Große Koalition Empörung über Parteien-Bereicherung

Die Parteien wollen die Gunst der Großen Koalition nutzen, um ihre Finanzprobleme mit einer drastischen Erhöhung der staatlichen Zuschüsse zu lösen. Politiker kleiner Parteien und Verfassungsrechtler protestieren - sie halten den Griff in die Staatskasse für unzulässig.

Berlin - Erst gab es nur Gerüchte, doch dann verdichteten sich die Hinweise: Die großen Parteien hatten in aller Stille einen Gesetzentwurf vorbereitet, der ihnen schon bald frisches Geld in die leerer werdenden Kassen spülen soll. Jetzt sind die Pläne öffentlich - und schon erhebt sich Protest.

Für die Grünen ist die Sache klar: "Mit uns gibt es nur eine Erhöhung nach dem üblichen Index", sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck. "Für eine darüber hinausgehende Steigerung sehen wir keine Begründung - wir würden ihr im Bundestag nicht zustimmen." Sinkende Mitgliederzahlen seien "kein Anlass, in einer Höhe jenseits eines Inflationsausgleichs in die Staatskassen zu greifen." Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn sprach in dem Zusammenhang von "politischer Perversion".

Auch der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Karl Heinz Däke, rügte: "Das ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten." Mit 133 Millionen Euro erhielten die Parteien aus dem Staatshaushalt bereits einen hohen Zuschuss. "Es kann nicht Aufgabe der Steuerzahler sein, Wahlwerbung wie Kugelschreiber, Luftballons, Lollis und anderen Schnickschnack zu finanzieren." Däke mahnte deshalb zu mehr Bescheidenheit. "Um das finanzielle Wohl unserer Parteien muss sich niemand sorgen."

Grund für die Empörung sind Pläne der großen Koalition, den Parteien deutlich mehr Geld aus Steuermitteln zukommen zu lasen. Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz bestätigte das Vorhaben, nach dem die Fraktionen von Union und SPD die staatlichen Zuschüsse um 20 Millionen Euro von derzeit 133 Millionen Euro auf 153 Millionen Euro pro Jahr anheben wollen. Dies entspräche einer Steigerung um 15 Prozent.

Die Fraktionen bereiten einen entsprechenden Gesetzentwurf vor, der im Herbst im Bundestag beschlossen werden soll. Die Änderung des Parteiengesetzes soll 2008 in Kraft treten. Nach bisheriger Praxis stünde den Parteien eine Erhöhung lediglich um 7,8 Millionen Euro oder 5,9 Prozent zu.

"Da passieren die merkwürdigsten Dinge"

Parteienrechtler wie Hans Herbert von Arnim halten die geplante Bereicherung allerdings für verfassungsrechtlich unzulässig. Die übermäßige Erhöhung widerspreche dem wegweisenden Urteil zur Parteienfinanzierung, das die Karlsruher Verfassungsrichter 1992 gefällt hatten. Daraus gehe hervor, dass die staatlichen Zuschüsse für die Parteien nur gemäß des relevanten Preisindexes gesteigert werden dürfen. Seit der letzten Anhebung im Jahr 2002 stünde den Parteien danach nur eine Erhöhung von rund sechs Prozent zu.

Die Parteien haben in den vergangenen Jahren zehntausende Mitglieder verloren und geraten deshalb finanziell immer stärker unter Druck. Für von Arnim keinesfalls ein Grund, die Regeln zu sprengen: "Der Mitgliederschwund ist ein Problem, das die Parteien selbst lösen müssen." Sich dafür vom Staat und damit vom Bürger entschädigen zu lassen, sei geradezu widersinnig und widerspreche dem Geist der Verfassung. "Die Staatsfinanzierung soll sich nach der Verwurzelung der Parteien bei den Bürgern richten. Das Wegbleiben der Mitglieder deutet aber gerade auf eine abnehmende Verwurzelung hin", sagte von Arnim SPIEGEL ONLINE.

Von ihrem Plan abhalten kann die Parteien nur öffentlicher Druck, zu einer Klage wird es kaum kommen. Der Bürger hat in diesem Fall keine Klagebefugnis. Vor Gericht gegen die Erhöhung vorgehen könnten allenfalls Landesregierungen, die Bundesregierung oder eine große Gruppe von Bundestags-Parlamentariern. Dass die Politiker ihre Mutter-Organisationen vor Gericht zerren würden, ist indes äußerst unwahrscheinlich. "So ist es in Zeiten von großen Koalitionen", sagt von Arnim, "da passieren merkwürdige Dinge."

"Rücksichtslosigkeit, die kaum zu überbieten ist"

Das Erwerbslosen Forum sprach von einer "Rücksichtslosigkeit, die kaum noch zu überbieten ist". Eine derartige Selbstbedienung der Parteien sei angesichts der Einschränkungen vieler Menschen nicht zu rechtfertigen. Während Kinder von Eltern mit Hartz-IV-Leistungen noch nicht einmal Geld für Schulsachen hätten, wollten Union und SPD ihre Mindereinnahmen aufgrund sinkender Mitgliederzahlen kompensieren.

SPD-Innenexperte Wiefelspütz verteidigte die Pläne und sagte: "Es gibt keinen Grund zur Aufregung. Alles in allem handelt es sich um eine Anpassung mit Augenmaß." Von Selbstbedienung könne keine Rede sein. Schließlich hätten die Parteien eine wichtige Funktion im demokratischen Rechtsstaat. "Das Finanzierungssystem für die Parteien stellt sicher, dass es keine einseitigen Abhängigkeiten von finanzstarken Interessengruppen gibt", argumentierte Wiefelspütz.

SPD-Schatzmeisterin Inge Wettig-Danielmeier hatte bereits am Freitag darauf hingewiesen, dass die Zuschüsse seit fünf Jahren nicht erhöht wurden. Laut Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1992 müsse es aber jedes Jahr eine Anpassung an die Preissteigerung geben. "Nun ist es an der Zeit", sagte sie.

Mit Material von dpa und ddp

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