Grünen-Chef Bütikofer "Man kann Ja sagen zu den Tornados"

Bei den Afghanistan-Einsätzen der Bundeswehr ist die Grünenspitze uneins, wegen der Tornado-Jets hat die Basis ihnen einen Sonder-Parteitag aufgezwungen. Im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE erklärt Parteichef Reinhard Bütikofer, warum er für die Jets ist und Enthaltungen ablehnt.

SPIEGEL ONLINE: Herr Bütikofer, im Leitantrag des Bundesvorstandes für Ihren Sonderparteitag Mitte September zum Thema Afghanistan gibt es eine bemerkenswerte Passage: "Die bisherige Diskussion und die Situation vor Ort spricht aus Sicht von Bündnis90/Die Grünen für/gegen einen weiteren Tornado-Einsatz". Was ist der Zweck dieses Ankreuz-Antrages?

Bütikofer: Es ist ja kein Geheimnis, dass wir in der Führung verschiedene Einschätzungen haben. Das hat sich ja auch bei der Bundestagsabstimmung im März gezeigt. Ich bin der Meinung, dass die Erfahrung, die man bis jetzt mit dem Einsatz der Tornados in Afghanistan hat, eher für die Fortsetzung dieses Engagements spricht. Sie haben eine große Bedeutung für die Sicherheit der deutschen Isaf-Soldaten, von denen wir uns einig sind, dass sie dort bleiben sollen. Viele Befürchtungen, etwa dass die Jets als Hilfstruppe für den Anti-Terror-Einsatz OEF missbraucht würden, haben sich nicht bestätigt, nach allem, was man weiß. Andere sehen das anders. Und es wäre unehrlich, das zu leugnen. Die Partei hat jetzt die Gelegenheit, das zu entscheiden.

SPIEGEL ONLINE: Die Ungewöhnlichkeiten des Antrages haben da noch kein Ende. Sie werfen die Frage auf, ob eine Enthaltung ihrer Abgeordneten bei der kombinierten Abstimmung zum Isaf- und Tornado-Einsatz im Herbst im Bundestag nicht am besten wäre. Ist eine Enthaltung nicht ein eher schwaches Signal?

Bütikofer: Ich werbe nicht für eine Enthaltung, sondern für ein Ja. Das liegt nahe, weil ich sowohl für Isaf als auch nicht gegen die Tornados bin. Aber es gibt viele bei uns, die entschieden für Isaf und genau so entschieden gegen die Tornados sind. Im Frühjahr, als beide Mandate getrennt abgestimmt wurden, konnte man das differenziert zum Ausdruck bringen. Die stark von parteitaktischen Gründen bestimmte Entscheidung der Bundesregierung, beide Mandate zusammen zu beschließen, nimmt diese Möglichkeit. Der Parteitag wird zu diskutieren haben, ob eine Enthaltung die richtige Entscheidung ist. Für wünschenswert halte ich eine Enthaltung nicht.

Akteure, Mandate und Konflikte in Afghanistan

SPIEGEL ONLINE: Und stehen damit im Gegensatz zu Ihrer Ko-Vorsitzenden Claudia Roth, die heute in der "tageszeitung" für die Enthaltung plädiert…

Bütikofer: Was heißt hier Gegensatz? Man sieht dem Antrag an, dass wir verschiedene Meinungen haben, aber Diskussion statt Konfrontation wollen. Das ist der richtige Umgang mit dem Thema.

SPIEGEL ONLINE: Sie haben als Grüne immer betont, wie wichtig es Ihnen ist, dass Sie im Einklang mit der Regierung in Afghanistan agieren und diese nicht im Stich lassen. Würde eine kollektive Enthaltung nicht ein missverständliches Signal nach Kabul senden?

Bütikofer: Es kommt ja auch drauf an, wie man die Debatte führt. Ich gehe davon aus, dass wir sie so führen werden, dass auf jeden Fall das Signal rüberkommt: Wir wollen am Isaf-Mandat festhalten. Die zweite Botschaft wird sein, dass unser Wille, an der Verantwortung festzuhalten, mit der Fähigkeit und der Bereitschaft gepaart ist, falsche Entwicklungen zu korrigieren.

SPIEGEL ONLINE: Sie fordern in Ihrem Antrag mehr politische Initiative.

Bütikofer: Der entscheidende Strategiewechsel in militärischer Hinsicht muss darin bestehen, OEF einzustellen. OEF ist kontraproduktiv und führt dazu, dass der Widerstand gegen den zivilen Wiederaufbau wächst. Wir wollen außerdem, dass afghanische Sicherheitsbehörden schneller und besser aufgebaut werden. Das ist bislang ein Trauerspiel. Auch die EU-Polizeimission ist blockiert durch Abstimmungsprobleme. Was den politischen Prozess angeht, schließen wir uns Präsident Hamid Karzai an: Mit denjenigen Kräften der Aufstandsbewegung, die bereit sind, sich auf einen verfassungsgestützten, politischen Prozess einzulassen, muss man reden. Das heißt nicht, dass wir das tun sollen. Sondern dass wir es unterstützen, wenn die afghanische Regierung das tut.

SPIEGEL ONLINE: In dem Leitantrag kritisieren Sie die Bundesregierung dafür, dass sie noch keine Bewertung des Tornado-Einsatzes vorgelegt hat, die ja eine Entscheidungshilfe hätte sein können. Sie sind trotzdem für das Mandat. Unter den Spitzengrünen stehen Sie damit ziemlich alleine.

Bütikofer: Nein, allein bin ich nicht. Das werden Sie noch erleben, wenn Sie mehr Stimmen hören. Aber selbst wenn es so wäre, muss ich meine Argumente vortragen. Grüne politische Kultur besteht darin, dass wir Argumente ins Feld führen und nicht einfach abzählen. Unabhängig von meiner Position will ich trotzdem eine ausreichende Berichterstattung durch die Regierung.

SPIEGEL ONLINE: Unter den Spitzengrünen hat derweil der Wettbewerb um die aussichtsreichste Position für die nächste Vorsitzendenwahl und die Spitzenkandidatur 2009 begonnen. Können Sie es sich angesichts dessen und der deutlichen Tornado-Skepsis an der Parteibasis eigentlich leisten, Ihre Position offensiv zu vertreten und dafür zu werben?

Bütikofer: Nehmen Sie doch ernst, dass wir um die Sache streiten. Aber mal angenommen, es ginge um persönlichen Wettbewerb: Was wäre das für eine Empfehlung, nicht zu den eigenen Argumenten zu stehen? Ich meine, dass man zu den Tornados ja sagen kann, zu Isaf ja sagen und OEF ablehnen muss – und das werde ich in Göttingen auch so sagen.

Das Interview führte Yassin Musharbash

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