GroKo-Sondierung Union weist SPD-Forderungen nach Nachbesserungen zurück

Thomas Strobl
Foto: Lino Mirgeler/ dpaEs sei viel zu tun - so urteilt Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) über das Ergebnis der Sondierung zwischen Union und SPD. Weitere Parteigenossen - etwa der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner - fordern ebenfalls Nachbesserungen. Dem hat die Union jetzt aber eine klare Absage erteilt: "Was wir miteinander vereinbart haben, gilt. Alles andere ist unseriös", sagte der CDU-Vizevorsitzende Thomas Strobl den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.
"Die Union ist strikt dagegen, einzelne inhaltliche Punkte noch einmal aufzumachen", sagte er weiter. Das Sondierungspapier sei die Grundlage für alle weiteren Gespräche. Dinge, die da nicht drin stehen, kämen auch nicht in einen Koalitionsvertrag. Als Beispiel nannte er die SPD-Forderung nach einer Bürgerversicherung. "Es wird mit der CDU keine Gespräche über die Einheitskasse geben", sagte Strobl.
In einem 28-seitigen Ergebnispapier zu den Sondierungen wurden grundlegende Einigungen festgehalten. Allerdings ist durchaus davon auszugehen, dass in den mehrwöchigen Koalitionsverhandlungen - sollte die SPD auf ihrem Bundesparteitag dafür stimmen - bestimmte Inhalte auch noch mal neu diskutiert werden.
Sondierungsergebnis von CDU, CSU und SPD
"Im Bundestag und in allen von ihm beschickten Gremien stimmen die Koalitionsfraktionen einheitlich ab. Das gilt auch für Fragen, die nicht Gegenstand der vereinbarten Politik sind." Die Idee der SPD, neue Koalitions- oder Kooperationsmodelle zu schaffen, innerhalb derer die Partner nicht immer geschlossen abstimmen müssen, ist damit hinfällig.
Die Zuwanderung soll auf 180.000 bis 220.000 Menschen pro Jahr begrenzt sein. Der Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus soll eng begrenzt werden. Der Nachzug bleibt vorerst ausgesetzt, dann soll eine neue Regelung in Kraft treten, die den Nachzug auf 1000 Menschen pro Monat begrenzt.
Steuererhöhungen sind nicht geplant, der Spitzensteuersatz bleibt unangetastet. Die gesetzliche Krankenversicherung soll wieder zu gleichen Teilen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern finanziert werden. Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung soll um 0,3 Prozentpunkte sinken. Es soll eine schrittweise Senkung des Solidaritätszuschlags um 10 Milliarden Euro bis zum Jahr 2021 geben.
Das Kindergeld soll in zwei Schritten um 25 Euro pro Monat steigen - und zwar 10 Euro mehr ab 1. Juli 2019 und 15 Euro mehr ab Anfang 2021. Bei Unternehmen mit mehr als 45 Mitarbeitern soll ein Recht auf befristete Teilzeit eingeführt werden. Frauenförderung ist ein wichtiges Ziel: Im öffentlichen Dienst sollen bis 2025 Führungspositionen gleichmäßig mit Männern und Frauen besetzt werden.
Union und SPD wollen die Kommunen beim Ausbau der Kitaplätze unterstützen und die Qualität der Betreuung verbessern. Gleichzeitig sollen die Kosten für Eltern sinken, möglichst bis zur Gebührenfreiheit. Dafür sollen jährlich laufende Mittel zur Verfügung gestellt werden.
Mit einem nationalen Bildungsrat sollen die Bildungschancen im gemeinsamen Schulterschluss von Bund und Ländern verbessert werden. Bislang dürfen nur "finanzschwache" Kommunen in der Bildung unterstützt werden. Das Wörtchen wird gestrichen. Die Partei- und Fraktionschefs betonen aber auch die Bildungshoheit der Länder. Die SPD hatte im Wahlkampf die Abschaffung des Kooperationsverbots gefordert, das besagt, dass sich der Bund in die Schulpolitik der Länder nicht einmischen darf.
Die gesetzliche Rente soll auf dem heutigen Niveau von 48 Prozent bis zum Jahr 2025 festgeschrieben werden. Dafür soll die Rentenformel geändert werden. Zusätzlich ist eine Rentenkommission geplant, die den Generationenvertrag nachhaltig sichern soll.
Wer 35 Jahre lang gearbeitet, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt hat, soll künftig eine Rente bekommen, die zehn Prozent über der Grundsicherung liegt. Wer Grundrente bekommt, soll auch in seiner eigenen Wohnung oder seinem Haus wohnen bleiben dürfen.
Der Einsatz des umstrittenen Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat in der Landwirtschaft soll drastisch reduziert werden. Ziel sei es, die Verwendung von Glyphosat grundsätzlich zu beenden.
Bis Ende des Jahres soll ein Zeitplan für den Kohleausstieg stehen. Die Lücke zum Klimaziel für 2020 solle soweit wie möglich geschlossen werden. Damit räumen die Partner ein: Die bislang propagierte Reduzierung der Klimagase um 40 Prozent ist nicht mehr das Ziel von CDU, CSU und SPD.
Kritik an den skeptischen SPD-Stimmen kam am Sonntag auch von einer weiteren CDU-Vizevorsitzenden, Julia Klöckner aus Rheinland-Pfalz. "Das Sondierungspapier ist von CDU/CSU und SPD einstimmig am Freitagmorgen angenommen worden. Diejenigen, die aus der SPD-Sondierungsgruppe nur wenige Stunden danach massive Änderungen darin fordern, stellen sich selbst ein sehr schlechtes Arbeitszeugnis aus!", schrieb sie bei Twitter.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt rief SPD-Parteichef Martin Schulz auf, die interne Kritik an den Sondierungsergebnissen zu beenden. "Martin Schulz muss jetzt zeigen, dass die SPD ein verlässlicher Koalitionspartner sein kann und er den Zwergenaufstand in den Griff bekommt", sagte er der "Bild am Sonntag". Bayerns Finanzminister und designierter Ministerpräsident Markus Söder lehnt Nachbesserungen ebenfalls ab: "Natürlich gilt alles. Die von allen Delegationen einstimmig beschlossene Sondierungsvereinbarung ist mit 28 Seiten doch fast schon ein Koalitionsvertrag."
Am Samstagnachmittag hatte der Landesparteitag der SPD in Sachsen-Anhalt gegen die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU gestimmt. Deutliche Skepsis ist auch aus den Landesverbänden in Hessen und Nordrhein-Westfalen zu vernehmen. So wird noch erheblicher Nachbesserungsbedarf gesehen. In Hessen beauftragte der SPD-Landesparteirat den Landesvorstand, bis Mitte kommender Woche darzustellen, "in welchen Fragen nachgearbeitet werden soll". Der Landesvorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel erklärte, es seien "an zentralen Punkten Korrekturen" nötig.
Strobl forderte die Sozialdemokraten auf, das Ergebnis der Sondierungen mitzutragen und den Weg für formelle Koalitionsverhandlungen freizumachen. "Für die SPD geht es um eine klare Entscheidung: Regierung oder Opposition, Verantwortung für Deutschland oder Beschäftigung mit sich selbst. Ich setze auf die Vernunft der Sozialdemokraten", sagte der CDU-Politiker.