Guttenberg im Bundestag Krawalltraining für das Kreuzverhör
Berlin - Manchmal staut sich Wut an. Da redet man wochenlang sehr höflich miteinander, versichert sich wechselseitig des Respekts, bezeugt einander Qualität und Haltung. Aber dann ist Schluss mit höflich.
Dann kommt der Ausbruch.
So ist das an diesem Mittwoch im Bundestag, als Verteidigungsminister (CSU) wie üblich federnden Schrittes das Parlamentsrund betritt und gegen die drückende anlächelnd zu seinem Stuhl in Reihe zwei der Kabinettsbank schlendert.
Zuvor stand an dieser Stelle Guttenbergs parlamentarischer Staatssekretär Christian Schmidt (CSU) - zwecks Fragestunde. Die wird von den Staatssekretären bestritten. Und die Opposition fragt: Was sein Minister wann gewusst habe? Wie er, der Kollege Schmidt, denn die Kehrtwende in der Beurteilung des Bombardements von militärisch angemessen zu nicht angemessen bewerte? Ob es sich dabei um gezieltes Töten gehandelt habe?
"Weltmeister in der Antwortverweigerungsstrategie"
Staatssekretär Schmidt aber gibt keine Antworten. Geheim, sagt er. Oder er verweist auf den soeben konstituierten Untersuchungsausschuss. Einmal beruft er sich sogar aufs Post- und Fernmeldegeheimnis im Grundgesetz. "Weltmeister in der Antwortverweigerungsstrategie", maulen die Grünen.
In der Opposition also staut sich etwas auf. Und um 15.45 Uhr betritt dann der Minister Guttenberg das Plenum zur Aktuellen Stunde.
SPD-Fraktionschef , bis vor kurzem noch selbst als Außenminister in Regierungsverantwortung und wohl deshalb in der Causa Kunduz bisher auffällig zurückhaltend, zeigt sich an diesem Mittwoch gleich als Oppositionsführer: "Jauch, Illner, Beckmann - keine Talkshow ist im Moment vor Guttenberg sicher", lästert er. Der Verteidigungsminister habe "in der Truppe gefallen" wollen, vielleicht deshalb habe er die kritischen Passagen im Nato-Bericht anfangs ausgeblendet.
Das werde ein sehr spannender Untersuchungsausschuss, holt schließlich Grünen-Fraktionschef aus: "Da geht es nicht zu wie bei Beckmann. Im Untersuchungsausschuss ist die Unwahrheit strafbewehrt." Trittins Vorwurf: Wie konnte Guttenberg trotz Kenntnis des Nato-Berichts anfangs urteilen, der Luftschlag sei militärisch angemessen? Jene Bundestagsabgeordneten, die dieses 500-Seiten-Konvolut ebenfalls frühzeitig zu sehen bekommen hätten, "die sollen das Material geheim halten - aber Sie gehen raus in die Öffentlichkeit und erzählen das Gegenteil vom Bericht", poltert Trittin gegen den Verteidigungsminister. Das sei "mieser Stil".
Stil - damit drückt Trittin auf das rote Knöpfchen bei Guttenberg. Denn gerade auch durch Stil und Haltung in schwierigen Zeiten ist der ja so rasant aufgestiegen. Er legt ziemlich großen Wert auf solche Fragen. Wenn man so will, ist Stil die Kernkompetenz des Karl-Theodor zu Guttenberg.
Von "bella figura" spricht keiner mehr
"Mieser Stil also?", ist sodann auch das erste, was Guttenberg in seiner Replik aufgreift. Sehr leise sagt er das. Um dann sehr laut zu werden: "Ich frage mich, wie unsere Soldaten den Stil dieser Debatte bewerten." Wie könne man nur an einem solchen Tag mit einem "solchen Gebrüll" ankommen. Es folgt ein Tohuwabohu auf den Oppositionsbänken, das Bundestagspräsidium muss für Ruhe sorgen.
Ganz offensichtlich hat sich auf beiden Seiten eine Menge Ärger aufgestaut, nachdem man in den vergangenen Wochen immer sehr freundlich miteinander umgegangen war. Guttenberg mache "bella figura", hieß es anfangs noch von Grünen-Seite.
Das ist passé. Während an diesem Mittwoch in Afghanistan ein Bundeswehrsoldat schwer verletzt worden sei, ziehe die Opposition daheim "lediglich innenpolitische Gefechte" ab, ärgert sich Guttenberg: "Meine Herren!" SPD und Grüne rufen, er solle "zum Thema" kommen. Der Minister kontert, die Sozialdemokraten hätten kein Interesse an der Aufklärung, die Debatte sei "nahe am politischen Klamauk".
Aber auch der CSU-Mann sagt - wie sein Staatssekretär zuvor - nichts Neues. Allerdings mit einer ganz anderen verbalen Wucht als Schmidt.
Guttenberg begründet seine Kehrtwende in der Kunduz-Bewertung nicht, enthält sich auch einer Gegenkritik an den von ihm geschassten Ex-Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan, der zuvor ihn in einem "Zeit"-Interview bezichtigt hatte, die Unwahrheit zu sagen. Auf dieses Niveau der Debatte werde er sich "sicherlich nicht einlassen", so der Minister.
Ohne Rücktrittswünsche verlassen auch am Mittwoch dann weder SPD noch Grüne den Saal. SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold ruft dem Minister zu: "Wir haben die Sorge, dass Sie diesem Amt nicht wirklich gewachsen sind."
Am Rande der Sitzung mahnt derweil Reinhold Robbe, der Wehrbeauftragte des Bundestages, zur Zurückhaltung im Streit über den Afghanistan-Einsatz. Den wenigsten Deutschen sei bewusst, dass die Soldaten dort "jeden Tag ihren Kopf hinhalten und froh sind, wenn sie gesund und lebend von Patrouillenfahrten ins Feldlager zurückkommen". Daher erscheine ihm die Debatte in Deutschland "manchmal etwas bizarr".
Doch angesichts der Schärfe der Diskussion im Bundestag muss man sich darauf einstellen, dass sich daran im Untersuchungsausschuss kaum etwas ändern wird.