Maaßen und die CDU Laschets riskante Abstandsregel

Die Causa Maaßen liegt wie ein Fluch auf dem Wahlkampf des Unionskanzlerkandidaten. Wie viel Kritik ist nötig, wie viel womöglich schädlich? Armin Laschet wird dabei auch an seine Vorgängerin denken – und an die SPD.
Eine Analyse von Veit Medick
CDU-Chef Laschet: Ein Problem namens Maaßen

CDU-Chef Laschet: Ein Problem namens Maaßen

Foto: CLEMENS BILAN / POOL / EPA

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Montagmorgen in den Führungsgremien der CDU: Viele Themen, die Lage ist unübersichtlich. Die Kanzlerin spricht über den Abzug aus Afghanistan. Der Gesundheitsminister warnt vor mehr Delta-Kranken. Und Armin Laschet?

Knöpft sich Hans-Georg Maaßen vor, den ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten, der am Wochenende ein paar Sätze von sich gab, die sich anhörten, als halte er den öffentlich-rechtlichen Rundfunk für eine teilweise linksextremistische Sekte. Aufschrei in der Union und weit darüber hinaus: Wie, bitte schön, kann so jemand für die CDU als Bundestagskandidat antreten?

Schon richtig die Frage, lautet nun der Tenor des Parteivorsitzenden in der Vorstandssitzung, geht eigentlich gar nicht, der Maaßen. Die derzeit halbwegs stabilen Umfragen der Union könnten rasch kippen, warnt Laschet. »Solche Debatten schaden uns.« Und falls jemand auf dumme Gedanken kommen sollte: Mit der AfD werde es keine Kooperation geben, nicht einmal Verhandlungen. »Wir sind da ganz klar. Ich erwarte von jedem Direktkandidaten, dass er sich daran hält.« Zustimmung in der Runde, Ende der Debatte. Vorerst jedenfalls.

Die Causa Maaßen ist für Laschet eine unangenehme Angelegenheit. Überraschend ist das nicht, im Gegenteil, damit tritt exakt das ein, was die meisten seit Maaßens Kandidatur in Südthüringen prognostiziert oder befürchtet haben. Wann immer sich der frühere Verfassungsschutzpräsident zu verschwörungsideologisch anmutenden Einlassungen hinreißen lässt, sind sofort die Fragen da: Ist das die Meinung der CDU? Kann sie das dulden? Muss sie ihn rausschmeißen? Und wo steht eigentlich Laschet?

Die eigenen Leute werden nervös

Da zählt dann jede Minute, vor allem im Wahlkampf. Das hat der CDU-Chef jetzt wieder gemerkt. Als Laschet am Sonntagabend, gut 24 Stunden nach Bekanntwerden von Maaßens Rundfunktheorien, immer noch nicht eingeschritten war, wurden sie auch in seiner Partei nervös. Man könne nicht einfach »schweigend darüber hinweggehen«, twitterte Tilman Kuban, der Chef der Jungen Union. Die Botschaft: Armin, bitte mach' was, zeig' Haltung, es wird sonst peinlich.

Hans-Georg Maaßen (bei einem Auftritt bei der CDU in Schmalkalden-Meiningen): Nicht einfach »schweigend darüber hinweggehen«

Hans-Georg Maaßen (bei einem Auftritt bei der CDU in Schmalkalden-Meiningen): Nicht einfach »schweigend darüber hinweggehen«

Foto: via www.imago-images.de / ari / imago images

Nur ist das mit diesen Querulanten und der Haltung so eine Sache. Auch die SPD, die Laschet nun gerne vorwirft, er rufe Maaßen nicht laut genug zur Ordnung, hatte mal so einen Fall: Thilo Sarrazin und seine biologistischen Thesen. Die Sozialdemokraten setzten seinerzeit auf Eskalation. Raus mit ihm, rief Sigmar Gabriel, und wenn er im Fernsehen auftrat, filetierte der damalige SPD-Vorsitzende den ehemaligen Bundesbanker in einer Art und Weise, die sogar das Feuilleton der »FAZ« frohlocken ließ.

