Grün-Schwarz in Baden-Württemberg Saure Kiwi für die CDU-Basis

CDU-Landesvorsitzender Strobl, Ministerpräsident Kretschmann, CDU-Fraktionschef Wolf
Foto: Christoph Schmidt/ dpaZu Lebzeiten galt Lothar Späth als einer, der gern Strippen zieht und Projekte anschiebt. In dieser Hinsicht hätte der verstorbene Ex-Ministerpräsident wohl einige Freude an seiner Trauerfeier gehabt.
Während sich in der Stuttgarter Stiftskirche am Mittwoch Blumengebinde in den Landesfarben reihten und Stargeigerin Anne-Sophie Mutter Werke von Bach erklingen ließ, saßen schwarze und grüne Politiker in den vorderen Kirchenbänken Seit an Seit - und umwarben einander mit freundlichen Worten.
"Lothar Späth stand immer für eine offene und moderne CDU", sagte der Landesvorsitzende Thomas Strobl in ein Mikrofon, ehe er die Kirche betrat. Drinnen begrüßte der grüne Landesvater Winfried Kretschmann "ganz herzlich" seine Vorgänger von der CDU, Erwin Teufel und Stefan Mappus, bevor er in seiner Rede das Vermächtnis des schwäbischen Cleverles bemühte: "Späth machte uns vor, dass gerade Niederlagen Auslöser für einen produktiven Neubeginn sein können."
Die Worte richteten sich an Kretschmanns designierten Koalitionspartner, die CDU, die nach der krachenden Niederlage bei der Landtagswahl wohl in die Regierung einziehen wird - als Juniorpartner der Grünen.
Die Koalitionsverhandlungen beginnen nun, am Freitag treffen sich die Parteien zu einem Vorbereitungsgespräch. Schon am 12. Mai soll Kretschmann als Ministerpräsident wiedergewählt werden, von einer bundesweit einzigartige Mehrheit: einer Kiwi-Koalition, grün mit schwarzen Einsprengseln.
Die CDU ringt mit sich
Der Union schmeckt die Kiwi indes deutlich saurer als den Grünen. Dass die grün-schwarze Premiere kein Selbstläufer wird, das wurde bereits am Mittwochabend deutlich. Die entscheidende Sitzung des CDU-Landesvorstands und der 41 CDU-Kreisvorsitzenden zog sich wegen vieler Wortmeldungen über Stunden bis spät um halb zehn hin.
"Es fällt schwer, dass wir die Gegnerschaft, die es im Wahlkampf gegeben hat, hinter uns lassen", sagte Parteichef Strobl, als er den letztlich einstimmigen Beschluss für Verhandlungen mit den Grünen bekannt gab. Strobl sprach vom "staatspolitischen Verständnis" der CDU, es klang wie ein Appell an seine Partei. Spitzenkandidat Guido Wolf berichtete, dass bei seinen Parteifreunden von Skepsis bis Lust aufs Mitregieren alle Gefühle vertreten seien. "Jetzt wird es ernst."

CDU-Landeschef Strobl, Fraktionsvorsitzender Wolf
Foto: Christoph Schmidt/ dpaBald müssen auch Strobl und Wolf offenbaren, was sie wollen. Für Strobl, stellvertretender Fraktionschef im Bundestag, wäre es folgerichtig, einen Kabinettsposten in Stuttgart anzunehmen, womöglich als Innenminister. Sollte Kretschmann, 67, einmal abtreten oder es der Union gelingen, die alte Hackordnung wieder herzustellen, hätte er gute Chancen auf das Amt des Ministerpräsidenten.
Wolfs Aussichten sind trüber. Zwar ließ er sich zwei Tage nach der Wahl als Vorsitzender der von 60 auf 42 Köpfe dezimierten Landtagsfraktion bestätigen. Doch ob die Fraktion Wolf diese machtvolle Position weiterhin zugesteht, ist ungewiss. Zu groß wäre das Risiko, bei sichtbaren Konflikten zwischen Strobl und Wolf als zerstrittener Haufen dazustehen. Man werde sich womöglich "nach den Verhandlungen personell neu aufstellen", sagt ein Vorstandsmitglied. Vielleicht wechselt auch Wolf ins Kabinett.
Weil dort die meisten amtierenden Minister der Grünen als gesetzt gelten, verbleiben für die CDU die Ministerien, die die SPD bald frei machen muss, etwa Inneres, Justiz, Arbeit und Soziales. Die bislang von SPD-Chef Nils Schmid verantworteten Ressorts Wirtschaft und Finanzen werden wohl wieder getrennt, dafür das von der SPD eingeführte Integrationsministerium abgeschafft und dessen Aufgaben einem anderen Haus zugeschlagen.
Nicht ohne die Basis
Nach drei Sondierungsrunden zeichnen sich bereits die inhaltlichen Schwerpunkte der potenziellen Kiwi-Koalitionäre ab. Sie wollen eine Digitalisierungsoffensive und eine solide Haushaltspolitik. Die Grünen machen sich für eine nachhaltige Wirtschaftspolitik stark, die CDU möchte Polizei und Sicherheitsdienste besser ausstatten. In der Bildungspolitik könnte es ein grün-schwarzes Arrangement geben. Die Gemeinschaftsschulen, eingeführt von Grün-Rot, bleiben bestehen, zugleich werden die Realschulen gestärkt.
Doch jede Einigung steht unter dem Vorbehalt, dass die Basis beider Parteien zustimmt. Das gilt bei den einst so diskussionsfreudigen, mittlerweile aber disziplinierten Grünen als sicher, sie werden lediglich einen Parteitag ansetzen.
Anders die CDU: Dort fordern einzelne Kreisverbände eine Befragung der mehr als 60.000, zumeist betagten Mitglieder. Ein Szenario, das die Parteiführung verhindern will, weil der Ausgang einer solchen Befragung unsicher wäre. Sie will sich den Segen der Basis auf anderen Wegen abholen, zum Beispiel in Mitgliederkonventen.
"Wir werden erhebliche Schwierigkeiten haben, unserer Basis das Ergebnis der Verhandlungen zu verkaufen", sagt Wolfgang Reinhart, Mitglied im Vorstand der Landtagsfraktion. "Die Handschrift der Union muss deshalb sichtbar werden."