Einladung zum Club der Mächtigen Trittin und sein Bilderberg-Problem

Es ist ein vertraulicher Zirkel: Einmal im Jahr treffen sich die Entscheider dieser Welt zur Bilderberg-Konferenz - diesmal war auch Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin dabei. Der muss sich jetzt für seine Teilnahme rechtfertigen, auch Parteifreunde sind erstaunt.
Grünen-Fraktionschef Trittin: Teilnahme an Bilderberg-Konferenz wirft Fragen auf

Grünen-Fraktionschef Trittin: Teilnahme an Bilderberg-Konferenz wirft Fragen auf

Foto: Matthias Rietschel/ DAPD

Berlin - Die Liste der Teilnehmer liest sich wie ein weltweites Who's who der Mächtigen: Industriebosse vom ganzen Globus trafen sich am Wochenende in Chantilly im US-Bundesstaat Virginia zur 60. Auflage der sagenumwobenen Bilderberg-Konferenz, ebenso wie Regierungschefs und Anführer von Verbänden und Organisationen wie der Weltbank oder der WTO. Und Jürgen Trittin, Fraktionschef der Grünen im Bundestag.

Was Trittin in Chantilly zu suchen hatte? Ausgerechnet ein Grüner, der den linken Flügel seiner Partei repräsentiert?

Für die "Wirtschaftswoche" ist die an wechselnden Orten stattfindende Bilderberg-Konferenz der "am meisten bewunderte Zirkel der Macht"; Kritiker aus dem Kreis der Globalisierungsgegner würden wohl eher vom gefährlichsten Zirkel der Macht sprechen. Für diese Szene, der auch viele Grüne nahestehen, stellt das Treffen - benannt nach dem Gründungsort im Hotel de Bilderberg, wo man sich 1954 zum ersten Mal in exklusiver Runde versammelte - eine Art informelle, undemokratische Weltregierung dar.

Auch in der Welt der Verschwörungstheoretiker hat die Bilderberg-Konferenz einen Stammplatz; dort rangiert sie fast schon als eine Art Geheimloge. Pech für Trittin: Solche Ansichten sind auch in seiner eigenen Klientel verbreitet.

Grünen-Politiker Trittin jedenfalls sieht sich seit der Rückkehr von seiner US-Reise, bei der er sich mit Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon und anderen hochrangigen Gesprächspartnern traf, einer Welle des Unverständnisses und vielen Fragen gegenüber. Mancher nimmt ihm schon übel, dass nicht im Vorhinein über die Bilderberg-Teilnahme informiert wurde. Trittins Sprecher hatte alle wichtigen Gespräche in den USA angekündigt, nicht aber die Konferenz in Virginia. Verschwörungstheoretiker sehen darin erst recht ein Argument für den aus ihrer Sicht so sinistren Charakter der Veranstaltung.

Unmut macht sich breit

Einiges an Unmut ist direkt in Trittins Büro eingegangen, andere Kritiker lassen auf seiner Facebook-Seite Luft ab. "Ich finde das auch unfassbar. Ein Grünen-Politiker kungelt mit der Finanzelite", schreibt ein Kommentator dort. Ein anderer meint: "Würde mich mal auch brennend interessieren, was ein Grüner bei diesem 'Club' so treibt." Dazu kommen zahlreiche Einträge in allerlei Foren und auf Internetseiten, die Trittins Bilderberg-Teilnahme teilweise in der Luft zerreißen. Man findet sogar ein Bild, auf dem angeblich die Chantilly-Ankunft des Grünen-Politikers in einer verdunkelten Limousine zu sehen ist.

Jürgen Trittin wusste, so ist zu hören, worauf er sich mit seiner Anwesenheit im Kreis der Mächtigen von Virginia einlässt. Aber vielleicht ist der Grünen-Politiker doch ein bisschen überrascht, wie harsch nun die Reaktionen ausfallen. Jetzt geht Trittin jedenfalls in die Offensive: Auf seiner Homepage hat er eine Art Selbst-Interview zur Bilderberg-Teilnahme veröffentlicht.

"Nachdem es eine Reihe von Fragen zu der Konferenz sowie meiner Teilnahme hieran gegeben hat, seien hier die häufigsten beantwortet", schreibt Trittin. Demnach wurde er von einem Journalisten der "Zeit" zur Bilderberg-Konferenz eingeladen, die Kosten der Teilnahme trage er selbst. "Aktuelle Themen wie die transatlantischen Beziehungen, die aktuelle EU-Schuldenkrise, Fragen zur internationalen Energiepolitik und Cyber-Security" seien besprochen worden, berichtet Trittin. "Ich habe dort nichts anderes vertreten als anderswo." So habe er "für eine Abkehr vom einseitigen Sparkurs in Europa" geworben, "für eine Steuer auf Finanzgeschäfte und für eine Vermögensabgabe, um Krisenverursacher und Vermögende an den Kosten der Krise zu beteiligen".

Trittin verwahrt sich gegen Kritik

Trittins grundsätzlicher Eindruck von der Konferenz: "Nach meinem Eindruck unterscheidet sie sich wenig von vielen anderen Konferenzen, bei denen Manager, Wissenschaftler und Politiker zusammentreffen." Dass sie vertraulich stattfänden, darin könne er keinen Nachteil erkennen. Ohnehin hält Trittin die Kritik für nicht gerechtfertigt. "Es ist falsch, Gesprächs- und Kontaktverbote aufzustellen", schreibt er. "Es geht nicht darum, wen ich treffe, sondern was ich ihnen zu sagen habe." Trittins Ansage: "Grüne Überzeugungen müssen gerade auch dort platziert werden, wo sie noch nicht aktiv vertreten werden."

Unterstützung bekommt er dafür von Sven Giegold, grüner Europa-Parlamentarier und einer der lautesten Globalisierungskritiker seiner Partei. "Ich bin gegen die Logik von Kontaktverboten", sagt Giegold. "Man sollte Einladungen immer annehmen, solange sie nicht von Massenmördern, Kriegsverbrechern, Rechtsextremen oder Antisemiten ausgesprochen werden."

Allerdings plädiert der ehemalige Attac-Kopf Giegold für "maximale Transparenz", wenn es um die Teilnahme bei Veranstaltungen wie der Bilderberg-Konferenz geht. Diese Einsicht ist bei Trittin offenbar erst im Nachhinein gereift.

Ein anderer Parteifreund vom linken Flügel zeigt weniger Verständnis für Trittins Teilnahme in Virginia. "Ich wäre da nicht hingefahren", sagt der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele. Die Bilderberg-Konferenz war ihm schon immer suspekt, 2005 stellte er sogar eine kleine Anfrage im Bundestag, nachdem Kanzlerin Angela Merkel seinerzeit zu dem Treffen gereist war.

Trittin ist übrigens nicht der erste Grünen-Politiker mit Bilderberg-Erfahrung: Auch Ex-Außenminister Joschka Fischer war schon bei der Konferenz, im Jahr 2008. Doch im Unterschied zu Trittin hatte er da seine aktive politische Karriere bereits beendet.

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