
GroKo-Einigung Scholz, Schulz, Chance


Kanzlerin Angela Merkel, CSU-Vorsitzender Horst Seehofer, SPD-Chef Martin Schulz
Foto: Kay Nietfeld/ dpaJetzt hat also auch Deutschland seinen Murmeltiertag.
"Die SPD hat gut verhandelt, der Koalitionsvertrag spiegelt nicht das Wahlergebnis wider, sondern erscheint eher, als hätten da zwei gleich starke Partner am Tisch gesessen. Offenbar haben auch Angela Merkel und Horst Seehofer nun Angst vor der SPD-Basis und dem Mitgliederentscheid." Das kommt Ihnen bekannt vor? Dann haben Sie ein gutes Gedächtnis: Diese Sätze stammen aus einem Kommentar zur Einigung auf eine Große Koalition aus dem November 2013.
Und da sind wir wieder, es ist die Rückkehr der leitenden Gleichen, wenn auch mit Unterschieden, die zunächst fein erscheinen mögen, aber entscheidend werden könnten: Die SPD hat noch viel schlechter abgeschnitten als bei der letzten Wahl. Der Widerstand bei den SPD-Mitgliedern scheint diesmal lauter als damals, die Furcht bei Merkel und Seehofer vor der SPD-Basis womöglich größer, und damit erklärt sich auch das - beim Blick auf das Wahlergebnis - paradoxe Verhandlungsergebnis der vergangenen Nacht: Die SPD ist in der wohl kommenden vierten Großen Koalition noch stärker vertreten als in der vorigen.
Sie behält die Justiz-, das Familien- und das Arbeitsministerium sowie das Umweltressort. Zwar gibt sie das Wirtschaftsministerium an die CDU ab (das dem damaligen SPD-Chef Sigmar Gabriel ohnehin wenig Glück und Profil bescherte), bekommt dafür aber das wesentlich mächtigere Finanzministerium, das bei jedem einzelnen Projekt der Regierung entscheidend mitzureden hat.
Martin Schulz wird wohl Außenminister, bekommt also das Amt, das bisher noch jedem halbwegs kompetenten Inhaber zu Glanz und Beliebtheit verholfen hat. Und kompetent ist Schulz als Außenpolitiker gewiss.
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SPD-Chef wird er nicht mehr sein, wenn die GroKo kommt, hat er erklärt. Er wird es auch nicht ohne bleiben, denn sollte die Basis die Koalition doch ablehnen, wäre er sowieso nicht zu halten. Der Rückzug von der Parteispitze ist bitter für den erst hoch gehandelten und dann tief gestürzten Hoffnungsträger. Und doch ist er richtig für ihn selbst und die Partei.

GroKo: Tag der Entscheidung
Schulz macht den Weg frei für eine tatsächliche Erneuerung - und wird sich auf das konzentrieren, was er kann. Er wird die Europapolitik Deutschlands mit all der Leidenschaft vorantreiben, die Angela Merkel fehlt.
Ach so, auch das ist ein Verhandlungsergebnis: Merkel bleibt Kanzlerin. Damit hat die CDU ihr einziges Ziel durchgesetzt. Ihre weiteren Ressorts Wirtschaft, Bildung, Verteidigung, Gesundheit und Landwirtschaft wird sie mit routinierter Gleichförmigkeit bestücken. Dass alle Fragen der Digitalisierung als Anhängsel bei einem CSU-geführten Verkehrsministerium bleiben, das sich wohl eine weitere Legislaturperiode vor allem mit der vermaledeiten Maut beschäftigen wird, weckt wenig Hoffnung auf eine flächendeckende Teilhabe der Bürger an schnellen Internetverbindungen.
Im Video: "Die CDU ist nicht gut weggekommen"
Und es entbehrt nicht einer bösen Ironie, dass Horst Seehofer zwar das wichtige Innenministerium zur CSU geholt hat, aber dafür nun wohl selbst ins ungeliebte Berlin umziehen muss und dort fern der Heimat auch noch zusätzlich ein Heimat-Ressort aufbauen darf - ein Konzept, das ihm ausgerechnet sein verhasster bayerischer Nachfolger Markus Söder im Freistaat vorgelegt hat.
Wieviel Erneuerung, wieviel Stillstand diese neue Große Koalition dem Land bringen wird, kann jetzt noch kein Mensch sagen. Aber sollte hier tatsächlich ein Politikwechsel stattfinden, dann wird er von der SPD kommen: eine klar auf europäische Solidarität ausgerichtete Finanz- und Außenpolitik.
Der müssen jetzt nur noch die SPD-Mitglieder zustimmen. Sollten sie es nicht tun, gibt es bald Neuwahlen, neue Sondierungsgespräche, neue Koalitionsverhandlungen - und Deutschland wäre endgültig gefangen in einer Zeitschleife.