Guttenberg bei Olympia Baron zu Stil und Bruch

Kunduz war gestern: Karl-Theodor zu Guttenberg kehrt zu seiner liebsten Rolle zurück - als Strahlemann der Politik. Bei den deutschen Olympia-Athleten in Vancouver inszeniert sich der Verteidigungsminister als Buddy der Sieger. Das falsche Signal zur falschen Zeit.
Von Christoph Schwennicke
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Operettenstar der Politik: Der talentierte Baron zu Guttenberg

Foto: DAVID HECKER/ AFP

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg

Ach ja, der Neid und die Missgunst, sie machen die Menschen schlecht. Was gab es nicht für voreilige Pamphlete, dass es sich beim neuen um einen Blender, mindestens aber um den größten Poser unter den deutschen Politikern handele. Seine großspurige Geste vor der buntfunkelnden Kulisse des Broadway in New York, seine smarte Khaki-Montur beim Truppenbesuch in Afghanistan, sein Posing im Karsai-Umhang vorm Zelt der Dorfältesten.

Verteidigungsminister

Böswillig wurde ihm unterstellt, seinen Auftrag als der Bundesrepublik Deutschland zu verwechseln mit dem Catwalk von "Deutschland sucht den Superstar".

Hätte man ihn doch erst einmal gefragt. Der Broadway-Schnappschuss? Eine Gefälligkeit für die Fotografen, die ihn überredet hatten, nach draußen zu gehen, um bessere Fotos schießen zu können. Der Khaki-Look von Afghanistan - ja, soll er sich denn seinen Anzug ruinieren, wenn er Präsenz zeigt im Sand bei seinen Soldaten? Der Karsai-Umhang vorm Zelt - was soll man schon dagegen machen, wenn einem ein Afghane in Gastfreundschaft einen Umhang über die Schultern legt - das kann man nicht verweigern wie einst Außenminister Klaus Kinkel den weißen Schal des Dalai Lama.

Armer, verkannter bescheidener Herr Guttenberg, Unschuld vom fränkischen Lande. Er hat eben Stil, guten Geschmack, weiß sich zu benehmen. In der etwas vergessenen Operette "Im weißen Rössl" gibt es ein Lied, das seine Lage in einen Refrain kleidet: "Was kann der Sigismund dafür, dass er so schön ist? Was kann der Sigismund dafür, dass man ihn liebt? Die Leute tun, als ob die Schönheit ein Vergehn ist - Man soll doch froh sein, dass es sowas Schönes gibt."

Besuch in Vancouver bei den sogenannten Soldaten

Doch der Neid der Männer hört nicht auf, wie bei Sigismund im "Weißen Rössl". Jetzt erst widerfuhr es dem unschuldig schönen Herrn zu Guttenberg, dass er zufälligerweise ohnehin einen Kurzurlaub in Kanada vorhatte und diesen kurzerhand mit einem Ausflug zu den deutschen Olympioniken nach Vancouver verband. Das ist deshalb sehr praktisch und irgendwie auch unausweichlich, weil es sich bei den deutschen Sporthoffnungen fast durchgehend um sogenannte Soldaten handelt, die auf Staatskosten professionell trainieren können und sich nicht um ihr Auskommen sorgen müssen.

Nun war in den vergangenen Tagen in Whistler und Umgebung keine deutsche Sportlerin und kein deutscher Skibob davor gefeit, vom Herrn Minister und seiner fotogenen Frau heimgesucht zu werden. Der Mann absolvierte eine Art Truppenbesuch an der Sportfront. Und wahrscheinlich haben die Fotografen den Herrn Minister wieder so lange bequatscht, bis er fürs Foto in den Bob gestiegen ist und seine Broadway-Arme samt Deutschlandfahne in der Hand ausbreitete. Wahrscheinlich haben ihm seine Bodyguards die Geheimdienst-Sonnenbrille ausgeliehen, als der Herr Minister von der gleißenden Sonne geblendet war, und wahrscheinlich hat nicht er Tobias Angerer, sondern Tobias Angerer in Wahrheit ihm seine Handynummer aufgedrängt.

Vermutlich wollte er auch Wirtschaftsminister Rainer Brüderle im ebenso winterlichen Ambiente von Davos beim Weltwirtschaftsforum gar nicht die Schau stehlen. Es war eben nur einfach so, dass seine internationalen Freunde vom "Hill" und von der "Fed" und wo sie alle sitzen, höchsten Wert darauf legten, dass neben dem deutschen Wirtschaftsminister auch der deutsche Verteidigungsminister seine Aufwartung machte auf dem Zauberberg von Thomas Mann.

Alles harmlos wie eine Operette, wäre da nicht eine fette Affäre

Affäre um den Nato-Beschuss zweier Tanklastzüge

deutschen Oberst

Das wäre im Grunde alles so harmlos wie eine Operette, wäre da nicht eine fette , bei dem viele afghanische Zivilisten, darunter Kinder, ums Leben gekommen wären, angeordnet von einem . Es wäre ganz lustig, wenn nicht der talentierte Mr. Guttenberg in der Folge dieser Affäre seinen Vorgänger und die zwei hochrangigsten Mitarbeiter in seinem Ministerium in fragwürdiger Weise, möglicherweise zum Selbstschutz, hätte über die Klinge springen lassen.

Es wäre weiterhin ganz possierlich, wenn nicht - während der Minister mit den Goldmedaillen anderer glänzt - an der weniger glamourösen Front von Helmand die härtesten Kampfhandlungen der Nato seit Beginn des Afghanistan-Einsatzes vonstatten gingen, wenn nicht gerade um das Afghanistan-Mandat im Bundestag gerungen würde, wenn der Einsatz für deutsche Soldaten nicht jeden Tag eine größere Gefahr für deren Leben darstellte und wenn es keine Hinweise darauf gäbe, dass in der Truppe regelmäßig Komasaufen stattfindet und Rekruten systematisch schikaniert werden. Es wäre lustig, wenn nicht gerade das Multimilliarden-Projekt des A-400M auf des Messers Schneide stünde.

Verteidigungsminister, mehr noch als alle Kabinettskollegen, tun sehr gut daran, sich zu überlegen, wann sie sich im Glanz der Medaillen sonnen oder in Pools planschen wie einst Rudolf Scharping. Es kann sehr degoutant wirken. Sie befehligen nicht mehr die Präsenzarmee des Kalten Kriegs. Sie befehligen eine Armee im Einsatz. Dessen sollten sie sich zu jeder Minute ihrer Amtszeit bewusst sein.

Es sieht schwer danach aus, dass Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg bei aller bella figura in der entscheidenden Stilfrage permanent versagt.

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