Hartz-IV-Debatte "Druck auf Arbeitslose nützt nichts"

Hartz-IV-Empfänger sollen gefälligst arbeiten gehen, wettert Guido Westerwelle. Doch in Ostdeutschland müsse die Diskussion ganz anders geführt werden, fordert sein Parteikollege Veit Wolpert, FDP-Fraktionschef in Sachsen-Anhalt: Wo es keine Jobs zu verteilen gebe, komme man mit Druck nicht weiter.
Jobmarkt: "Wenn keine Arbeit da ist, kann keine verteilt werden

Jobmarkt: "Wenn keine Arbeit da ist, kann keine verteilt werden

Foto: ddp

Guido Westerwelle

SPIEGEL ONLINE: Ihr Parteichef will mehr Druck auf Hartz-IV-Empfänger machen, angebotene Jobs anzunehmen. Stimmen Sie ihm zu?

Wolpert: Wir dürfen nicht vergessen, dass wir 2009 die größte Wirtschaftskrise nach 1930 hatten. Selbst wirtschaftsstarke Bundesländer schwächeln, es gibt daher momentan nur ganz wenig Arbeit zu verteilen. Deshalb nützt es nichts, wenn wir den Druck auf die Hartz-IV-Empfänger erhöhen. Wenn keine Arbeit da ist, kann keine verteilt werden. Somit stimmt das Gleichgewicht zwischen "fördern und fordern" nicht mehr. Das gilt vor allem für Ostdeutschland.

SPIEGEL ONLINE: Inwiefern ist die Lage dort anders?

Hartz IV

Wolpert: Wir haben einen sehr großen Anteil von sogenannten Aufstockern. Das sind Menschen, die stehen jeden Morgen auf und gehen zur Arbeit - nur verdienen sie mit ihrer Arbeit so wenig Geld, dass sie zusätzlich zur Grundsicherung brauchen. In Sachsen-Anhalt sind das rund 30 Prozent.

Mindestlohn

SPIEGEL ONLINE: Das klingt, als forderten Sie einen .

Wolpert: Wir brauchen jetzt keine Debatte über den Mindestlohn. Wir brauchen eine Debatte über die Entlastung der Menschen, die mit ihrem Einkommen nur wenig über dem Hartz-IV-Satz liegen, die aber bereits voll steuer- und sozialabgabenpflichtig sind. Hier ist unser jetziges System ungerecht, weil die Belastung mit Steuern und Abgaben gerade bei kleineren Einkommen besonders spürbar ist. Das will die FDP mit ihrer Steuerreform ja ändern.

SPIEGEL ONLINE: Zur Lösung sozialer Probleme hat die FDP immer auf Wirtschaftswachstum gesetzt. Dann kam die Weltwirtschaftskrise. Greifen die Rezepte der FDP noch?

Wolpert: Die FDP hat zur Lösung sozialer Probleme eine Menge mehr anzubieten. Wir haben nach der Regierungsübernahme das Schonvermögen für Hartz-IV-Empfänger erhöht und Familien mit Kindern bessergestellt. Richtig bleibt aber: Ohne Arbeitsplätze und ohne Wirtschaftswachstum sind soziale Probleme noch schwerer zu lösen. Denn Arbeit ist eben mehr als "nur" Geld verdienen. Arbeit hat mit Würde und sozialer Anerkennung zu tun.

Das Interview führte Merlind Theile
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten