Grüne Parteiaustritte nach Kosovo-Kompromiß

Erleichterung in der Grünen-Parteispitze: Nach hitzigem Ringen und einer Farbbeutelattacke gegen Joschka Fischer hat der Sonderparteitag einem Kompromißantrag des Vorstands zugestimmt. Danach kann der Außenminister seinen Kurs weitgehend fortsetzen, soll sich aber für eine befristete Feuerpause der Nato gegen Jugoslawien einsetzen.

Bielefeld - Die Grünen-Fraktionschefin Kerstin Müller sagte im "ARD-Brennpunkt" am Donnerstag, sie sei stolz auf den Beschluß. Er habe der Regierung Spielraum verschafft. Das Ja zum Einsatz militärischer Mittel im Ausnahmefall bedeute nicht, daß die Grünen für Krieg als Mittel der Politik seien. Sie räumte jedoch ein, daß es sich um einen Einschnitt für eine Partei handele, die aus der Friedensbewegung komme.

So gab es auch folgerichtig nach dem Bielefelder Sonderparteitag der Grünen erste Parteiaustritte. Dennoch sehen führende Mitglieder keine Gefahr einer Spaltung der Partei. Bundesumweltminister Jürgen Trittin sagte, die Mehrheit und die Minderheit seien fair miteinander umgegangen. "Wir sind und bleiben eine lebendige und streitbare Partei." Eine Krise der Grünen gebe es nicht.

Vorstandssprecherin Antje Radcke sagte in den "ARD-Tagesthemen" ebenfalls, die Partei stehe nicht vor einer Spaltung. Sie kritisierte gewalttätige Parteitagsteilnehmer, die unter anderem Bundesaußenminister Joschka Fischer mit einem Farbbeutel beworfen und dabei am Ohr verletzt hatten. Zwei Dinge paßten nicht zusammen: gegen den Krieg und selbst gewalttätig zu sein, sagte sie.

Auf dem Parteitag hatte sich der Bundesvorstand mit einem Antrag zum Kosovo-Krieg gegen die Parteilinke durchgesetzt. Der Kompromißlinie des Parteivorstandes folgten nach kontroverser und emotional aufgeladener Debatte schließlich 444 Delegierte und sprachen sich damit mehrheitlich für eine befristete Feuerpause im Nato-Luftkrieg gegen Jugoslawien aus. Auch stärkten sie damit die rot-grüne Koalition und Fischers Position. Die Linken hatten einen unbefristeten und bedingungslosen Stopp der Nato- Luftangriffe auf Jugoslawien gefordert. Deren Gegenantrag erhielt nur 318 Stimmen.

Einige Linke erklärten im Anschluß an den Parteitag einem Bericht der "ARD-Tagesthemen" zufolge ihren Parteiaustritt. Es habe unmittelbar nach dem Kongreß ein Treffen mit dem Grünen-Mitbegründer Eckhard Stratmann-Mertens gegeben, der kurz zuvor seinen Austritt mitgeteilt hatte. Mehrere Parteimitglieder seien ihm aus Protest gegen den Kompromiß der Delegiertenversammlung gefolgt.

Ein äußerst angespannt wirkender Fischer hatte zuvor die Delegierten vor radikalen Beschlüssen auf der Linie der Linken gewarnt. "Ich werde das nicht umsetzen, wenn Ihr das beschließt", hatte er den rund 800 Delegierten sichtlich erregt zugerufen. Seine Schlüsselrede wurde immer wieder von Buh-Rufen, Trillerpfeifen und lauten Beschimpfungen wie "Kriegshetzer" und "Heuchler" gestört. Dennoch erhielt der Außenminister am Ende seines halbstündigen Auftritts aber von einer deutlichen Mehrheit minutenlang stehend Beifall. Fischer war zuvor mit einem roten Farbbeutel beworfen worden und hatte dabei leichte Risse im Trommelfell erlitten.

Vertreter des linken und pazifistischen Flügels mit der nordrhein-westfälischen Umweltministerin Bärbel Höhn und dem Berliner Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele an der Spitze hatten ungeachtet aller Warnungen aus dem realpolitischen Lager um Fischer an ihren radikalen Positionen festgehalten. Zugleich betonten sie, sie wollten damit ein klares Zeichen für ein Ende des Krieges setzen, aber nicht die rot-grüne Koalition in Gefahr bringen.

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