BER-Chaos Genossen auf Crash-Kurs

Hauptstadtflughafen Berlin: Diskussion über Nachtflugverbot sorgt für Ärger
Foto: Patrick Pleul/ dpaBerlin - Die Betriebsversammlung mit den Mitarbeitern der Berliner Flughafengesellschaft verläuft wie die Ankunft eines Fremden in einem bayerischen Alpendorf. Mit grimmigem Schweigen quittieren Büroangestellte, Mechaniker, Disponenten und Feuerwehrleute die gut zehnminütige Rede des neuen Aufsichtsratsvorsitzenden. Matthias Platzeck bemüht sich gar nicht erst, die Lage zu beschönigen, sucht Verständnis und verspricht einen Neuanfang. Doch kaum einer glaubt ihm. "Die Stimmung war eisig", erinnert er sich einige Tage später über seinen Antrittsbesuch.
Inzwischen, rund acht Wochen später, macht der Flughafen Berlin Brandeburg in der Öffentlichkeit zwar weiterhin regelmäßig mit Pleiten, Pech und Pannen Schlagzeilen, doch hinter den Kulissen hat Platzeck bereits einiges in Bewegung gebracht - und er lässt damit seinen Vorgänger Klaus Wowereit noch schlechter dastehen, als dies ohnehin schon der Fall ist.
Aber nicht nur die Schmach, die für den Regierenden Bürgermeister damit verbunden ist, dürfte zu einer deutlichen Abkühlung im Verhältnis der beiden SPD-Politiker geführt haben. Inzwischen wird auch die Liste von strategischen Entscheidungen immer länger, die im roten Rathaus helle Empörung ausgelöst haben.
Die jüngste davon ist Platzecks Ankündigung, mit Berlin und dem Bund noch einmal über die Ausweitung des Nachtflugverbots zu verhandeln. Hintergrund ist ein Volksbegehren der Flughafengegner, dem insbesondere die Linken Rechnung tragen wollen. Ihnen schuldet Platzeck etwas, denn sie standen ihm Anfang Januar zur Seite, als er wegen des Flughafendesasters die Vertrauensfrage stellte.
Empörung im Roten Rathaus
"Ich bedaure zutiefst, dass Brandenburg offenbar den gemeinsam festgelegten Kurs für die Entwicklung des Flughafens BER verlassen will", sagt dazu Wowereit. Er warnte eindringlich davor, dass ein Kurswechsel "in die falsche Richtung" zu einem "elementaren Schaden für die Perspektiven der gesamten Region" führen und die gemeinsame Grundlage für die Entwicklung des Flughafens zerstören würde.
Dass die Ausweitung des Nachtflugverbots ohne die Zustimmung der beiden Miteigentümer gar nicht möglich ist, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. In der öffentlichen Wahrnehmung steht der Regierende Bürgermeister plötzlich als jemand da, der die Entscheidungen eines anderen nur kommentieren kann. Wowereit nur der zweite Mann, das fuchst.
Auch die Entlassung des glücklosen Flughafenmanagers Rainer Schwarz musste Wowereit bereits zähneknirschend hinnehmen, obwohl er zunächst hinter den Kulissen, später laut vor den Mikrofonen, dagegen aufbegehrte. Man habe der Flughafengesellschaft ohne Not den Kopf abgeschlagen, pestete er. Besser, man hätte sich zunächst nach Alternativen umgesehen.
Hilflos musste er sich auch den Zusagen Platzecks an die vom Lärm betroffenen Flughafenanwohner anschließen, die das Land Berlin einen Millionenbetrag kosten dürften. Geld, das in erster Linie Brandenburger Bürgern zugutekommt.
Wowereit nur noch der zweite Mann
Nichts also läuft mehr, wie Wowereit es will, seit er den Chefsessel für Platzeck freigeräumt hat. Schwer für einen, der gewohnt ist, die Ansagen zu machen. Sein Sprecher Richard Meng bemüht sich zwar nach Kräften, den Eindruck der Ohnmacht zu zerstreuen. Natürlich gebe es bei dem einen oder anderen Punkt Unterschiede, doch "in den zentralen Fragen sind die Aufsichtsräte auf einer Linie", betonte er.
Doch nach Einschätzung von Beobachtern ist längst entschieden, wo die Macht beim Hauptstadtflughafen inzwischen liegt, mit dem sich Wowereit einst ein Denkmal hatte setzen wollen - bei Platzeck. "Die Rollenverteilung liegt auf der Hand", sagt der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter. "Platzeck will 2014 noch einmal die Wahl in Brandenburg gewinnen", sagt der Grünen-Politiker, der sich intensiv mit dem Thema Hauptstadtflughafen beschäftigt hat. Wowereit dagegen stehe vor dem Ende seiner politischen Laufbahn, spätestens mit den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus 2016.
Platzeck hat also wenig Not, besondere Rücksicht zu nehmen, nicht einmal aus Gründen der Parteiräson. Und er kann es sich auch nicht leisten, denn das Risiko eines Scheiterns trägt er ganz allein. Schon jetzt beobachtet die Öffentlichkeit seine holprige Suche nach einem neuen Flughafenchef mit Argusaugen. Die Verpflichtung des ehemaligen Fraport-Managers Wilhelm Bender als Ratgeber des Aufsichtsrats dürfte die Suche nicht erleichtern.
Auf der anderen Seite wächst die Zeitnot. Technikchef Horst Amann ist es bislang nicht gelungen, dem Projekt neuen Schwung zu verleihen. Noch ist nicht einmal endgültig geklärt, welchen Umfang die Sanierungsarbeiten im Hauptterminal haben werden. Einen verbindlichen Termin für die Eröffnung wagt niemand mehr vorherzusagen. Wenn aber der Flughafenbau scheitert, steht auch Platzeck am Ende seiner Karriere.