren 2020 und 2041 abzahlen, die Zinsen wurden bereits deutlich gesenkt. Beim zweiten Griechenland-Paket muss Athen erst zwischen 2023 und 2057 Kredite tilgen, Zinszahlungen wurden 2012 um zehn Jahre aufgeschoben. Im Grunde wird Athen also jetzt schon entlastet. Ein weiterer Schuldenerlass würde Athen kaum unmittelbare Erleichterung bringen.
Hinzu kommt: Mit einem zweiten Schuldenschnitt würde Merkel auch bisherige Reformanstrengungen - die die Eurozone etwa Irland, Portugal oder Spanien auferlegte - konterkarieren. Kanzlerin Merkel müsste sich dann die Frage gefallen lassen: Wenn am Ende ohnehin ein Schuldenschnitt steht, warum sich dann noch anstrengen? Warum sollte dann Italien seine Reformen anpacken? Die CDU-Vorsitzende würde nebenbei auch konservative Partner in der Eurozone vor den Kopf stoßen, die sich bereits durch Spar- und Reformprogramme den Zorn breiter Bevölkerungsteile zugezogen und ihre Parteien in große Schwierigkeiten gebracht haben. In Portugal muss sich die konservativ-liberale Regierung im Spätsommer Wahlen stellen, in Spanien die konservative PP im Herbst. Vor allem in Madrid stehen die Zeichen auf Sturm. Dort hat sich mit der linkspopulistischen Partei "Podemos" eine dritte Kraft neben Konservativen und Sozialisten in den Umfragen etabliert, die ähnlich wie die griechische Syriza eine Abänderung des Merkel-Kurses in der Eurokrise verlangt.
Doch auch innenpolitisch würden Merkel und Co. bei einem Schuldenschnitt in Argumentationsnöte kommen. Innerhalb von CDU/CSU gäbe es dagegen erheblichen Widerstand, im Zuge einer Debatte würde womöglich die eurokritische AfD gestärkt. "Einen weiteren Schuldenschnitt wird es mit uns nicht geben", sagt daher auch der CDU-Haushaltspolitiker Norbert Barthle. Tsipras müsse zur Kenntnis nehmen, dass die europäischen Steuerzahler, und zu einem erheblichen Teil die deutschen, für einen Großteil dieser Kredite hafteten. "Ich kann ihnen nicht erklären, dass sie jetzt die Risiken tragen sollen", sagt Barthle. Auch in der SPD, in der es in der Vergangenheit durchaus Überlegungen für eine Lockerung des Sparkurses gab, gibt es bislang keine Anzeichen für eine Kurskorrektur gegenüber Athen. "Die Anstrengungen in Griechenland, die Schulden zu reduzieren und das Land aufzubauen, müssen weitergehen", sagte Vizekanzler Sigmar Gabriel der "Bild". Dann gingen auch die europäischen und deutschen Hilfen weiter.
Weil Berlin Athen in der Eurozone halten und Tsipras den Euro nicht verlieren will, lautet die Frage: Was kann Athen überhaupt angeboten werden? Die große Lösung wird es wohl nicht geben. Bereits Anfang Dezember wurde von der Eurogruppe das bisherige Hilfsprogramm um zwei Monate bis Ende Februar verlängert. In Berlin wird nicht ausgeschlossen, dass über eine weitere Verlängerung erneut gesprochen wird. Das sei eine "Option", so die Sprecherin Schäubles.
Merkel gratulierte Tsipras mittlerweile, wünschte ihm "viel Kraft und Erfolg". "Sie treten Ihr Amt in einer schwierigen Zeit an, in der Sie vor einer großen Verantwortung stehen", hieß es in dem Schreiben der Kanzlerin. "Ich hoffe, dass die Zusammenarbeit mit Ihnen die traditionell gute und tiefe Freundschaft zwischen unseren Völkern weiter festigen und vertiefen möge", so Merkel weiter.
Die Kanzlerin kennt Tsipras noch nicht persönlich. Im Gegensatz zu Bundespräsident Joachim Gauck. Das Staatsoberhaupt hat Tsipras bereits einmal getroffen. Anfang März vergangenen Jahres kam er mit dem Syriza-Anführer im Rahmen seines Griechenland-Besuchs zusammen. Tsipras hatte damals den griechischen Widerstandskämpfer aus der Zeit der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg, Manolis Glezos, zum Gespräch mit dem Bundespräsidenten in dessen Hotel mitgebracht. Gauck saß länger mit den beiden zusammen als geplant, sein persönlicher Eindruck von Tsipras war - trotz aller inhaltlichen Differenzen - durchaus positiv, wie anschließend verlautete. Gauck erlebte einen smarten, hochprofessionellen Politiker.