Große Koalition Union geht bei Doppelpass auf SPD zu

CSU-Chef Seehofer: Ruhende Staatsbürgerschaft statt Optionszwang
Foto: Hannibal Hanschke/ dpaBerlin - CDU und CSU wollen nach jahrelangen Diskussionen das deutsche Staatsbürgerschaftsrecht reformieren und gehen dabei erstmals auf die SPD zu. Angedacht ist, den sogenannten Optionszwang abzuschaffen, der überwiegend die Gruppe der Deutsch-Türken betrifft.
Um eine doppelte Staatsbürgerschaft zu verhindern, sieht diese Regelung bislang vor, dass sich in Deutschland geborene Kinder mit ausländischen Eltern bis zu ihrem 23. Lebensjahr entscheiden müssen, ob sie die Staatsbürgerschaft ihrer Eltern wählen oder die deutsche.
"Ich frage mich, ob es noch Sinn macht, die jungen Leute zwischen 18 und 23 Jahren durch diese Zerreißprobe zu jagen", sagte CSU-Chef Horst Seehofer dem SPIEGEL. "Die Bereitschaft, sich in Deutschland zu integrieren, erhöht dies nicht."
Die Regelung war 1999 von der rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder eingeführt worden, nachdem die Union unter anderem mit einer umstrittenen Unterschriftenaktion die Möglichkeit zur doppelten Staatsbürgerschaft verhindert hatte.
Friedrich will Seehofer-Vorschlag nicht einmal verhandeln
Seehofer schwebt als Beispiel ein Modell einer ruhenden Staatsbürgerschaft vor. Danach könnte ein Doppelstaatler seine Rechte dort ausüben, wo sein Lebensmittelpunkt ist, die aus der anderen Staatsbürgerschaft würden derweil ruhen.
Auch Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU), CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe und der Chef der NRW-CDU, Armin Laschet, können sich nach Informationen des SPIEGEL Änderungen beim Optionszwang vorstellen. Eine entsprechende Bereitschaft hatten Kanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Seehofer dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel vor Beginn der Koalitionsverhandlungen signalisiert.
Heftige Kritik an den Überlegungen gibt es von Seehofers Parteifreund, Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, und den Innenpolitikern in der Union. "Es ist ein Denkfehler zu glauben, allein die doppelte Staatsangehörigkeit fördert die Integration", sagte Friedrich dem SPIEGEL.
Bei einer internen Vorbesprechung der Unionspolitiker für die entsprechende Koalitionsarbeitsgruppe am vergangenen Donnerstag in der bayerischen Landesvertretung lehnte Friedrich es sogar ab, einen Reformvorschlag für die Koalition zu erarbeiten. Das sei dann eben Sache der Parteivorsitzenden, wird Friedrich von Teilnehmern zitiert.
SPD will den Verkehrsminister stellen
Unterstützung erhält er vom CDU-Innenexperten Wolfgang Bosbach, der die CDU nach dem Aus für Wehrpflicht und Atomkraft vor der nächsten Kehrtwende warnt. Bosbach will der SPD einen anderen Kompromiss anbieten: "Beim Thema Mindestlohn musste jedem klar sein, dass wir bei einer Großen Koalition der SPD entgegenkommen müssen", so Bosbach. "Aber das gilt doch nicht für die generelle Hinnahme der doppelten Staatsangehörigkeit."
Auch die SPD denkt über weitere Kompromissangebote für eine mögliche Große Koalition nach: So ist die Parteiführung nach SPIEGEL-Informationen bereit, das Finanzministerium der Union zu überlassen und dafür Zusagen in anderen Bereichen erhalten: So will die SPD sieben Minister stellen. Insbesondere soll die Partei am Verkehrsministerium interessiert sein. Dessen Etat soll nach dem Willen von Union und SPD in der kommenden Legislaturperiode um mehrere Milliarden Euro erhöht werden.