Grundsatzentscheidung Schwarz-Gelb baut das Schloss

Entwurf des Berliner Schloss-Neubaus: Quälende Debatte
Foto: ddpBerlin - Hier mitten in Berlin standen bis vor einem dreiviertel Jahr noch die Reste des Palastes der Republik, jetzt ist es eine Wiese. Und eigentlich sollte auf der Brache 2010 mit dem Neubau des begonnen und 2013/14 die Einweihung gefeiert werden. Doch jüngste Spekulationen über eine Verschiebung des Baubeginns, angeheizt durch Haushaltspolitiker der , haben Schlossgegner frohlocken lassen. "Die Fans des Berliner Stadtschlosses müssen sich warm anziehen", schrieb jüngst die links-alternative "taz".
Vielleicht war die Freude verfrüht.
Denn eines steht fest: Union und FDP wollen in ihrem Koalitionsvertrag ein Bekenntnis zum Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses abgeben. "Der Bundestagsbeschluss zum Bau des Humboldt-Forums am historischen Ort in der äußeren Gestalt des Berliner Stadtschlosses wird realisiert", heißt es in dem Schlussdokument der Arbeitsgruppe Familie/Integration/Kultur/Neue Medien, das der Großen Runde zugeleitet wurde. Die Passage, die SPIEGEL ONLINE am Mittwoch vorlag, sei in der Arbeitsgruppe unstrittig gewesen, hieß es aus Teilnehmerkreisen weiter.
Zumindest ein Problem haben die Befürworter des Schlossaufbaus damit gelöst. Das zweite - weit größere - ist noch ungeklärt. Wann das 1950 im Auftrag der SED gesprengte Stadtschloss wieder steht, ist nämlich noch offen. Über Fragen der Finanzierung und des möglichen Baubeginns findet sich in der Passage der Kulturpolitiker kein Hinweis. Aus Kreisen der künftigen Koalition hieß es aber am Mittwoch gegenüber SPIEGEL ONLINE, der Wiederaufbau des Stadtschlosses bleibe eine "feste Größe in der Kulturpolitik des Bundes".
Zugleich wurde auf Äußerungen der Bundeskanzlerin in der vergangenen Woche hingewiesen. Bei der Eröffnung des Neuen Museums in Berlin am 16. Oktober hatte Angela Merkel indirekt Bezug auf die jüngsten Meldungen genommen. "Die Regierung in all ihrer Vollmacht hat die intellektuelle Begründung verstanden und die finanzielle wird sie sich sicherlich noch durch das Parlament erbitten", so die CDU-Politikerin. Sie sei froh, dass so viele Bundestagsabgeordnete an der Veranstaltung im Neuen Museum teilnähmen. "Denn auf deren Beschluss ist Verlass", so die Kanzlerin. Und sie hatte mit Blick auf Vorhaben in der Bundeshauptstadt festgehalten: "Wir werden auch künftige Verpflichtungen sehr ernst nehmen".
Ein Hinweis in die eigenen Reihen?
Schließlich hatte sich während der laufenden Koalitionsberatungen im "Tagesspiegel" der Haushälter der Unions-Bundestagsfraktion, Steffen Kampeter, mit der Bemerkung zitieren lassen, im Finale wolle man entscheiden, ob der Bau aus Kostengründen verschoben werde. Grundsätzlich wolle zwar niemand am Bau des Humboldt-Forums rütteln, bevor man aber neue Schlösser baue, solle man erst einmal die bestehenden ordentlich sanieren, bemerkte der CDU-Politiker spitz.
Die Baukosten wurden zuletzt mit rund 550 Millionen Euro veranschlagt. Durch eine Verschiebung des Baustarts könne die Koalition einen Posten von rund 440 Millionen Euro freimachen, der dann für andere Vorhaben da sei, hieß es in Koalitionskreisen.
Stadtschloss-Befürworten bangen um das Prestige-Projekt
Das Thema ist heikel. Nach Jahren des öffentlichen Streits schien das Projekt unter der Großen Koalition endlich realisiert werden zu können. Dass ausgerechnet eine schwarz-gelbe Koalition den Schlossneubau verschieben könnte, hat die Befürworter beunruhigt. Aufgeschreckt durch die jüngsten Meldungen, wollten sie diese Woche zur Gegenoffensive starten. Für diesen Mittwoch hatten sie in Berlin zu einer Pressekonferenz geladen. Das Thema: Der Planungsstand des Vorhabens. Sprechen sollten der Staatssekretär im Bundesbauministerium, Engelbert Lütke Daldrup, und der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger. Doch es kam anders. Am Dienstagnachmittag wurde der Termin überraschend auf kommende Woche vertagt. Wegen "nicht verschiebbarer Terminverpflichtungen" Parzingers solle die Vorstellung am 26. Oktober stattfinden, so das Bundesbauministerium.
Das Projekt Stadtschloss steht ohnehin unter keinem guten Stern. Für Unruhe hatte jüngst der erfolgreiche Einspruch des Architekten Hans Kollhoff wegen Verfahrensfehlern vor dem Bundeskartellamt gesorgt. Der renommierte Architekt - er hat sich unter anderem mit einem spektakulären Klinker-Hochaus am Potsdamer Platz verewigt - hatte sich am Wettbewerb zum Schlossaufbau beteiligt. Sein Entwurf bekam einen der vier prämierten dritten Preise. Gewinner war der italienische Architekt Franco Stella, dessen Projekt nun nach der Entscheidung des Bundeskartellamts in der Schwebe ist. Gegen den Beschluss hat wiederum das Bundesbauministerium Beschwerde eingelegt. Eine erste Verhandlung ist für den 2. Dezember vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf geplant.
Schon damals hatte sich der CDU-Haushälter Kampeter empört gezeigt - und Noch-Bauminister Wolfgang Tiefensee (SPD) für die Panne vor dem Bundeskartellamt verantwortlich gemacht.
CDU-Politiker empört über Parteikollegen
Verärgert über die jüngsten Meldungen einer Verschiebung zeigte sich der Berliner CDU-Politiker Uwe Lehmann-Brauns. Das Stadtschloss dürfe nicht verschoben werden, meinte der Unionsmann. "Fast 20 Jahre waren nötig, um das Vorhaben gegen die Linke durchzukämpfen". Es wäre ein makaberes Signal, wenn ausgerechnet die zukünftige bürgerliche Bundesregierung den Schlossgegnern solch ein überraschendes Geschenk machte.
Der Geschäftsführer des Fördervereins Berliner Schloss, Wilhelm von Boddien, nannte die erneut entflammte Diskussion über eine Bau-Verschiebung "völlig absurd". Nach seinen Informationen handele es sich lediglich um vereinzelte Stimmen, die dies befürworteten. Er ist überzeugt: "Es gibt für diesen Vorschlag keine Chance auf eine Mehrheit in der Unions-Bundestagsfraktion".
Dass in dem Entwurf für den Koalitionsvertrag keine Finanzangabe steht, soll angeblich nicht erforderlich sein. So hieß es gegenüber dpa aus Koalitionskreisen, es gebe ja bereits eine entsprechende Beschlusslage des Bundestags. Außerdem habe auch schon die Stiftung Stadtschloss ihre Arbeit aufgenommen, der Direktor sei ernannt worden und die Haushaltsansätze 2010/2011 seien festgelegt: "Wer hier was ändern will, der müsste das erst einmal beantragen".