Einigung bei Grundrente Stresstest für die GroKo

Kanzlerin Merkel (CDU), Finanzminister Scholz (SPD): Wie reagiert die Unionsfraktion?
Foto: Kay Nietfeld/ DPASo viel Harmonie war selten bei den Genossen. Am Tag nach dem Showdown im Kanzleramt loben die Sozialdemokraten flügelübergreifend den Durchbruch bei der Grundrente. "Einmütig" habe das Präsidium den GroKo-Beschluss unterstützt, sagt die kommissarische SPD-Chefin Malu Dreyer. Und schwärmt geradezu: Die Halbzeitbilanz der Koalition sei dadurch "richtig gut abgerundet" worden. Soll heißen: Ein Ausstieg aus der GroKo nach diesem Erfolg wäre merkwürdig.
Aber nicht nur die GroKo-Befürworter in der SPD sind erleichtert. Auch Norbert Walter-Borjans lobt das Ergebnis, nach dem niedrige Renten von Menschen mit etwa 35 Beitragsjahren ab 2021 aufgestockt werden sollen. (Lesen Sie hier die Analyse zur Grundrenten-Einigung) "Von einem faulen Kompromiss kann man nicht sprechen", sagt der SPD-Politiker, der sich mit Saskia Esken um den Parteivorsitz bewerbt. Anders als ihre Gegenkandidaten Olaf Scholz und Klara Geywitz gelten die beiden als GroKo-skeptisch.
Walter-Borjans sagt dem SPIEGEL, er habe kein Problem damit, "gegenüber Scholz anzuerkennen, dass es bei der Grundrente in die richtige Richtung geht". Das sei aber auch dem Druck des Wettbewerbs um den Vorsitz geschuldet, ergänzt Walter-Borjans. Die SPD dürfe sich auf dem Erfolg nicht ausruhen, mahnt er, sondern müsse in der GroKo weiter für eine gerechtere Politik kämpfen.
Video: "Einen dicken Knoten durchschlagen"
Nach einem vorzeitigen Bruch des Bündnisses klingt das nicht. Dennoch ist der Stresstest der GroKo noch längst nicht beendet. Die ersten Hürden haben die Spitzen von Union und SPD in den Gremien genommen. Doch die eigentlichen Belastungsproben kommen noch.
JU und Mittelstandsunion lehnen Kompromiss ab
Am Montag wirkt es fast so, als gehe die größere Gefahr für die Zukunft des Bündnisses mittlerweile von der CDU aus. Auch wenn sich das Präsidium einstimmig hinter den Koalitionsbeschluss stellte. Im Parteivorstand gab es drei Gegenstimmen per Handzeichen. Eine davon kam vom Vorsitzenden der Jungen Union, Tilman Kuban. Er sagte, der Kompromiss bei der Grundrente sei so nicht finanzierbar. Es handele sich um eine zusätzliche Rentenleistung, die zu Lasten der jungen Generation gehe.
Auch der Wirtschaftsflügel geht mit der GroKo hart ins Gericht. Der Kompromiss, der eine Einkommens- statt einer Bedürftigkeitsprüfung vorsieht, sei "ungerecht und nicht umsetzbar", sagte Carsten Linnemann, Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsunion. Es handele sich um "eine Abkehr vom bisherigen Sozialstaatsprinzip, wonach Sozialleistungen nur die erhalten, die sie wirklich brauchen". Linnemann stimmte im CDU-Vorstand ebenfalls gegen den Koalitionsbeschluss.
Angespannt blicken CDU, CSU und SPD nun auf die Sitzung der Unionsfraktion am Dienstag. JU-Chef Kuban sagte, er sei mit vielen jungen Abgeordneten im Gespräch. Man werde die Ablehnung des Kompromisses auch in der Fraktion deutlich machen. Er werbe dafür, dass gerade die jungen Abgeordneten "klarmachen, dass wir für Generationengerechtigkeit stehen", so Kuban. "Und für Generationengerechtigkeit steht dieser Kompromiss leider nicht."
SPD verkneift sich das Triumphgeheul
Eine entscheidende Rolle kommt nun Ralph Brinkhaus zu. Der Fraktionschef, der seine Wahl nicht zuletzt einer Unzufriedenheit mit Kanzlerin Angela Merkel verdankt, hat sich lange gesträubt, der SPD bei der Grundrente zu weit entgegenzukommen. Nun zeigte er sich aber optimistisch, die Kritiker in den eigenen Reihen überzeugen zu können. Beide Seiten hätten sich bewegt, sagte Brinkhaus in der ARD.
In der SPD blicken einige mit Sorge auf die Situation in der CDU. Das erklärt auch, warum sich die Sozialdemokraten am Montag allzu lautes Triumphgeheul verkniffen. Dazu kommt: Auch wenn die Grundrente die Halbzeitbilanz für die SPD deutlich aufhübscht, ist weiter keineswegs sicher, wie die Delegierten auf dem Parteitag Anfang Dezember entscheiden.
Vorher brauchen die Genossen aber noch neue Parteivorsitzende. Das Rennen zwischen Scholz/Geywitz und Walter-Borjans/Esken geht am Dienstag in die nächste Runde: Dann treffen die Teams im Willy-Brandt-Haus aufeinander - zu ihrem zweiten Duell.