Schuldenstreit mit Griechenland Grünen-Wähler begrüßen Merkels Krisenkurs

CDU-Kabinettsmitglieder mit Grünen-Politiker Özdemir: Zufriedene Gesichter
Foto: FABRIZIO BENSCH/ REUTERSDie Einigung im griechischen Schuldenstreit beflügelt die Beliebtheitswerte von Angela Merkel: Die Mehrheit der Deutschen ist mit dem Kurs der Kanzlerin zufrieden. 55 Prozent der Bundesbürger sind nach einer Forsa-Umfrage im Auftrag des "Stern" der Auffassung, dass sich Merkel alles in allem richtig verhalten habe. Nur 31 Prozent der Befragten meinen, sie hätte Griechenland zum Ausstieg aus dem Euro zwingen sollen, 14 Prozent haben dazu keine Meinung.
Besonders zufrieden mit Merkels Kurs in der Griechenlandkrise sind vor allem Anhänger der Grünen: 75 Prozent von ihnen bescheinigen der Kanzlerin, richtig verhandelt zu haben. Bei den Sympathisanten der Union sind dies 66 Prozent, unter den potenziellen Wählern des Koalitionspartners SPD 62 Prozent. Sogar 53 Prozent der Linken-Sympathisanten schließen sich dieser Meinung an.
Ärger um Forsa-Fragestellung
Allerdings ist fraglich, ob die Befragten auf der Zufrieden-Seite tatsächlich der Kanzlerin applaudieren - oder ob sie einfach generell einen Grexit ablehnen. Denn anscheinend ging es bei der konkreten Forsa-Fragestellung im Kern gar nicht um die Performance der Kanzlerin.
Gefragt war offenbar, ob sich Merkel mit ihrer strikten Haltung ("Drittes Hilfsprogramm nur gegen strenge Auflagen") alles in allem richtig verhalten habe - oder ob sie Griechenland zu einem Ausstieg aus dem Euro hätte zwingen sollen. Auswählen konnte man nur eine Option. Im Grunde konnte man die Frage demnach so verstehen: Grexit nein oder ja. Eine Antwortmöglichkeit, die etwa eine Lockerung der Auflagen beinhaltet hätte, gab es wohl nicht.
Im sozialen Netzwerk Twitter wehren sich deshalb führende Grüne gegen den Eindruck, ihre Wähler seien eingefleischte Merkel-Fans. "Die Grünen-Wähler sind einfach am deutlichsten gegen den Grexit", twitterte ein Sprecher der Grünen-Fraktion. Unter dem Sammelbegriff #forsafragen machten sich am Donnerstag viele Twitter-Nutzer über die Fragestellung von Forsa lustig. Das Umfrageinstitut war auf Nachfragen von SPIEGEL ONLINE zunächst nicht erreichbar.
Kein Vertrauen in griechische Regierung
Unabhängig davon ist die Skepsis gegenüber Athen weiter groß. Dass die Regierung in Athen die vereinbarten Maßnahmen einhält und umsetzt, bezweifeln 81 Prozent der Deutschen. Nur 14 Prozent äußerten daran keine Zweifel. Das Vertrauen in die griechische Regierung ist am geringsten bei den Anhängern von CDU und CSU (7 Prozent) sowie der SPD (8 Prozent). 37 Prozent der Sympathisanten der Linken haben dagegen keine Zweifel, dass die Regierung des griechischen Premiers Alexis Tsipras die Auflagen einhält.
Am Montag hatten sich die Staats- und Regierungschefs der Euroländer in Brüssel auf Bedingungen für ein drittes Rettungspaket verständigt. Grundlage des Gipfelbeschlusses sind Spar- und Reformversprechen der griechischen Regierung.
Datenbasis der Umfrage: Das Forsa-Institut befragte am 13. Juli insgesamt 1001 repräsentativ ausgesuchte Bundesbürger, die durch eine computergesteuerte Zufallsstichprobe ermittelt wurden. Die statistische Fehlertoleranz liegt bei drei Prozentpunkten.
Anmerkung der Redaktion: Diese Meldung wurde zu einem späteren Zeitpunkt aktualisiert und mit der Kritik der Grünen ergänzt.
Was die Geldgeber von Griechenland fordern
82 bis 86 Milliarden Euro braucht Griechenland in den kommenden drei Jahren. Die Eurostaaten wollen dem Land neue Kredite geben, verlangen im Gegenzug aber schnelle und weitreichende Reformen.
In der Nacht zum Donnerstag, 16. Juli, verabschiedete das Parlament in Athen eine Reihe von Gesetzen, die die Gläubiger als Bedingung für Verhandlungen über ein drittes Hilfspaket gemacht hatten:
- Das Mehrwertsteuersystem wird gestrafft, mehrere bisher verminderte Sätze werden angehoben.
- Erste Punkte einer Rentenreform sollen das Rentensystem tragfähiger machen.
- Das griechische statistische Amt Elstat wird rechtlich voll unabhängig.
- Die Regeln des Fiskalpakts sollen nun komplett umgesetzt werden.
Bis 22. Juli sollen weitere Reformen in Griechenland folgen:
- Das Parlament soll eine Zivilprozessordnung verabschieden, um Gerichtsverfahren zu beschleunigen und die Kosten dafür erheblich zu senken.
- Die Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Banken soll umgesetzt werden.
Bis Oktober 2015 soll eine umfassende Rentenreform verabschiedet sein.
- Vorschläge der OECD zu Produktmarktreformen sollen umgesetzt werden. Dazu gehören die Einführung von verkaufsoffenen Sonntagen und Schlussverkäufen sowie die Öffnung bestimmter Berufe wie etwa beim Fährbetrieb.
- Der Stromnetzbetreiber (ADMIE) soll privatisiert werden.
- Der Arbeitsmarkt soll modernisiert werden, etwa bei den Verfahren für Tarifverhandlungen, Arbeitskampfmaßnahmen und Massenentlassungen.
- Der Finanzsektor soll gestärkt werden, etwa durch stärkere Durchgriffsmöglichkeiten des griechischen Bankenrettungsfonds und durch die Beseitigung sämtlicher Möglichkeiten zur politischen Einflussnahme.
- Die griechische Verwaltung soll modernisiert werden und ihre Kosten gesenkt werden. Einen ersten Vorschlag dazu soll Athen bis zum 20. Juli 2015 vorlegen.
Die Regierung in Athen soll mehr und schneller privatisieren. Dafür ist der Transfer von griechischem Staatsbesitz an einen unabhängigen Fonds vorgesehen, der das staatliche Vermögen zu Geld macht. Der Fonds würde in Griechenland eingerichtet und von den griechischen Behörden unter Aufsicht der europäischen Einrichtungen verwaltet.
So sollen auf lange Sicht etwa 50 Milliarden Euro Einnahmen entstehen. Die Hälfte davon würde zur Rückzahlung jener 25 Milliarden Euro verwendet, die aus Hilfsgeldern in die Bankenrettung fließen sollen. Weitere 12,5 Milliarden Euro sollen anderweitig zur Schuldentilgung verwendet werden. Die letzten 12,5 Milliarden Euro sind dagegen für Investitionen in Griechenland vorgesehen.
Abgesehen von neuen Krediten erhält die griechische Regierung lediglich die vage Aussicht auf weitere Schuldenerleichterungen. Sollte sich bei einer ersten Überprüfung des griechischen Reformprogramms herausstellen, dass die Regierung die Vorgaben umgesetzt hat, werde man, falls nötig, weitere Maßnahmen erwägen. Erwähnt werden etwa längere Rückzahlungsfristen für die gewährten Kredite.