Ärger um Afrikabeauftragten der Bundesregierung Von Despoten lernen

Der Afrikabeauftragte der Bundesregierung Günter Nooke hat einer Afrikanistin, die ihn kritisierte, mit dem Verlust ihrer Stelle gedroht. Nun werfen ihm Forscher vor, er wolle Kritiker mundtot machen.
Afrikabeauftragter Günter Nooke (l.), Minister Gerd Müller (CSU), Eritreas Machthaber Afewerki

Afrikabeauftragter Günter Nooke (l.), Minister Gerd Müller (CSU), Eritreas Machthaber Afewerki

Foto: imago/ photothek

Günter Nooke, 60, Afrikabeauftragter der Bundesregierung, steht seit einiger Zeit in der Kritik. Es heißt, ausgerechnet der frühere DDR-Bürgerrechtler und Merkels Mann für Afrika habe ein geschichtsvergessenes Afrikabild und urteile zu pauschal über den Erdteil mit mehr als 50 Ländern.

Spricht der Afrikabeauftragte über Afrika, macht er es sich manchmal sehr einfach: Dass es wirtschaftlich nicht läuft, liege auch am Wetter, findet Nooke. Bei "35 Grad" sei "die Arbeitsproduktivität auf dem Bau eine andere als hier". Afrika sei "anders", und zwar auch wegen "Clan-Strukturen" und "der Rolle von Stammesführern", sagte Nooke der Boulevardzeitung "B.Z.".

Europäische Entwicklungspolitik, die auch die Gleichheit vor dem Gesetz betont, findet der Afrikabeauftragte überholt: Deutschland habe "afrikanischen Regierungen genug Vorträge über Demokratie, Rechtsstaat und so weiter gehalten", sagte Nooke der "Zeit". Und im ZDF erklärte er, dass "in afrikanischen Staaten in gewissem Sinne auch autoritärer" regiert werden müsse.

Den bislang größten Unmut zog sich der CDU-Politiker mit seinen Ansichten zur europäischen Kolonialgeschichte zu: "Der Kalte Krieg hat Afrika mehr geschadet als die Kolonialzeit", sagte Nooke der "B.Z." . Außerdem habe der Kolonialismus "dazu beigetragen, den Kontinent aus archaischen Strukturen zu lösen".

Mit diesen Sätzen war für eine Reihe namhafter Afrikaforscher eine Grenze überschritten: In einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin warfen sie Nooke im November 2018 vor, er verbreite "koloniale Stereotypen" und "rassistische Untertöne". Wegen seiner "kolonialrevisionistischen Äußerungen" müsse Nooke gehen.

Dann passierte: fast nichts. Schon im Oktober hatte Nooke der "Süddeutschen Zeitung" erklärt, es liege ihm fern, "die Verbrechen der Kolonialzeit zu relativieren". Auf eine parlamentarische Anfrage hin erklärte das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), ein Vergleich von Kolonialzeit und Kaltem Krieg sei unangemessen.

Was Nooke seinen Kritikern zubilligte, war ein Gespräch. Und wegen dieses Treffens in Berlin stellt sich nun erst recht die Frage, ob Nooke noch Afrikabeauftragter sein sollte.

Anne Storch, Afrikanistin an der Universität Köln und Trägerin des Leibnizpreises

Anne Storch, Afrikanistin an der Universität Köln und Trägerin des Leibnizpreises

Foto: Henning Kaiser/ picture alliance / Henning Kaiser/dpa

Über den Termin am 13. Februar im BMZ sagen mehrere Vertreter der neunköpfigen Wissenschaftlerdelegation, es habe eine eisige Atmosphäre geherrscht. Nooke war von einem Anwalt flankiert und er habe "beleidigt" gewirkt.

Nooke selbst will sich auf mehrfache Nachfrage des SPIEGEL "zu der leidigen Angelegenheit" nicht äußern, heißt es aus seinem Büro. Mit der Vorbereitung einer Reise nach Kenia und Somalia habe er zu viel zu tun.

Bei dem Gespräch dabei war auch Matthias Theodor Vogt, Theaterwissenschaftler aus Görlitz, mit dem Nooke unter anderem im Feburar 2018 Kamerun bereiste. Laut Tagesordnung war Vogt "Moderator" des Treffens. Inquisitor aber hätte es besser getroffen, spotten Teilnehmer.

"Plumpe Drohgebärden"

"Schon während des Gesprächs wurde suggeriert, wir Wissenschaftler ohne feste Stellen sollten aufpassen, was wir sagen", erinnert sich Raija Kramer im Gespräch mit dem SPIEGEL, DFG-geförderte Professorin für Adamawa-Sprachen von der Universität Hamburg.

