Ranges Kritik an Minister Maas Die Kampfansage

Rücktritt? Von wegen. Generalbundesanwalt Range greift im Streit um die Landesverratsermittlungen die Politik an. Jetzt kann ihn Justizminister Maas eigentlich nur noch entlassen.
Generalbundesanwalt Range: Kritik am Minister

Generalbundesanwalt Range: Kritik am Minister

Foto: Wolfram Kastl/ dpa

Affront, Kampfansage, Frontalangriff. Kurz nach dem Auftritt des Generalbundesanwalts (GBA) kursieren viele Beschreibungen für das, was sich gerade in Karlsruhe abgespielt hat. Und sie treffen es alle. Harald Range hat nicht klein beigegeben, er hat sich nicht dem politischen Druck gebeugt. Deutschlands oberster Ankläger hat sich stattdessen hingestellt und öffentlich einen "unerträglichen Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz" seitens der Politik beklagt.

Der Streit um die Landesverratsermittlungen gegen zwei Journalisten des Blogs Netzpolitik.org ist damit eskaliert. Range will nicht die alleinige Schuld für den politischen Schaden auf sich laden, den das Verfahren angerichtet hat. Er will nicht das Bauernopfer sein. Er weiß, dass sein Dienstherr, Bundesjustizminister Heiko Maas, ihn nach dem öffentlich erhobenen Vorwurf der politischen Einflussnahme eigentlich nur noch entlassen kann. Soll er doch, wird sich Range denken. Der Generalbundesanwalt würde ohnehin nächstes Jahr aus dem Amt scheiden. Aber dann soll wenigstens auch Maas, dann soll auch die gesamte Bundesregierung einschließlich der Kanzlerin schlecht aussehen.

Sehen Sie hier die Erklärung Ranges vom Dienstag:

Das hat der Generalbundesanwalt in der Tat geschafft, egal wie die Sache nun für ihn ausgeht. Maas war am Freitag auf Distanz zu Range gegangen, hatte Zweifel am Vorwurf des Landesverrats gegen Markus Beckedahl und Andre Meister geäußert. Dass er schon seit Wochen von den Ermittlungen wusste, ohne sie verhindert zu haben, verschwieg der SPD-Politiker da. Er wollte als Aufräumer erscheinen, der das Verfahren, das eine Welle der Empörung losgetreten hatte, schließlich stoppt - dabei blieben viele Fragen auch an den Minister offen.

Dessen ungeachtet hatte sich Kanzlerin Angela Merkel am Montag hinter Maas gestellt, sie ließ über ihre Sprecherin erklären, dass sie die Ermittlungen nicht für angemessen hält. Thomas de Maizière wollte nicht nachstehen: Auch der Innenminister ließ ausrichten, er teile die Zweifel des Kollegen Maas.

Und das, obwohl alles in de Maizières Zuständigkeitsbereich seinen Anfang genommen hatte. Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), Hans-Georg Maaßen, hatte Strafanzeigen gestellt, nachdem Netzpolitik.org Pläne des Dienstes veröffentlicht hatte, Online-Netzwerke stärker zu überwachen. Offiziell richteten sich die Anzeigen gegen unbekannt, die Namen Beckedahl und Meister aber finden sich trotzdem darin. Ein Gutachten, in dem die veröffentlichten Dokumente als Staatsgeheimnis deklariert wurden, lieferte das BfV dem GBA auf dessen Bitten nach.

Range leitete daraufhin ein Ermittlungsverfahren wegen Landesverrats gegen Netzpolitik.org ein. Blind auf das BfV wollte sich der GBA aber nicht verlassen, Range beauftragte daher noch einen externen Sachverständigen. Der sei im Urlaub, hieß es zunächst, nun aber wartete Range mit einer vorläufigen Einschätzung des Experten auf: Diese bestätige das Urteil, dass es tatsächlich um Landesverrat gehe.

Wurde Range mit Entlassung gedroht?

Wie SPIEGEL ONLINE erfuhr, informierte Range am Montag die Staatssekretärin im Bundesministerium der Justiz, Stefanie Hubig, darüber, dass der externe Sachverständige den auf Netzpolitik.org veröffentlichten Bericht über die "Erweiterte Fachunterstützung Internet" des Verfassungsschutzes vorläufig als Staatsgeheimnis bewertet. Damit wäre die Voraussetzung für ein Verfahren wegen Landesverrats erfüllt.

Nach Ranges Angaben wurde ihm daraufhin die Weisung erteilt, "das Gutachten sofort zu stoppen" und den Gutachter seiner Aufgaben zu entbinden. "Dieser Weisung habe ich Folge geleistet", räumte Deutschlands Chefermittler ein. Wie aus Justizkreisen verlautete, soll die Staatssekretärin erheblichen Druck auf Range ausgeübt haben. Von der Drohung, ihn seines Amts zu entheben, ist die Rede.

Das Maas-Ministerium ließ eine Anfrage von SPIEGEL ONLINE zu dem Thema bislang unbeantwortet.

Dass Range die Kommunikation mit seinen Vorgesetzten öffentlich macht, ist eine beispiellose Kampfansage an Maas. "Auf Ermittlungen Einfluss zu nehmen, weil deren mögliches Ergebnis politisch nicht opportun erscheint", sei nicht hinzunehmen, begründete der Generalbundesanwalt sein Vorgehen.

Aus der Union bekam Range Unterstützung. Der Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses, Patrick Sensburg, sagte, es sei "richtig, dass der Generalbundesanwalt nicht aufgrund des öffentlichen Drucks zurückgetreten ist". Es seien viele Fragen im aktuellen Verfahren, aber auch bei den Ermittlungen im NSA-Skandal zu klären. "Eine unabhängige Justiz ist dazu die Voraussetzung."

Der CDU-Rechtsexperte kritisierte zugleich den Justizminister. "Aufgabe des Justizministers ist es, sich vor seine Beamten zu stellen, ihnen andernfalls frühzeitig intern Weisungen zu erteilen, aber sie nicht nach Wochen über die Presse zu schelten", sagte Sensburg SPIEGEL ONLINE. "Hier sehe ich noch Verbesserungspotenzial in der Amtsführung."

CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach bezeichnete die Weisung Maas', das von Range in Auftrag gegebene Gutachten auf halbem Wege zu stoppen als "nicht unproblematisch". Es könne der Eindruck entstehen, dass dem Justizminister die Bewertung des Gutachters politisch unangenehm sei, sagte Bosbach. Die Intervention verstärke den Eindruck, Maas habe "nicht aus rechtlichen, sondern aus politischen gründen auf das Verfahren Einfluss genommen".

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