Pandemie Impfvordrängelei – Kein Gerichtsverfahren gegen Oberbürgermeister

Bernd Wiegand, Oberbürgermeister von Halle, hatte sich bei der Corona-Impfstoffvergabe vorgedrängelt. Die Staatsanwaltschaft erhob 2022 Anklage – doch das Verhalten des Politikers bleibt folgenlos.
Bernd Wiegand: Seit Bekanntwerden der Affäre von den Amtsgeschäften suspendiert

Bernd Wiegand: Seit Bekanntwerden der Affäre von den Amtsgeschäften suspendiert

Foto: Ronny Hartmann / dpa

Das Landgericht Halle an der Saale hat die Anklage der Staatsanwaltschaft gegen den suspendierten Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) wegen der sogenannten Impfaffäre abgelehnt. Was ihm zur Last gelegt werde, sei keine Straftat, erklärte das Gericht am Freitag. Die Staatsanwaltschaft hatte dem Politiker und seiner früheren Büroleiterin gemeinschaftliche veruntreuende Unterschlagung und Fälschung beweiserheblicher Daten vorgeworfen.

Sie sollen dafür gesorgt haben, dass neun Mitglieder des vom Oberbürgermeister geleiteten Krisenstabs sowie acht Stadträtinnen und Stadträte schon Anfang 2021 eine Impfung gegen das Coronavirus erhielten, obwohl sie nach der damals geltenden Priorisierung keinen Anspruch darauf hatten.

Impfreihenfolge dem Gericht nach verfassungswidrig

Das Gericht erklärte aber nun, die Verabreichung des Impfstoffs sei nicht rechtswidrig gewesen. Wiegand habe als Oberbürgermeister die Verfügungsbefugnis über den Impfstoff gehabt. Sollte er dabei die Vorschriften zur Impfreihenfolge missachtet haben, habe er möglicherweise seine verwaltungsrechtlichen Befugnisse überschritten. Ein Eigentumsdelikt sah das Gericht hier aber nicht.

Ohnehin seien die damals geltenden Regeln über die Impfreihenfolge verfassungswidrig gewesen, erklärte es weiter. Sie hätten mit Beteiligung des Parlaments durch ein Gesetz erlassen werden müssen und nicht durch eine bloße Verordnung. Zudem habe der Gesetzgeber nicht genau geregelt, wann ein Verstoß gegen die Vorschriften strafbar sei.

Auch Datenfälschung konnte das Gericht nicht erkennen. Die Staatsanwaltschaft hatte Wiegand vorgeworfen, zur Täuschung des Stadtrats ein Protokoll nachträglich verändert zu haben. So sei der Eindruck entstanden, dass der Katastrophenschutzstab sein Vorgehen genehmigt habe. Das wäre aber keine Fälschung beweiserheblicher Daten im rechtlichen Sinn, erklärte das Gericht.

Das Hauptverfahren gegen Wiegand und seine Büroleiterin wird damit nicht eröffnet. Gegen die Entscheidung ist aber noch eine Beschwerde beim Oberlandesgericht von Sachsen-Anhalt in Naumburg möglich. Der »Mitteldeutschen Zeitung« teilte die Staatsanwaltschaft mit, dass sie eine solche Beschwerde prüfe.

Der gebürtige Braunschweiger Wiegand war 2012 zum Oberbürgermeister von Halle gewählt worden. Im Oktober 2019 wurde der Diplomverwaltungswirt wiedergewählt. Im Juni 2021 enthob ihn das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt vorläufig seines Amts.

muk/AFP
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