Auch aus Sicht der Afrikanistin und Leibniz-Preisträgerin Anne Storch hätten sowohl Nooke als auch Vogt versucht, die Kritiker einzuschüchtern. Mehrfach seien die Wissenschaftler mit befristeten Verträgen daran erinnert worden, sie mögen doch an ihre Zukunft denken. Storch zufolge habe Vogt dazu noch gesagt, er spreche hier "nicht die auf den gut dotierten Dauerstellen an".

Vogt erinnert sich ganz anders. Das Gespräch mit den Professoren sei zunächst gut verlaufen, sagte er dem SPIEGEL. Unter anderem mit der Kölner Afrikanistin Storch sei es harmonisch gewesen.

Storch und eine weitere Teilnehmerin erinnern, Nooke habe von der noch jungen Karriere Kramers gesprochen. Kramer ist Juniorprofessorin, in knapp drei Jahren entscheidet sich, ob sie ordentliche Professorin wird oder ob sie ohne Stelle dasteht. Sie war es, die für den Fachverband Afrikanistik die Rücktrittsforderung verschickt hatte. Storch sagte dem SPIEGEL, sie und ihre Kollegen hätten die Aussage Nookes und Vogts als "plumpe Drohgebärde" empfunden.

Bei Sprüchen blieb es nicht: Nach der Unterredung reichte Nooke der Wissenschaftlerin Kramer einen Umschlag. Darin: Eine 13-seitige "Einschätzung" zu dem offenen Brief der Afrikanisten.

Die sogenannte "Einschätzung", adressiert an das BMZ, enthält zunächst eine Sammlung von Komma- und Tippfehlern des Briefs, begleitet von Rechtfertigungen für Nookes Ausfälle in Sachen Kolonialismus. Außerdem in dem Schriftstück, das dem SPIEGEL vorliegt: Ein weiterer Hinweis auf Kramers unsicheres Anstellungsverhältnis, als "eine - bislang jedenfalls - öffentlich bestallte Juniorprofessorin".

Petzen beim Chef: "Den Präsidenten der Universität Hamburg" informieren

Den Afrikanisten unterstellt das Papier dann noch, von Afrika hätten sie keine Ahnung. Der Verfasser tut zudem so, als sei der Protestbrief gegen Nooke eine wissenschaftliche Arbeit Kramers, indem er ihr Plagiate, "Falschangaben" und "Verfälschen von Daten" vorwirft.

Das könnte man bizarr oder lustig finden - am Ende aber folgt eine Empfehlung, die es in sich hat: Das Ministerium solle "den Präsidenten der Universität Hamburg" informieren "unter Übersendung dieses Gutachtens" - also Kramers direkten Chef.

Außerdem solle Kramer "nach dem Gespräch" aber "vor der anschließenden Pressekonferenz" eine Kopie überreicht werden - ein Rat, den Nooke buchstabengetreu befolgte. Das Schreiben schließt mit dem Satz: "Alles weitere obliegt der Entscheidung des Dienstherren von Frau Kollegin Kramer."

Autor des Papiers ist Nookes guter Bekannter Vogt. Der Theaterwissenschaftler sagt, er sei "vom BMZ" beauftragt gewesen, die Einschätzung zu verfassen, was das Ministerium auf eine Nachfrage der Linken im Bundestag inzwischen bestätigt hat. Das BMZ erklärte aber auch: Kenntnis vom Inhalt des Papiers hätten nach Wissen der Bundesregierung nur Nooke, Professorin Kramer und der Autor.

Sollen hier Kritiker stumm gestellt werden?

Was Vogt ablieferte, und Nooke laut übereinstimmender Aussagen von Anwesenden übergab, sehen Kramer und ihre Kollegen als Versuch, den Ruf einer Wissenschaftlerin gezielt zu schädigen. Und als eigentlichen Zweck: Nookes Kritiker mundtot zu machen.

Das Schreiben wirkte. Ihre Teilnahme an der Pressekonferenz sagte Kramer nach dem Termin ab. Durch die Einschätzung Vogts und den Verweis auf ihren Vorgesetzten habe sie sich "bedroht" gefühlt.

Nooke sagt zu all dem nichts. Auch die Bundesregierung teilte dem SPIEGEL nur mit: Zu den Geschehnissen um das Gespräch am 13. Februar können man "derzeit keine eigene Bewertung abgeben".

Autor Vogt kann an seinem Schreiben, in dem er seine Professorenkollegin mit abenteuerlichen Vorwürfen überzieht, und das er gern in den Händen von Kramers Chef gesehen hätte, nichts bedrohlich finden. Das "Wissenschaftsgeschäft" sei eben "unglaublich hart". Trotz 13 Seiten, auf denen er Kramer unter anderem Wissenschaftsbetrug vorhält, nennt sich Vogt "nur Indiziensammler". Ihm seien einfach "Grammatikfehler und mangelnder Respekt" aufgefallen, ein Urteil erlaube er sich nicht.

Das müsse schon die Universität Hamburg tun.

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