Guttenberg und die Bundeswehrreform Minister Kess auf Kollisionskurs

Guttenberg: Schafft er es bis ins Kanzleramt oder scheitert er an sich selbst?
Foto: Maurizio Gambarini/ dpaEs wird geredet, getuschelt, gewispert. Offen darüber gesprochen wird (noch) nicht. Als Verteidigungsminister seine Ehefrau und den Entertainer Johannes B. Kerner zur Verstärkung mit an die Front am Hindukusch nahm, simste ein alter Fahrensmann seinem Herrn, wiederum einem sehr hochrangigen CDU-Politiker: "Das war ein großer Fehler! Jetzt hebt er ab! Hat der denn keine Berater, die ihn von so was abhalten?"
Nach einigen Minuten kam die trockene Antwort des Unionsgranden: "Ich teile Deine Auffassung." Ein anderer CDU-Politiker, lange Jahre Förderer und Gönner Guttenbergs, befindet mit Blick auf die Bilder aus Afghanistan: "Er hat sich die Splitterschutzweste der Popularität übergestreift und operiert politisch mit seinen guten Umfragewerten. In Wahrheit aber steckt er bis hierher in der Scheiße." Dazu legt der Mann seine Handkante an die eigene Unterlippe.
Der Verteidigungsminister, Glamour-Boy der Bundesregierung, ist im politischen Berlin Stadtgespräch. Alle beobachten den Paarlauf der Guttenbergs, viele sind zwischen Faszination und Vorbehalten hin- und hergerissen, aber niemanden lässt es kalt. Und immer wieder geht es um die gleiche Frage: Wird er überdrehen, verkehren sich seine unbestreitbaren Fähigkeiten der politischen Selbstdarstellung in einen Makel? Ist das noch cool oder schon peinlich, wenn er von einem Ausflug mit der Kanzlerin nach Afghanistan zu einer großen Gala in Berlin in seiner sandgelben Khaki-Montur aufschlägt, so als habe er auf dem langen Flug zurück keine Zeit gefunden, in einen dunklen Anzug oder einen Smoking zu schlüpfen.
Um es in einem jahreszeitlich passenden Bild zu sagen: Guttenberg ähnelt einem Free Rider an einem Steilhang, der mit seinen waghalsigen langgezogenen Schwüngen eine Lawine auslöst, der er mit einem immer höllischeren Tempo davonzufahren versucht. Die Frage ist: Schafft er es mit seinem Höllenritt bis ins Kanzleramt, oder holt ihn die selbstausgelöste Schneewalze doch noch vorher ein?
Guttenbergs politischer Mut ist beeindruckend, anstößig sind allerdings mitunter seine Mittel. Das war schon so, als er seinerzeit den von einem deutschen Oberst ausgelösten Luftangriff auf einen Tankerkonvoi am Kunduz-Fluss erst als "militärisch angemessen" und dann als "militärisch unangemessen" bezeichnete. Es gibt sehr viele, auch in seinem Ministerium, die Guttenberg übelnehmen, dass er für diese persönliche Volte drei höchstrangige Mitstreiter politisch hat über die Klinge springen lassen: Namentlich seinen Vorgänger und Parteifreund , der dann als Arbeitsminister zurücktreten musste, den damaligen Generalinspekteur und den Staatssekretär , die von Guttenberg gefeuert wurden. Sie alle sollen mittelbar oder unmittelbar an seiner ersten Fehleinschätzung schuld gewesen sein. Ergebnis: Die drei verloren Ämter und Ehre, Free Rider Guttenberg aber zog weiter seine langen Schwünge.
Das Prinzip "Kess kommt weiter"
Bisher hat das immer geklappt. Guttenberg eilte stets weiter, bevor ihn die Folgen seines Handelns einholen konnten, zuletzt als Kurzzeit-Wirtschaftsminister.
