Asyldebatte auf Parteitag Grüne wollen die Guten sein

Grünen-Parteitag in Hamburg mit kurdischen Aktivisten: Abrüsten bei Asyl
Foto: Jens Büttner/ dpaVerrat. Eingeknickt. Ein verantwortungsloser Grüner. Die Vorwürfe an Winfried Kretschmann nach dem von ihm ermöglichten Asylkompromiss waren brutal. Nun steht der baden-württembergische Ministerpräsident am Rednerpult des Parteitags - und schon nach wenigen Minuten ist erkennbar, dass dieser Samstagnachmittag eher ein Spaziergang für Kretschmann als ein Spießrutenlauf werden wird.
Keine Zwischenrufe, keine Störmanöver aus dem Saal. Zwar läuft die obligatorische Delegation der Grünen Jugend nach ein paar Minuten auf und stellt sich mit einigen Plakaten vor das Rednerpult, um gegen Kretschmanns Position zu protestieren, aber schon wenig später rücken sie brav auseinander und machen wieder Platz für den Stuttgarter Regierungschef. "Nein, einfach Nein" ist auf einem der Schilder zu lesen.
Doch so einfach ist es eben nicht in der Asyldebatte. Und das haben nach der innerparteilichen Eskalation wegen Kretschmanns Entscheidung im Bundesrat offenbar die meisten in der Partei erkannt. Anstatt noch mal übereinander herzufallen, wollen sich die Grünen beim Thema Flüchtlinge unterhaken. "Ich war anderer Meinung als Kretschmann", sagt Parteichefin Simone Peter. Aber solche Differenzen "die müssen, die können wir aushalten". Peter macht klar: "Unser Gegner ist die Große Koalition.
Die Botschaft der Grünen beim Thema Asyl soll sein: 'Wir sind doch die Guten.'
Kretschmann stimmte Gesetz der Großen Koalition zu
Kretschmann hatte Mitte September einem Gesetz der Großen Koalition zugestimmt, das Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien zu sogenannten sicheren Herkunftsstaaten erklärt und damit die Abschiebung von Flüchtlingen aus diesen Ländern erleichtert - er sah die dafür zugesagten Erleichterungen für hier bereits lebende Flüchtlinge als akzeptabel an. In der Sporthalle Hamburg versucht Kretschmann nun zu erläutern, wie er zu dieser Entscheidung kam. Und wie schwer er sich mit ihr getan hat.
"Ich habe skrupulös mit mir gerungen", sagt Kretschmann. Der Ministerpräsident redet an diesem Nachmittag noch langsamer und eindringlicher als sonst. Natürlich wisse er, wie problematisch die Regelung der sicheren Herkunftsländer sei, sagt Kretschmann, und wie fundamental sie dem individuellen Recht auf Asyl widerspreche. Gerade für die Grünen, "weil sich keine andere Partei mit solcher Beharrlichkeit für Flüchtlinge einsetzt". Aber er bleibe dabei: Die dafür erreichten Verbesserungen sind "massiv". Vor allem, weil nun die Hälfte der hier lebenden Flüchtlinge endlich arbeiten könne.
Langanhaltender Beifall für Kretschmann
Seine Landesregierung, darauf besteht Kretschmann, tue alles in ihrer Macht stehende für die Flüchtlinge. Die CDU dagegen, die propagiere die Abschiebung Zigtausender im Südwesten. Mit anderen Worten: 'Die Bösen, das sind die anderen.' Kretschmann bekommt langanhaltenden Beifall, ein Teil der Delegierten applaudiert stehend.
Theresa Kalmer, die Chefin der Grünen Jugend, spricht nach Kretschmann. Sie kritisiert seine Position, spricht von einem "historischen Bruch". Aber auch Kalmer appelliert an die Partei, beim Thema Asyl "nach vorne zu schauen". Genau wie Ska Keller, die Flüchtlingspolitikerin aus dem Europaparlament. Es gibt Redner, die davon berichten, wie "traurig und wütend" sie nach dem Asylkompromiss waren. Aber die Auseinandersetzung bleibt erstaunlich mild, keiner der Kretschmann-Kritiker greift den Ministerpräsidenten persönlich an.
Man will die Reihen beim Thema Flüchtlinge wieder schließen, das ist das Ziel des Parteitags und des Antrags, den die Delegierten verabschieden. Und noch etwas ist erkennbar: Nach dem Kommunikationsdebakel beim Asylkompromiss will man sich künftig besser miteinander abstimmen, vor allem zwischen dem Bund und den Regierungs-Grünen in den Ländern.
Ob das gelingt, kann die Partei schon bald beweisen: Es stehen weitere Entscheidungen in der Flüchtlingspolitik an, bei denen die Grünen über den Bundesrat mitbestimmen können - und erneut unterschiedliche Bewertungen in Berlin und den Ländern möglich sind. Das gilt wohl auch beim Thema TTIP, das ebenfalls irgendwann im Bundesrat aufgerufen werden dürfte. In einem sind die Grünen dabei schon einig: Eine Eskalation wie im September darf es nicht wieder geben.