Guttenbergs Copy-Paste-Affäre Im Dickicht der Bundestags-Expertisen

Verteidigungsminister Guttenberg (CSU): Immer neue Plagiatsstellen
Foto: dapdBerlin - Der Dr. ist futsch. habe gegen die "wissenschaftlichen Pflichten in erheblichem Umfang verstoßen", erklärte die Uni Bayreuth am Mittwochabend. Der Verteidigungsminister dürfte über den Titelrückzug erleichtert sein. Er selbst wollte es so.
Doch die dürfte für ihn noch nicht ausgestanden sein. Denn neben den wissenschaftlichen Peinlichkeiten steht noch immer ein ziemlich unangenehmer Vorwurf im Raum: Guttenberg könnte in Sachen Doktorarbeit gegen die Bundestagsregularien verstoßen haben. Konkret geht es um die Frage, wie freizügig der Minister Expertisen des Wissenschaftlichen Dienstes in seiner Dissertation abgekupfert hat. Eigentlich darf dieser Dienst nur für mandatsbezogene Zwecke in Anspruch genommen werden. Der Ältestenrat des Bundestags will sich deshalb am Donnerstag mit dieser Frage beschäftigen.
Und er wird einiges zu tun haben.
Denn wie es aussieht, hat Guttenberg in seiner Doktorarbeit stärker auf Expertisen des Bundestagsdienstes zurückgegriffen als bislang bekannt. Der Minister nutzte neben vier in der Dissertation erwähnten Expertisen zwei weitere Dokumentationen des Bundestagsdienstes. Man könnte das nun als Erbsenzählerei abtun, wenn die neuen Beispiele nicht anders gelagert wären als die bereits bekannten vier. Anders - und möglicherweise problematischer.
Kein Hinweis auf die Quellen - nirgends
Warum? Guttenberg kopierte äußerst freizügig aus den beiden Expertisen, ohne sie aber an irgendeiner Stelle in der Dissertation zu erwähnen. Anders als im Falle der vier bekannten Bundestags-Papiere findet sich weder in einer Fußnote noch im Literaturverzeichnis ein Hinweis auf die Ausarbeitungen der Beamten. Sie sind, wenn man so will, ein Zufallsfund.
Bei den beiden fraglichen Bundestagsexpertisen handelt es sich um eine fünfseitige Dokumentation vom 28. Oktober 2003 zum Thema "Europäischer Konvent und der Konvent von Philadelphia - Parallelen und Unterschiede" und eine 13-seitige Dokumentation vom 15. Dezember 2005 über "Europäische Verfassungsentwürfe seit 1945".
Besonders freizügig ließ der Minister das Bundestagsdokument aus dem Jahr 2003 in seine Arbeit einfließen, ohne dies in irgendeiner Weise zu kennzeichnen. Gleich an mehreren prominenten Stellen in der Dissertation sind Absätze aus der Expertise fast wortgleich übernommen, so etwa in der Einleitung auf Seite 17 und 18 oder im Fazit auf Seite 405. Aber auch ganze Seiten der Bundestagszuarbeit finden sich mit nur geringfügigen Änderungen in der Doktorarbeit. So füllte Guttenberg den Unterpunkt "V.1." ab Seite 359 über mehrere Seiten mit einer Textpassage des Bundestagsdokuments. Ähnlich locker ging Guttenberg mit der Expertise aus dem Jahr 2005 um, ohne sie in einer Fußnote oder im Literaturverzeichnis zu nennen.
Hat der Minister also nicht nur freizügig aus Bundestagsexpertisen kopiert, sondern die Quellen mitunter bewusst verschleiert?
Ausmaß macht Ältestenrat ratlos
Guttenberg sprach am Mittwoch im Bundestag nur von vier ihm bekannten Expertisen. Er erklärte, dass er an zwei Stellen zwar "Fehler in der Fußnotenarbeit" gemacht, die Ausarbeitungen der Wissenschaftlichen Dienste aber "ausdrücklich und transparent auch als Quellen" genannt habe. Er fügte hinzu: "Hätte ich die Inanspruchnahme der Wissenschaftlichen Dienste verschleiern wollen - so wie das in den letzten Tagen auch zu lesen oder zu hören war -, dann hätte ich diese präzisen Angaben sicherlich nicht gemacht, weil, wenn sie in der Arbeit angegeben sind, kann man letztlich auch nachvollziehen, wo diese Quelle liegt, welche Quelle das ist."
Nun ja, für die beiden neuen Fälle stimmt das nicht.
Genau das dürfte auch im Ältestenrat des Bundestags auf Irritationen stoßen. Überhaupt scheint dort eine gewisse Ratlosigkeit zu herrschen. "Im Moment ist es so, dass ein solches Ausmaß noch nie stattgefunden hat", sagte Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt am Donnerstag im Deutschlandfunk. Die Grünen-Politikerin sagte, der Ältestenrat müsse nun darüber beraten, "welche Möglichkeiten es gibt, damit umzugehen". Weil Erfahrungen mit solchen Fällen fehlten, sei nicht einmal klar, wie derlei Vergehen sanktioniert werden könnten. Bisher, so Göring-Eckardt, habe es "keine Sanktionen in so einem Fall" gegeben.
Immerhin: Auf Guttenbergs Kooperationsbereitschaft scheint sich der Ältestenrat verlassen zu können. "Was die Zahl der Ausarbeitungen der Wissenschaftlichen Dienste anbelangt, so waren mir bislang vier bekannt, die ich als Primärquellen benannt habe. Von sechs weiß ich bisher nichts. Ich freue mich, wenn ich sie sehe", sagte er im Bundestag.
Und schob hinterher: "Ich werde dann aber auch ebenso offen dazu Stellung nehmen."