Wegen Votum für NSU-Aufarbeitung Hamburger Grüne drängen Abgeordnete aus allen Ämtern

Die Bürgerschaftsabgeordnete Miriam Block stimmte als einzige Grüne für einen NSU-Untersuchungsausschuss in Hamburg – und zog damit den Zorn ihrer Partei auf sich. Nun wird sie dafür abgestraft.
Im Jahr 2001 erschoss der NSU den Obst- und Gemüsehändler Süleyman Taşköprü in Hamburg, wo später eine Straße nach dem Getöteten benannt wurde

Im Jahr 2001 erschoss der NSU den Obst- und Gemüsehändler Süleyman Taşköprü in Hamburg, wo später eine Straße nach dem Getöteten benannt wurde

Foto: Daniel Reinhardt / dpa

Die Hamburger Bürgerschaftsabgeordnete Miriam Block verliert ihr Amt als Sprecherin. Am Montagabend votierte die Fraktion nach SPIEGEL-Informationen mit einer Zweidrittelmehrheit gegen die Abgeordnete. Block war davor wissenschaftspolitische Sprecherin der Hamburger Grünen sowie Mitglied im Innen- und im Wissenschaftsausschuss.

Hintergrund ist Blocks Alleingang bei der Abstimmung über einen Linken-Antrag vor zwei Wochen, der die Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) forderte. Im Rahmen des PUA sollten die Umstände des Mordes an Süleyman Taşköprü aufgeklärt werden. Der Obst- und Gemüsehändler wurde 2001 im Laden seines Vaters in Hamburg erschossen. Für den Mord werden die Mitglieder des »Nationalsozialistischen Untergrunds« (NSU) verantwortlich gemacht.

Zunächst hatten die Hamburger Grünen lange Zeit geschlossen für das Einsetzen eines PUA plädiert. Ihr Koalitionspartner SPD lehnte einen solchen Ausschuss jedoch ab, die Grünen zogen schließlich nach. Gemeinsam schlug Rot-Grün stattdessen eine wissenschaftliche Studie als Form der Aufklärung vor.

Entscheidung für das »Gewissen«

Block überzeugte dieser Ansatz nicht: Die 33-Jährige stimmte als einziges Grünenmitglied für den Antrag der Linkspartei. Die Politikerin sah sich daraufhin mit erheblicher Kritik ihrer Parteikollegen konfrontiert. Die Fraktion kündigte an, Block ihrer Ämter entheben zu wollen. Darüber wurde am Montag bei einer Sitzung zu Blocks Nachteil votiert: 22 Abgeordnete stimmten nach stundenlangen Beratungen einem Vorschlag von Partei- und Fraktionsvorstand sowie den Grünen-Senatsmitgliedern zu, Block als wissenschafts- und hochschulpolitische Sprecherin abzuwählen. 7 Abgeordnete stimmten nach Angaben eines Sprechers bei einer Fraktionssitzung dagegen.

Auch ihrer Abberufung aus dem Innen- und Wissenschaftsausschuss der Bürgerschaft stimmten den Angaben zufolge 25 (bei 5 Neinstimmen) beziehungsweise 20 (bei 9 Neinstimmen) Abgeordnete zu.

Auf Bundesebene gab es jedoch auch Unterstützung für Blocks Verhalten. Der Abgeordnete Marcel Emmerich sagte der »taz«  im Vorfeld der Hamburger Fraktionssitzung: »Die Zusammenarbeit in einer Fraktion kann nur funktionieren, wenn Abgeordnete auch schmerzlichste Kompromisse in einer Koalition mittragen. Doch wenn tief greifende Überzeugungen angegriffen werden und Gewissensentscheidungen zur Abstimmung stehen, sind solche harten Sanktionen fragwürdig.«

Block hatte ihre Sicht auf die Abstimmung zum NSU-Ausschuss im Vorfeld auf Twitter erläutert. Damals schrieb sie, dass sie eine Ablehnung des Linken-Antrags nicht mit ihrem »Gewissen vereinbaren« könne.

atb/fin/dpa
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