Grundsatzurteil Richter stärken Alleinerziehenden den Rücken
Karlsruhe - Es war das erste höchstrichterliche Urteil zum Betreuungsunterhalt, seit das neue Recht im Januar in Kraft getreten ist - mit entsprechender Spannung wurde es erwartet: Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat die Unterhaltsrechte von alleinerziehenden Müttern und Vätern grundsätzlich gestärkt. Diese müssen sich künftig nicht generell einen Vollzeitjob ab dem dritten Lebensjahr des Kindes suchen, sondern können unter Umständen auch über die gesetzliche Frist hinaus Unterhalt von ihrem Ex-Partner für die Betreuung bekommen.
Wenn vor der Trennung eine eheähnliche Gemeinschaft bestanden hat, kann sich der Unterhaltsanspruch dem BGH zufolge verlängern. Konkrete Verlängerungsfristen nannte das Gericht nicht. Der BGH spielte den Ball vielmehr zurück an die Fachgerichte, die darüber nun entscheiden müssen.
Der Bundesverband alleinerziehender Mütter und Väter nahm den Spruch aus Karlsruhe positiv auf. "Das Urteil wird mehr Klarheit bringen. Bisher hat es viele Graubereiche gegeben, und viele Richter waren verunsichert. Das wird sich nun ändern", sagte die Verbandsvorsitzende Edith Schwab.
Der Familiensenat des BGH wies außerdem darauf hin, dass eine ganztägige Berufstätigkeit nach dem dritten Lebensjahr des Kindes zu einer Überbelastung des betreuenden Elternteils führen könne. Auch wenn ein dreijähriges Kind ganztags in einem Kindergarten betreut werde, könne die volle Berufstätigkeit zu einer übermäßigen Beanspruchung führen. Auch hier forderten die Bundesrichter die Instanzgerichte auf, eine nach dem Alter der Kinder abgestufte Arbeitspflicht zu bestimmen, ohne selbst Zahlen zu nennen.
Denkbar ist, dass die Familiengerichte nun nach dem dritten Lebensjahr des Kindes zunächst eine Halbtagstätigkeit, später eine Zwei-Drittel- oder Ganztagstätigkeit verlangen. Das neue Unterhaltsrecht von 2008 sieht bei Scheidung oder Trennung nur noch einen Unterhaltsanspruch des betreuenden Partners bis zum dritten Lebensjahr des Kindes vor, lässt aber eine Verlängerung zu. Der BGH musste jetzt erstmals entscheiden, unter welchen Umständen die Verlängerung möglich ist.
BGH gibt nur grobe Linien vor
Der Deutsche Familiengerichtstag betonte, dass der BGH nur grobe Linien vorgegeben habe. So habe das Gericht etwa die wichtige Frage, "wie lange die Mutter im konkreten Fall nur eine eingeschränkte Erwerbsobliegenheit trifft, das heißt, wie lange sie nicht Vollzeit tätig sein muss", nicht selbst entschieden, sondern wieder dem Oberlandesgericht aufgebürdet, sagte die Vize-Vorsitzende des Familiengerichtstages, Isabell Götz, SPIEGEL ONLINE.
Im konkreten Fall hatte sich ein unverheiratetes Paar mit zwei gemeinsamen Kindern nach etwa fünf Jahren getrennt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte der Mutter bis zum sechsten Lebensjahr des jüngsten Kindes einen monatlichen Unterhalt von 216 Euro zugesprochen. Dieses Urteil wurde jetzt vom BGH aufgehoben. Das OLG muss den Fall neu entscheiden.
Der bisherige Antrag der Mutter wird allerdings nach dem neuen Urteil des BGH kaum Erfolg haben. Sie wollte unbefristet mehr als 1300 Euro monatlichen Unterhalt von ihrem früheren Lebensgefährten, einem Geschäftsführer. Der BGH stellte klar, dass sich ihr Unterhaltsanspruch nicht nach dem Einkommen des Partners richtet.
Da sie nicht verheiratet waren, richtet sich ihr Unterhaltsanspruch vielmehr nach ihren Lebensverhältnissen vor Geburt der gemeinsamen Kinder. Außerdem wird nach dem neuen Urteil zwar eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts zugebilligt, nicht aber eine unbefristete (Aktenzeichen: Bundesgerichtshof XII ZR 109 /05).
Familienrichterin Götz sagte SPIEGEL ONLINE, der BGH habe klargestellt, dass die Ansprüche verheirateter und nichtverheirateter Elternteile durch das neue Unterhaltsrecht einander weitestgehend angeglichen wurden. Beim Betreuungsunterhalt dürfe zwischen ehelich und nichtehelich geborenen Kindern nicht differenziert werden. "Aus diesem Grund kann auch - entsprechend der Regelung beim nachehelichen Unterhalt - ein Anspruch auf Verlängerung des Betreuungsunterhalts aus elternbezogenen Gründen in Betracht kommen, je eheähnlicher die nichteheliche Partnerschaft gelebt wurde", sagte Götz.
Lob von FDP und Grünen
Die Grünen und die FDP im Bundestag begrüßten das Urteil. Die Angleichung der Rechtslage von geschiedenen und nicht-verheirateten Müttern sei gestärkt worden, erklärten die Familien- und Frauenexpertinnen der Grünen, Irmingard Schewe-Gerigk und Ekin Deligöz. Der Anreiz für eine zügige Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit sei richtig, doch führe dies nicht automatisch zu einer Vollzeiterwerbspflicht.
Für die FDP-Fraktion erklärte die Rechtsexpertin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, den "tradierten Meinungen" in der Union zur Unterscheidung von Ehe und Partnerschaft sei durch das Urteil "endgültig eine Absage erteilt" worden.
phw/AP/dpa/AFP