Die hingegen ist ein Projekt, an dem Guttenberg zu messen sein wird. Und wieder hat er nach dem Prinzip "Kess kommt weiter" agiert. Zur Erinnerung: Ausgangspunkt der Bundeswehrreform und der damit einhergehenden Aussetzung der war eine Sparklausur der Bundesregierung in Meseberg im Frühjahr, bei der sich die Mitglieder des Kabinetts auf ein Sparpaket von beeindruckenden 80 Milliarden Euro bis zum Jahre 2015 einschwören ließen.
Guttenberg fiel dabei in der Runde als derjenige auf, der relativ oberflächlich vorbereitet erschien und den Kollegen offenbarte, wenn er in dem vorgegebenen Rahmen von 8,3 Milliarden Euro zu sparen habe, dann gehe das nur mit einer drastischen Reduzierung der Bundeswehr - und ihrer Verwandlung in eine Freiwilligenarmee. Die Reform wurde also aus einem Geist des Sparens geboren.
Nun aber verlangt er keck eine "Anschubfinanzierung", deren Notwendigkeit "außer Frage" stehe.
Es gibt Indizien dafür, dass Guttenberg seine Kanzlerin mit einer Mischung aus Frechheit und der "Splitterschutzweste der Popularität" auf seine Linie zwingt. Ein SPIEGEL-Artikel, wonach Guttenberg etwa die Hälfte der ursprünglich veranschlagten gut acht Milliarden Euro erlassen bekommen könnte, wurde von Regierungssprecher Steffen Seibert mit einer neuen Form von Reaktion bedacht: Diesen Bericht werde die Bundesregierung "nicht kommentieren".
Weil er stimmt, aber das keiner wissen soll.
Gefährliche Debatte um die Kosten
Es stellen sich nun zwei Fragen: Kommt Guttenberg durch wie im parteipolitischen Teil der Operation Wehrpflicht, als er die Parteitage von CSU und CDU umpolte? Und damit korrespondierend: Lassen sich die anderen Kabinettskollegen diese Vorzugsbehandlung des Shootingstars gefallen? Denn klar ist auch: Wenn Guttenberg einen Rabatt beim Sparpaket bekommt, dann müssen die anderen mehr in die Kollekte geben - zu allererst die Ministerin mit dem milliardenschwersten Etat: die ebenfalls über ihr Amt hinaus ambitionierte Arbeitsministerin Ursula von der Leyen.
Sollte Kanzlerin Merkel Guttenberg tatsächlich eine valide Zusage in Richtung Rabatt gegeben haben, wie er das aus dem Kabinett heraus Mitgliedern des Verteidigungsausschusses berichtet hat, kommen auf die Bundesregierung ganz harte Verteilungskämpfe zu. Und der kesse Wehrminister kann sich immer auf die Aussage von Merkel aus dem Sommer berufen, als diese sich auf die konkrete Frage nach der Wehrreform und dem Sparbeitrag Guttenbergs zu einer für sie ungewöhnlichen Bemerkung hinreißen ließ: "Wegen zwei Milliarden kann ich nicht die deutsche Sicherheit aufs Spiel setzen. Finanzen sind wichtig, aber Finanzen sind nicht die treibende Kraft einer Bundeswehr der Zukunft."
Damit hat sie eine gefährliche Debatte zugelassen: Für zwei Milliarden setzt sie die deutsche Sicherheit und konkret die Bundeswehrreform also nicht aufs Spiel, aber für den geforderten Sparbeitrag von 8,3 Milliarden schon? Wo will sie nach dieser Aussage einen endgültigen Grenzpflock für Guttenberg einrammen?
Guttenbergs Kabinettskollegen, allen voran von der Leyen, tun gut daran, diesen Vorgang genau zu beobachten. Sonst sind sie ganz schnell die Gelackmeierten in Guttenbergs riskantem Spiel.
Die Methode Guttenberg kann erfolgreich sein, aber sie hat ihre Grenzen. Denn sie macht einsam.