Das Problem: Gabriels Haltung zahlte sich nie aus, stattdessen machte sie den Gegner größer als er war. Sarrazin tanzte der SPD noch zehn Jahre lang auf der Nase herum, bis die Sozialdemokraten es im vergangenen Jahr unter Aufbietung aller Kräfte schafften, ihn loszuwerden. Ein ruhmreiches Kapitel in der SPD-Geschichte war das Ringen mit Sarrazin nicht. Die Partei war viel zu lange mit sich selbst beschäftigt, man wusste am Ende, wogegen sie kämpfte, aber wofür sie eigentlich kämpfte, war über die Jahre unklarer geworden.

Zweites Beispiel: Laschets Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer und die, wie im Fall Maaßen, Thüringer Christdemokraten. Anfang 2020 wählte die dortige CDU gemeinsam mit der AfD im Erfurter Landtag einen FDP-Mann zum Ministerpräsidenten. Kramp-Karrenbauer intervenierte, erklärte die Entscheidung zum Sündenfall, der nur durch sofortige Neuwahlen geheilt werden könne. Das klang sehr gut, nur ließen die Thüringer Parteifreunde sie abtropfen. Kramp-Karrenbauers Autorität war dahin, wenig später kündigte sie ihren Rückzug an.

Laschet dürfte beide Fälle im Kopf haben, wenn er jetzt nach dem richtigen Umgang mit Maaßen sucht. Entspannter macht es die Sache nicht. Der CDU-Chef ist gefangen in einem Dilemma: Er weiß, dass Haltung auch nach hinten losgehen kann, wenn die Ansagen wirkungslos verpuffen – oder sie eine pausenlose Selbstbeschäftigung zur Folge hat. Er weiß aber auch, dass Schweigen keine Option ist, weil es so wirkt, als dulde man jeden Unsinn.

Auch Laschets Mittelweg ist nicht ohne Risiko

Also ein Mittelweg. »Solche Debatten schaden uns«, sagt Laschet jetzt. Ein Satz, der eher nach anderthalb Metern Abstand klingt als danach, jegliche Verbindung nach Südthüringen zu kappen. Kritik ja, aber sicher kein Parteiausschlussverfahren, so wie es etwa der langjährige CDU-Bundestagsabgeordnete Ruprecht Polenz im rbb-Inforadio forderte – »auch jetzt im Wahlkampf, vielleicht gerade jetzt, weil er wird immer wieder neu provozieren«.

Es ist Laschets Versuch, es sich weder mit jenen in seiner Partei zu verscherzen, die mit Maaßen etwas anfangen können, noch mit jenen, die ihn in ihm eine riesige Gefahr für die CDU sehen. Ich habe es intern gehalten, kann er den einen sagen. Ich habe Maaßen kritisiert, kann er den anderen sagen. Typisch Laschet.

Ohne Risiko, das dürfte er wissen, ist auch dieser Mittelweg nicht. Ausgerechnet er, der sich in vielen Fragen als Mann mit Haltung inszeniert, wirkt im Fall Maaßen verdruckst. Und wenn Laschet nicht völlig klar eine Grenze zu Maaßens Theorien zieht, auch öffentlich, könnte sich langsam der Diskurs verschieben, die Grenzen des Sagbaren in der Union. Der Wahlkampf mancher Grüner aus der zweiten Reihe würde »an Trump erinnern«, sagte Laschet übrigens auch noch in der Sitzung am Morgen. Gilt das nicht viel mehr für Maaßen?

Die Debatte über den Kandidaten aus Südthüringen wird weitergehen, das ist jedem in der Unionsführung klar. Vielleicht nächste Woche, vielleicht nächsten Monat, irgendwann bald jedenfalls. Denn Maaßen wird nicht auf einmal so klingen wie Richard von Weizsäcker, nur weil in knapp drei Monaten Bundestagswahlen sind. So viel ist sicher. Auch in diesen unübersichtlichen Zeiten.

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