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Hausmitteilung Das Jahr 2021, Afghanistan, Mauerbau

aus SPIEGEL Chronik 1/2021

Das Jahr 2021

Bundestagswahl, Flut und Klimakrise, Debakel in Afghanistan, Niedergang der CDU, Sturm aufs Kapitol in den USA und dann – eben doch immer wieder Corona, dieses hartnäckige Virus, das so viel Aufmerksamkeit erzwingt. 2021 wurde zu einem Jahr des Dramas und der Entscheidungen. Damit beschäftigt sich dieses Heft in Analysen, Interviews, Reportagen, Kommentaren. Barbara Supp (2. v. r.) und Alfred Weinzierl (r.) haben es konzipiert, Michael Abke (l.), Elisabeth Kolb (M.) und Jens Kuppi (2. v. l.) übernahmen die Gestaltung. Meistens aus dem Homeoffice heraus, manchmal aber auch bei echten Treffen von Mensch zu Mensch – geimpft, getestet, genesen.

Afghanistan

Foto: Juan Carlos / DER SPIEGEL

Den Abschied von der Freiheit wollte der Reporter Christoph Reuter (r.) beschreiben, deshalb traf er im Juli in Kabul Schauspielerinnen, eine Schachmeisterin, den Filmemacher Kaveh Ayreek, der einen letzten Film über seine Stadt drehen wollte. »Kabul ist voller Geister«, so sah es Ayreek. Dann, Mitte August, war Kabul plötzlich voller Taliban. Stadt und Staat ergaben sich praktisch ohne Gegenwehr. Reuter, nach Deutschland zurückgekehrt, schaffte es auf Umwegen wieder ins Land. Er erlebte chaotische Tage im August, lebensgefährliche Fluchtversuche von Afghaninnen und Afghanen, gescheiterte Evakuierungen, Machtstrukturen, die sich neu sortierten. Wie es den Frauen und Mädchen ergehen werde? Talibansprecher Zabihullah Mujahid sagte ihm in seinem Ministerium: Schul- und Universitätsbesuche würden möglich sein, wenn ein »sicherer Transport« gewährleistet sei. Reuter: »Das Verbot war vor allem ein Versuchsballon: Wie reagiert die Welt, wie reagieren die Afghaninnen darauf? Widerstand ist möglich. Die Taliban brauchen das Geld aus dem Ausland, sonst geht das Land unter.«

Im August 1961 kam die Amerikanerin Jane Helmchen (r.) als Englischlehrerin nach Berlin, mitten im Kalten Krieg. Der Bau der Mauer war gerade ein paar Tage her. Ihre Schule stand direkt an der Grenze auf der westlichen Seite, ein Teil der Schülerinnen und Schüler hatte keinen Zugang mehr. Die US-Bürgerin Helmchen durfte die Grenze passieren, sie pendelte zwischen West und Ost, sorgte für Verbindung zwischen zerrissenen Familien. »Schwalbe« hieß sie bei der Stasi, die sich für die Vielreisende interessierte. Zum 60. Jahrestag des Mauerbaus hat die Autorin Susanne Beyer Helmchen besucht, war mit ihr an der Gedenkstätte Bernauer Straße, hat ihre Erinnerungen aufgezeichnet. Auch den Mauerfall hat Helmchen 1989 in Berlin miterlebt. Damals, so erzählt sie, habe sie Matratze an Matratze in ihrem Wohnzimmer liegen gehabt für Besucher aus den USA – die gekommen waren, um ein Stück Mauer abzuklopfen und nach Hause mitzunehmen. Die Zeitzeugin aus Massachusetts, die in Deutschland geblieben ist, blickt mit der Distanz einer Amerikanerin auf die deutsch-deutschen Verhältnisse. Deswegen, sagt Beyer, »kann sie manches besser erkennen als Einheimische – auch, was seit der Einheit falsch gelaufen ist«.

Die nächste SPIEGEL-Ausgabe Nr. 49/2021 erscheint am Samstag, dem 4. Dezember 2021

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