Verstorbener Ex-Generalbundesanwalt Range Der Unbeugsame

Harald Range
Foto: Sean Gallup/ Getty ImagesNie war Harald Range beliebter in Karlsruhe, als in dem Moment, da er entlassen war. Im August 2015, auf dem Höhepunkt der Netzpolitik-Affäre, nachdem Justizminister Heiko Maas (SPD) ihn gefeuert hatte, trat Range vor die Belegschaft der Bundesanwaltschaft. Er wollte sich von seinen Leuten verabschieden.
Und dort, hinter den schweren Holztüren, brandete ihm plötzlich ein Applaus entgegen wie nach einem gelungenen Konzert. So beschreiben es jedenfalls Beamte, die damals dabei waren. Die Damen und Herren der elitärsten Strafverfolgungsbehörde der Republik huldigten ihrem Chef in einer Weise, die für ihre Verhältnisse fast schon frenetisch war. Es war ihre Art, Harald Range Respekt dafür zu zollen, dass er sein Amt opferte, um ihre Arbeit zu schützen.
Harald Range war kein lauter Mensch und niemand, der in seiner langen Karriere als Jurist und Strafverfolger viele Jubelstürme ausgelöst haben dürfte. Er war im besten Sinne ein Staatsdiener, häufig trocken in seiner norddeutschen Art bis hin zur Sprödigkeit, ausgestattet mit einem feinen Sinn für Humor, präzise in seinen Urteilen, unbestechlich bis ins Mark, kultiviert und bedächtig. "Opi" nannten sie ihn in den Sicherheitsbehörden - das war nicht immer freundlich gemeint.
Fast gleichzeitig mit seinem Amtsantritt als Generalbundesanwalt begannen im November 2011 die Ermittlungen gegen die rechtsextreme Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU). "Nicht noch einmal darf der terroristische Hintergrund einer Mordserie wie der des NSU verkannt werden, nur weil der staatliche Fokus auf andere Bereiche gerichtet ist", sagte Range später.
Es gehört zu der besonderen Tragik seines Berufslebens, dass Harald Range in der Öffentlichkeit häufig verkannt wurde: Während er in der NSA-Affäre um das abgehörte Handy der Bundeskanzlerin als Zauderer dargestellt wurde, erschien er in der Causa Netzpolitik.org als der beinharte Sheriff, der Journalisten einzusperren beabsichtigte. Beide Urteile ignorierten die Umstände seines Handelns und gründeten allein auf einem oberflächlichen Eindruck. In der Affäre um Merkels Handy hatte Range sich früh entschlossen zu ermitteln - und sich gegen erhebliche Widerstände in seiner Behörde durchgesetzt.

Range mit dem damaligen Justizminister Maas (im August 2015)
Foto: Kay Nietfeld/ dpaIn Sachen Netzpolitik musste Range mit einer Strafanzeige des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) umgehen, das die Veröffentlichung vertraulicher Dokumente im Netz nicht hinnehmen wollte. Range leitete zwar ein Ermittlungsverfahren wegen Landesverrats ein, untersagte dem zuständigen Staatsschutz-Referat des Bundeskriminalamts aber zugleich, die Redaktion zu durchsuchen, Telefone abzuhören oder die Journalisten zu beschatten.
Im Grunde genommen fror er die Ermittlungen in dem Moment ein, in dem er sie begann. Stattdessen gab Range ein Gutachten in Auftrag, das zunächst klären sollte, ob es sich bei den von Netzpolitik.org veröffentlichten Dokumenten überhaupt um Staatsgeheimnisse gehandelt hatte.
"Unerträglicher Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz"
Doch das Ergebnis dieses Gutachtens mochte der damalige Bundesjustizminister Heiko Maas nicht abwarten. Auch er stand in der Kritik. Der SPD-Politiker verschaffte sich auf dem Höhepunkt der öffentlichen Empörung mit einem zweifelhaften Manöver Luft.
Kurzerhand zwang Maas Range, den beauftragten Gutachter zu entpflichten. Denn der hätte wohl die Auffassung des Verfassungsschutzes zur rechtlichen Brisanz der veröffentlichten Dokumente bestätigt. Stattdessen beurteilte dann ein Mitarbeiter aus Maas' Haus diese entscheidende Frage - und kam in absoluter Rekordzeit zum gegenteiligen Ergebnis. Damit war dem Verfahren wegen Landesverrats der Boden entzogen.

Range bei seinem Statement zur Netzpolitik-Affäre am 4. August 2015
Foto: Wolfram Kastl/ dpaRange wiederum machte schließlich die Kommunikation mit seinen Vorgesetzten in Berlin öffentlich, was eine Kampfansage an Maas war. "Auf Ermittlungen Einfluss zu nehmen, weil deren mögliches Ergebnis politisch nicht opportun erscheint", sei nicht hinzunehmen, begründete der Generalbundesanwalt sein Vorgehen. Er beklagte einen "unerträglichen Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz".
Es war ein Akt der Unbotmäßigkeit, in dem es für Harald Range um mehr ging als um seine berufliche Position. Er war überzeugt davon, dass das Ministerium mit dieser juristischen Trickserei eine rote Linie überschritten hatte, und er war nicht bereit, dies hinzunehmen. Er mochte das Recht nicht biegen und sich nicht beugen lassen. Dabei war Range klar, was kommen würde: Noch am selben Tag versetzte man ihn in den Ruhestand.
Menschen, die ihm anschließend begegnet sind, sagen, er habe wie befreit gewirkt. Als sei nach 40 Dienstjahren als Richter, Staatsanwalt, Generalstaatsanwalt und Generalbundesanwalt eine Last von ihm abgefallen. Vielleicht war es die Last der Verantwortung, an der er Zeit seines Berufslebens immer schwer zu tragen schien.
Harald Range starb am Mittwochabend im Alter von 70 Jahren in Karlsruhe. Er hinterlässt seine Frau und Kinder.