Vereidigung der Großen Koalition Genug gefeiert
Berlin - Ursula von der Leyen hat schon viel mitgemacht in ihrem politischen Leben, aber so eine Ernennungszeremonie genießt sie dann doch noch. Am Nachmittag, als fast alles geschafft ist, läuft die neue Verteidigungsministerin mit ihren sieben Kindern und dem Ehemann über die Flure des Bundestags. Ein paar Besucher wollen ein Foto mit ihr machen. Sie bleibt stehen, die Kinder gehen weiter.
"Wo ist Mama?", fragt plötzlich eine ihrer Töchter. "Ach, die kommt doch schon wieder nicht", sagt eine andere scherzhaft. Sie gehen zur Garderobe. Hinten posiert von der Leyen für die nächsten Besucher. Es macht ihr sehr viel Spaß, man sieht das.
Es ist an diesem Dienstag alles etwas anders als sonst im Regierungsviertel. Da, wo die Politik eigentlich um den richtigen Weg für das Land streitet, geht es ausnahmsweise langsamer zu. Feierlicher. Und vor allem familiärer. Die politischen Unterschiede spielen mal kaum eine Rolle, denn es gilt, eine neue Regierung ins Amt zu heben. Die Kanzlerin wird gewählt, der Bundespräsident verteilt die Urkunden, die Minister werden vereidigt, in den Ressorts werden die Schlüssel übergeben.

Ernennung, Vereidigung, Aufregung: Familienfest im Bundestag
Schwarz-Gelb ist Geschichte, Schwarz-Rot steht. Ein leiser, friedlicher Übergang der Macht. Ganz angenehm, eigentlich.
Aber alle wissen auch: Ab sofort muss hart gearbeitet werden. Seit dem SPD-Mitgliedervotum haben sich die Neukoalitionäre drei Tage lang auf die Schulter geklopft und über das neue Bündnis gefreut. Jetzt wird es ernst. Jeder Minister muss sich in den kommenden Monaten bewähren. Sonst heißt es schnell - Fehlbesetzung.
Angela Merkel kann da etwas entspannter sein. Sie hat das Ganze jetzt schon ein paar Mal mitgemacht, aber nun auch nicht so oft, dass der Prozess sie langweilen würde. Alle, die ihr wirklich wichtig sind, hat sie an diesem Morgen mitgebracht. Ihre Büroleiterin. Ihre Medienberaterin. Und auch ihre Mutter. Herlind Kasner sitzt oben auf der Ehrentribüne, Merkel steht unten im Plenum. Ein kurzer Gruß, dann geht es los.
Schwieriger Tag für Guido Westerwelle
Es ist nicht so, dass Merkel die Wahl fürchten muss. Die SPD geht vergleichsweise entspannt in diese Große Koalition, insofern ist eine dicke Mehrheit schon vorher klar. Doch es muss alles seinen Gang gehen. Der Bundestagspräsident eröffnet die Wahl, die Abgeordneten werfen ihre Stimmkärtchen in die Urnen, Merkel posiert derweil für Erinnerungsfotos. Ex-Ministerin Kristina Schröder schiebt die Kanzlerin hin und her, bis diese richtig steht. Knips. Lächeln. Der Nächste, bitte.
Merkel erhält 462 Stimmen, das ist ein kleiner Schönheitsfehler. 42 Stimmen aus dem schwarz-roten Lager fehlen ihr. Aber sie kann trotzdem einigermaßen beruhigt zum Bundespräsidenten fahren, um sich die Urkunde abzuholen. Wieder zurück, spricht Merkel ihren Eid und setzt sich allein auf die Regierungsbank. Alle klatschen. Bis auf die Linke. Aber ganz interessant finden die das alles auch. Die Abgeordnete Petra Sitte zückt in der ersten Reihe ihr Telefon, um den Moment festzuhalten. Ist ja doch irgendwie historisch.
Für manche ist es auch ein schwieriger Tag. Für Guido Westerwelle zum Beispiel, der da ist, obwohl seine FDP nicht einmal mehr im Bundestag vertreten ist. Der Ex-Außenminister ist ein Mann, dem Formen etwas bedeuten. Seine Anwesenheit ist eine Respektsbezeugung, schließlich hat er vier Jahre lang mit Merkel gut zusammengearbeitet.
"Frau Nahles, komm' Se mal her"
Westerwelle setzt sich auf die Ehrentribüne. Er unterhält sich mit Bildungsministerin Johanna Wanka. Manuela Schwesig, ganz in Rot gekleidet, sitzt ein paar Plätze weiter rechts. Westerwelle rückt ein bisschen näher, sie sprechen kurz, später gibt Westerwelle auf den Fluren ein paar Autogramme. Er ist ja doch irgendwie historisch. Später wird Westerwelle sein Amt an Frank-Walter Steinmeier übergeben, von dem er es vor vier Jahren erst übernommen hatte.
Steinmeier ist künftig eine Säule des schwarz-roten Kabinetts. Mit dem Rest der Regierungsmannschaft fährt der Sozialdemokrat ins Schloss Bellevue, zum Bundespräsidenten. Die Urkunden warten.
Manche freuen sich wie Schulkinder über ihre Urkunde. Heiko Maas, Saarländer und neuer Justizminister, knufft Peter Altmaier, ebenfalls Saarländer und künftig Kanzleramtschef. Hans-Peter Friedrich, der von nun an Landwirtschaftsminister ist, steht stramm, als die neue Verteidigungsministerin an ihm vorbeigeht. Beide finden das sehr lustig. Und Andrea Nahles, die Arbeitsministerin, freut sich auch, dass sie ihren Traumjob bekommen hat. "Frau Nahles, komm' Se mal her", sagt Merkel, als sich die ihre Leute zum Gruppenbild aufstellen. Sie stehen dann nebeneinander.
Für Grüne und Linke wird es schwer
Es ist insgesamt eine lockere Stimmung, auch bei der Vereidigung. Als die Minister aus dem Schloss Bellevue wieder im Bundestag sind, wirken die meisten entspannt. Bundestagspräsident Norbert Lammert ruft die Minister einzeln auf. Als Erster tritt der Vizekanzler, Wirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel vor: "Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe" - den Gottesbezug werden an diesem Tag alle Bundesminister sprechen. Das war nicht immer so, vor allem zu rot-grünen Zeiten verzichteten einige Minister darauf.
Mancher Neuling ist nervös. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hatte schon auf den Fluren des Reichstagsgebäudes freimütig eingeräumt, er sei schon "angespannt". Dass ein solcher Augenblick nicht immer reibungslos über die Bühne gehen muss, zeigt auch die Vereidigung von Steinmeier. Mit seinen Gedanken wohl noch im Schloss Bellevue, spricht er Lammert mit "Herr Bundespräsident" an. Der lächelt den Fauxpas elegant weg, und Steinmeier tut es ihm gleich. Danach kommt Thomas de Maizière, der neue Innenminister. Betont langsam, als wolle er ganz sichergehen, sagt der CDU-Politiker: "Herr BundesTAGSpräsident....".
Am Ende der Vereidigung bleiben manche Abgeordnete noch eine zeitlang im Plenum, einige der Neulinge machen Handy-Bilder. Versunken im Gespräch stehen zwei einst führende Grüne, Renate Künast und Volker Beck. So einsam, wie sie da stehen, so einsam stehen die beiden Oppositionsparteien auch künftig gegen eine 80-Prozent-Mehrheit im Parlament.
Das macht dieser Tag auch klar. Für Grüne und Linke werden es vier schwierige Jahre. Sofern diese Große Koalition halten sollte, jedenfalls.