GroKo nach Nahles' Rücktritt Sie regieren noch

GroKo-Minister Spahn, Giffey, Heil
Foto: Britta Pedersen/ DPAWar da was?
Das kann man sich an diesem Dienstag fragen, während die Koalitionäre von Union und SPD wirbeln, als seien sie im Regierungs-Honeymoon: Erst legen die zuständigen Minister die Ergebnisse ihrer "Konzertierten Aktion Pflege" in Berlin vor, wenig später präsentieren führende Bundestagsabgeordnete beider Fraktionen das achtteilige Gesetzespaket zu Abschiebungen, Asyl und Arbeitsmigration.
Ja, da war was: Andrea Nahles, bis dato Partei- und Fraktionschefin der SPD, verkündete am Sonntagvormittag ihren Rücktritt von beiden Ämtern - und stürzte ihre Partei damit endgültig in die Krise. Und die Große Koalition gleich mit.
In der Union mögen sie noch so sehr an das Verantwortungsbewusstsein des Koalitionspartners appellieren und Zweifel am Fortbestand des Bündnisses dementieren: Es wäre schon beinahe ein politisches Wunder, wenn diese Regierung das Jahresende erlebt. Um zu überleben, muss die SPD die Koalition verlassen, das dürfte inzwischen den meisten Sozialdemokraten klar sein - die Frage ist nur, wann und wie.
Aber bis dahin wollen Union und SPD besonders fleißig sein, schließlich läuft ihnen die Zeit davon. Und tatsächlich gibt es ein paar Dinge, die jeder Seite so sehr am Herzen liegen, dass man sie gern noch umsetzen würde: die SPD die Grundrente, die Union die Soli-Abschaffung wenigstens für 90 Prozent der Bürger - oder Pakete, hinter denen beide Seiten stehen. Wie bei der Pflege oder dem innen- und arbeitspolitischen Achter-Bündel.
Gesundheitsminister Jens Spahn von der CDU und seine SPD-Kollegen Hubertus Heil (Arbeit) und Franziska Giffey (Familie) kommen jedenfalls aus dem Strahlen gar nicht mehr heraus, als sie ihre Ergebnisse am Dienstag präsentieren. "Allein dafür lohnt es sich schon, noch zwei Jahre weiterzumachen", sagt Spahn. Heil spricht von einem "wichtigen Signal, dass wir das Handeln nicht einstellen". Die Bürger erwarteten von der Koalition zu Recht Antworten auf die großen Fragen.
Und die Fraktionsvizes Thorsten Frei (CDU) und Eva Högl (SPD) überbieten sich an Lobpreisungen der gemeinsamen Gesetzesarbeit, wobei der Christdemokrat die innenpolitischen Verschärfungen betont, die Sozialdemokratin dagegen die Ergebnisse beim Fachkräftezuwanderungsgesetz.

SPD-Politikerinnen Mast, Högl, Christdemokraten Frei und Gröhe, CSU-Frau Lindlohr
Foto: Florian Gathmann/ SPIEGEL ONLINESo rasch hat man sich am Ende geeinigt, dass zum Verdruss der Opposition die Tagesordnung der Plenumswoche über den Haufen geworfen wurde, um die acht Gesetze noch am Freitag in dritter Lesung vom Bundestag verabschieden zu können. Der Bundesrat soll sich Ende Juni damit befassen.
CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hat bereits mit der kommissarischen SPD-Führung - bestehend aus den drei Vizechefs Manuela Schwesig, Malu Dreyer und Thorsten Schäfer-Gümbel - Kontakt aufgenommen und sich der weiteren Zusammenarbeit versichert. Rolf Mützenich, Interimschef der SPD-Bundestagsfraktion, traf sich am Dienstagmorgen zum ersten Mal mit seinen Unions-Counterparts Ralph Brinkhaus (CDU) und Alexander Dobrindt (CSU). Von einem "ausgesprochen guten Gespräch" sprach anschließend Dobrindt.
Der CSU-Landesgruppenchef sagt am Dienstagvormittag auch diesen so trivialen wie zutreffenden Satz: "Man kann aus einer Koalition nicht aussteigen, wenn man keinen Parteivorsitzenden hat."
Das ist die Lage in der SPD - und damit auch für die GroKo. Fürs Erste macht man also weiter.
Im Video: Das Übergangs-Trio
Bis zum 24. Juni lässt das Übergangs-SPD-Führungstrio einen Plan für das weitere Verfahren erarbeiten. Dabei geht es nicht nur darum, wer neuer Parteichef wird. Sondern vor allem darum, wie die Sozialdemokraten mit der sogenannten Revisionsklausel aus dem Koalitionsvertrag umgehen wollen. Raus aus der GroKo - ja oder nein?
SPD-Vizechef Ralf Stegner sagte der Nachrichtenagentur dpa, seine Partei dürfe die Koalition nicht aus einer Position der Schwäche heraus aufkündigen. "Man muss das an Ziele binden." Denn wenn die SPD nur sage, "wir gehen raus, weil wir zu schwach sind oder einfach keinen Bock mehr haben - wer soll uns dann eigentlich noch wählen?".
Neuwahlen, das ist allen Beteiligten klar, wären die wahrscheinlichste Folge eines Koalitionsbruchs. Und dafür ist auch die Union aus verschiedenen Gründen alles andere als gut aufgestellt. Umso mehr spricht aus Sicht von CDU und CSU dafür, noch so viel wie möglich gemeinsam mit der SPD umzusetzen - am besten natürlich eigene Projekte.
Nur eine Konsequenz aus dem Nahles-Abgang steht für die GroKo bislang fest. Die für kommende Woche angesetzte gemeinsame Klausur der Spitzen von Unions- und SPD-Fraktion findet nicht wie geplant in Bad Neuenahr in der Eifel statt: Das liegt im Wahlkreis der Zurückgetretenen.
Man trifft sich stattdessen in Berlin.
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